Ein Sportplatz am Waldrand.

Tradition trifft Zukunft Der Rasen bleibt: Thüringer Fußball-Kultstätte "Kaffeetälchen" wird saniert

Stand: 22.05.2024 13:40 Uhr

Ein Dorf mit einem Fußballstadion, das einem Großstadtverein genügen würde - das ist das "Waldstadion im Kaffeetälchen" in Tiefenort. Jetzt soll die Traditions-Spielstätte saniert werden - ohne den Zankapfel Kunstrasen.

Von Ruth Breer, MDR THÜRINGEN

Warum das Kaffeetälchen Kaffeetälchen heißt, kann auch der Vize-Vereinsvorsitzende der Fußballer von Kali Werra Tiefenort nicht zweifelsfrei klären. Ralf Rubisch meint, das gehe wohl darauf zurück, dass die Tiefenorter einst zum Kaffeetrinken in das Waldtal gezogen seien.

Zu DDR-Zeiten fasste das Stadion 8.000 Zuschauer, gespielt wurde über Jahre in der zweithöchsten Spielklasse, der DDR-Liga. "Hier wurde Fußballgeschichte geschrieben", sagt Rubisch. Und auch der Bürgermeister von Bad Salzungen Klaus Bohl (Freie Wähler) weiß: "Für die Tiefenorter hängt unheimlich viel Herzblut am Kaffeetälchen."

Fußballspiel

Beim Spiel gegen Turbine Erfurt 1959 drängten sich 8000 Zuschauer in das Waldstadion im Kaffeetälchen.

Stadion im Einigungsvertrag

Als Tiefenort vor einigen Jahren mit der Kreisstadt fusionierte, schaffte es das Waldstadion in den Einigungsvertrag. Die Sanierung war einer der Wünsche, die Eingang fanden. Ein Fachbüro für Sportstätten erstellte ein umfangreiches Konzept. Es sah für 7,8 Millionen Euro unter anderem Neubauten für Schützen und Kegler vor und einen Kunstrasen für das Stadion.

Letzteres allerdings sorgte weit über Thüringen hinaus für Unmut: Fußball-Enthusiasten und Puristen, die sogar aus Österreich und der Schweiz zu dieser Kultstätte pilgern, fürchteten um den besonderen nostalgischen Charme des Kaffeetälchens.

Das Besondere des Ortes erkannten im vergangenen Jahr auch der Fußballweltmeister Philipp Lahm und die Europameisterin Célia Šašić: Im Rahmen des 110-jährigen Jubiläums des FSV Kali Werra Tiefenort präsentieren sie die bundesweite Initiative "Treffpunkt Fußball", die sich unter anderem die Stärkung des Amateurfußballs zum Ziel gesetzt hat, und honorierten das Ehrenamt vor Ort.

Für die Sanierung bekam Bad Salzungen nicht die erhofften Fördermittel. Damit war klar, sagt der Bürgermeister: Es kann nur schrittweise etwas bewegt werden. In diesem Jahr fließt etwa eine halbe Million Euro in die Sportstätte. Bereits im Gange ist die energetische Sanierung des Vereinsheims der Fußballer. Dort wurde eine neue Heizungsanlage eingebaut, eine Photovoltaikanlage kommt dazu.

Geld vom Land für Straße und Abriss

400.000 Euro vom Land hat die Stadt für deutlich sichtbarere Schritte erhalten, sogar eine 100-Prozent-Förderung. Damit soll am hinteren Ende des Stadions ein Gebäudeteil abgerissen werden, die marode frühere Gaststätte. Sie wird nicht mehr benötigt. Das benachbarte Domizil der Schützen und Kegler aus den 1960er-Jahren bleibt erhalten. Außerdem wird die Zufahrt zu diesem Gebäude erneuert - als Baustraße wird sie befestigt und bekommt eine Asphaltdecke. Bisher besteht der Fahrweg aus Betonteilen.

Zwölf Männer und Frauen stehen vor einem Plakat an einem Sportplatz.

Alle drei Vereine und einige Stadträte haben die Investition der Stadt Bad Salzungen von 400.000 Euro in Empfang genommen.

Schützenverein baut Bogensport aus

Der Schützenverein hofft darauf, den Hartplatz oberhalb des Stadions weiter nutzen zu können. Der Verein hat vor zehn Jahren die Sparte Bogensport aufgebaut und sich damit stark verjüngt. Auf dem Hartplatz sollen Wettkämpfe stattfinden, gleich daneben plant der Verein noch in diesem Jahr einen Bogenparcours mit dreidimensionalen Zielen im Wald, für sogenanntes jagdliches Bogenschießen.

Als Lager und für Wettkämpfe will die Stadt den Schützen einen Container auf den Hartplatz stellen. Tiefenort ist mittlerweile einer von vier regionalen Stützpunkten des Deutschen Schützenbundes in Thüringen, um Bogensport-Nachwuchs zu sichten.

Ein Mann steht vor einer Schießanlage der Schützen in einem Gebäude.

Die Schießanlage für Schützen wie Karsten Linß wurde erst kürzlich erneuert.

"Leben in der Bude"

"Im Kaffeetälchen ist Leben in der Bude", stellt Ralf Rubisch auch für die Fußballer fest. Im Verein gibt es 17 Nachwuchsmannschaften, alle Spielklassen kann der Verein besetzen, dazu drei Männermannschaften und "edle Herren", wie Rubisch die älteren Sportler nennt. Auch bei Arbeitseinsätzen ist das Stadion belebt, gilt es doch, die Hänge und die weitläufigen Tribünen regelmäßig zu pflegen und freizuschneiden. Rund 5.000 Plätze sind geblieben.

Ein Mann steht an einem Tor vor einem Sportplatz.

Ralf Rubisch ist Vereins-Vize der Fußballer von Kali Werra Tiefenort. Dort gibt es 17 Nachwuchsmannschaften.

Und was ist aus den Kunstrasen-Plänen geworden? Für das Kaffeetälchen sind sie vom Tisch, so der Bürgermeister. Um die Nachwuchsarbeit der Fußballer zu würdigen, soll stattdessen mit Hilfe des Wartburgkreises auf der Heerstatt in Tiefenort ein Kunstrasen-Trainingsplatz entstehen - mit Leichtathletikanlagen, beides nutzbar auch für den Schulsport.

Ralf Rubisch wünscht sich, dass dieser Kunstrasenplatz etwas größer ausfällt. Das kleinste Großfeld wäre "die optimale Lösung, weil beim Nachwuchs ab C-Jugend auf Großfeld gespielt wird". Kunstrasen im Kaffeetälchen wäre für ihn auch kein Tabu, räumt er ein. Wenn das Flair so bleibe - "unsere Fußballer haben nichts gegen Kunstrasen".

MDR (ost/nir)