Chantal Mantz und Izabela Lupulesku vom TSV Langstadt jubeln

TSV Langstadt Das "gallische Dorf" trotzt den Riesen der Tischtennis-Bundesliga

Stand: 11.01.2024 11:03 Uhr

Der TSV Langstadt spielt eine überragende Saison, ist in der Tischtennis-Bundesliga ungeschlagener Tabellenführer. In der Rückrunde wollen die Südhessinnen die Großen der Liga weiter ärgern. Und schrauben ihre eigenen Saisonziele nach oben.

Von Bastian Gerling

Die Generalprobe des TSV Langstadt vor dem Rückrundenstart am Sonntag (14 Uhr) ist misslungen: Die Spielerinnen aus dem Babenhäuser Stadtteil Langstadt haben das Pokalhalbfinale mit 1:3 gegen den SV DJK Kolbermoor verloren.

Verlieren? Wie sich das anfühlt, wusste die Bundesliga-Mannschaft gar nicht mehr, passierte es ihnen in der Hinrunde doch kein einziges Mal. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist zwar jetzt erstmal weg, für TSV-Trainerin Anna Rauch aber kein Grund zur Sorge, denn die Niederlage war eingeplant: "Mit der Aufstellung, mit der wir angereist sind, waren wir der klare Außenseiter", sagte sie dem hr-sport.

Erfolgreich trotz Umbruch

Und ohnehin, dass der TSV Langstadt in der Liga so gut dasteht, ist eine ziemliche Überraschung. Bei den Hessinnen gab es nämlich einen großen Umbruch. Mit Petrissa Solja und Minnie Soo verlor der Verein innerhalb eines Jahres zwei absolute Topspielerinnen. Nach vier Jahren hörte außerdem Trainer Thomas Hauke auf, Anna Rauch ersetzte ihn. Dementsprechend bescheiden formulierten die Verantwortlichen das Saisonziel: Hauptsache für die Playoffs qualifizieren.  

Das passt zum Selbstverständnis des Vereins, der sich zwar mittlerweile in der Tischtennis-Bundesliga etabliert hat, aber als kleine hessische Gemeinde einfach andere Voraussetzungen hat als zum Beispiel der Rekordmeister TTC eastside aus Berlin. "Wir sind das gallische Dorf der Bundesliga", folgert Manager Kämmerer deshalb im Gespräch mit dem hr-sport. Im Gegensatz zum Comic-Pendant haben die Langstädter zwar keinen Zaubertrank, dafür aber andere besondere Erfolgszutaten. 

Zutat 1: Fans als Faktor

Zum Bespiel die Fans: Durchschnittlich 150 Zuschauer kommen diese Saison zu jedem Heimspiel – ligaweiter Spitzenwert. In Kombination mit der kleinen, engen Halle ergibt das eine einzigartige Stimmung. Die sich für den TSV Langstadt doppelt lohnt: Zum einen pushen die Fans die Spielerinnen zu Höchstleistungen, feuern sie bei jedem Ballwechsel an – vor allem, wenn es schlecht läuft. "Das hat uns diese Saison sicher schon Punkte gebracht, mit den Fans im Rücken sind wir eine Macht", schwärmt Kämmerer.  

Zum anderen sind die Fans aber auch ein echter Verhandlungstrumpf, der dem Manager die Arbeit erleichtert. So würden Spielerinnen mittlerweile proaktiv auf den Verein zukommen, um beim TSV spielen zu dürfen. Und das eben auch, weil die Atmosphäre in der Halle so besonders sei.  

Zutat 2: Ausgeglichene Mannschaft

Und wenn man sich die Spielerinnen quasi aussuchen kann, dann baut man eben eine starke Truppe. Der TSV Langstadt setzt dabei auf Ausgeglichenheit, kann an jeder Stelle der Partie Punkte holen. "Das unterscheidet uns von Teams, die ein sehr gutes vorderes Paarkreuz haben, bei denen hinten aber nichts mehr kommt", beschreibt Kämmerer.  

Die Erfolgsgarantin im hinteren Teil der Partie ist bei den Südhessinnen dabei oft Neuzugang Izabela Lupulesku. Die Slowenin spielt für den TSV im zweiten Paarkreuz und hat dort die beste Bilanz der Liga: Elf Sätze gewonnen, erst zwei verloren – "sie ist momentan die Formstärkste im Team, sie ist unser Punktegarant hinten", lobt auch Trainerin Rauch.

Und die Langstädter haben noch einen Vorteil im Ligavergleich: Die hochklassige zweite Mannschaft, die nur eine Liga tiefer spielt. Dadurch können Verletzungen fast ohne Qualitätsverlust aufgefangen werden.  

Zutat 3: Guter Teamgeist

Um gegen Topteams wie Berlin und Co. zu bestehen, die in der Spitze über noch bessere Spielerinnen verfügen, braucht es aber noch eine Zutat: einen guten Teamgeist. "Der steht bei uns über allem", sagt Rauch. Jede kämpfe für die anderen, das sei manchmal spielentscheidend. Dafür werden die Spielerinnen von der sportlichen Leitung in die Planung miteinbezogen, wenn es um potenzielle Neuzugänge geht. "Wir schauen vor allem auch, wer vom Charakter passt", erklärt Manager Kämmerer.  

Mit Erfolg: Die Spielerinnen fahren zum Teil sogar gemeinsam in den Urlaub, verstehen sich auch abseits der Platte sehr gut. Das gilt auch für die Trainerin, die ein enges Verhältnis zu ihren Spielerinnen pflegt. Und das hilft ihr auch beim Coaching: "Da ich die meisten der Spielerinnen auch privat sehr gut kenne, weiß ich, welche Schrauben gedreht werden müssen, um das letzte Prozent rauszukitzeln."

Platz zwei als neues Ziel

Vom Titel will in Langstadt aber trotzdem niemand sprechen, bei der Berliner Übermacht sei das "vermessen", so Kämmerer. Trainerin Rauch sieht das ähnlich, Berlin sei in Vollbesetzung "ganz ganz schwierig zu schlagen". Trotzdem hat der Verein die eigenen Ziele angepasst. Mindestens Tabellenzweiter möchte man diese Saison schon werden – und sich so direkt für das Playoffs-Halbfinale qualifizieren.  

Und wer weiß, vielleicht gelingt den Südhessinnen dann doch die große Überraschung. Die Gallier konnten die Römer ja auch oft genug ärgern.