Im Fokus: Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, ist seit der Nagelsmann-Entlassung starker Kritik ausgesetzt.

BR24 Sport "Mussten handeln" - Kahn stellt sich dem Gegenwind

Stand: 10.05.2023 10:58 Uhr

Oliver Kahn steht seit der Nagelsmann-Entlassung im Fokus der öffentlichen Kritik. Erneut verteidigt der FC-Bayern-Boss die Trainer-Entscheidung, doch der Ton wird allmählich sanfter - denn es geht nun auch um seinen Job.

Von Raphael Weiss

Auch fünf Wochen nach der Entlassung von Julian Nagelsmann beschäftigt die Entscheidung von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic den Verein, die Fans und Pressevertreter. Das ist selbst für FC-Bayern-Verhältnisse eine ziemlich lange Zeit.

Das liegt zum einen daran, dass unter dem Nagelsmann-Nachfolger Thomas Tuchel die Mannschaft aus zwei wichtigen Wettbewerben ausgeschieden ist und das Team sportlich so unsicher auftritt, dass der Gewinn des dritten Titels für viele eine Überraschung wäre.

Erst Attacke, nun besonnen: Kahn ändert die Tonart

Zum anderen liegt das an der Art und Weise wann und wie die sportliche Führung sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Seither weht Kahn und Salihamidzic nicht nur Gegenwind ins Gesicht - es sind derzeit mindestens Sturmböen der Stufe 3 die da in Richtung Säbener Straße blasen. Amtliche Unwetter Warnung - die weitere Entwicklung ist sehr gefährlich, es können Schäden auftreten.

Doch Salihamidzic und besonders Kahn suchen seit Aufkommen dieses Gegenwindes keinen sicheren Unterschlupf, gehen nicht in Deckung. Nein, sie blasen selbst zum Angriff, stellen sich vor allen Dingen dort, wo die Kritik am schrillsten ist, Woche für Woche vor die Mikrofone. Erst stürmisch und wütend - wie in dem Streit zwischen Kahn und Lothar Matthäus. Mittlerweile aber ruhiger, besonnener, verständnisvoller.

Kahn verteidigt Nagelsmann-Aus: "schwankende Leistungen" und "fehlende Ergebnisse"

So hörte sich das Interview mit Matthäus bei Sky noch nach "Abteilung Attacke" an: "Pass auf, vielleicht leidet der ein oder andere hier auch an Erinnerungsverklärung oder Erinnerungsverzerrung. Auch zu unserer Zeit, als wir gespielt haben, Du kannst dich wahrscheinlich noch erinnern, es gab immer wieder Entscheidungen, die nicht einfach waren. Unterstellungen, wir würden den Stil des FC Bayern nicht wahren, also da wäre ich mal ganz, ganz vorsichtig", polterte Kahn damals gegen seinen ehemaligen Teamkollegen.

Nun schlägt Kahn in der "Sport Bild" deutlich ruhigere Töne an: "Ich verstehe ja, dass diese Frage gestellt wird. Aber wir haben uns inzwischen oft genug dazu geäußert. Wie ich gerade schon gesagt habe: Wegen der fehlenden Ergebnisse und der schwankenden Leistungen kamen wir einfach an einen Punkt, an dem wir handeln mussten."

Doch nur der Ton hat sich geändert - der Erkenntnisgewinn bleibt derselbe: "Wir hatten zum Zeitpunkt des Trainerwechsels in der Meisterschaft zehn Punkte Vorsprung auf Dortmund verspielt. Die Entscheidung war allein deshalb richtig", lautet auch diesmal die Begründung, die auch vor mehr als einem Monat nur die Wenigsten wirklich schlüssig fanden.

Zumal Kahn selbst auch erklärt, dass die Weltmeisterschaft mit den Verletzungen von Lucas Hernández und Noussair Mazraoui und den DFB-Spielern, die "in einem absoluten Tief von der Weltmeisterschaft" zurückgekehrt seien, eine große Rolle in der schwachen Rückrunde gespielt haben.

Kahn bangt um seinen eigenen Job

Der ruhigere, besonnenere Tonfall liegt wohl daran, dass auch wegen des starken Windes das Fundament, auf dem Kahn und Salihamidzic beim FC Bayern ruhen, ziemlich porös geworden ist. Zuletzt wurde berichtet, dass einer der beiden im Sommer gehen muss - und FCB-Präsident Hainer vermied zuletzt ein Bekenntnis zu Kahn.

"Ich kann absolut nachvollziehen, wenn Herbert Hainer sagt: Wir wollen uns jetzt auf das Sportliche, auf den Gewinn der deutschen Meisterschaft konzentrieren. Genau das sage ich ja auch", beschwichtig Kahn in der "Sport Bild": "Alles andere werden wir danach miteinander besprechen. Kritisch und auch selbstkritisch, denn natürlich gibt es Dinge, die wir besser machen können."

Am 30. Mai findet die Aufsichtsratssitzung statt, die über diese Frage entscheidet, ob die Außendarstellung, die Nagelsmann-Entlassung und der Gegenwind nicht zu viel Schaden an der Säbener Straße hinterlassen haben. Denn die Folgen aus dieser Saison könnten relativ drastisch sein. Zum einen finanziell: Wegen der hohen Summe und der langen Vertragslaufzeit für Nagelsmann, auch wenn Kahn sagt, man habe Vorkehrungen getroffen, um die Kosten gering zu halten - so soll laut Bild-Informationen der Ex-Coach derzeit "nur" rund 80 Prozent seines Gehaltes beziehen.

Wie groß wird der Schaden an der Säbener Straße 51?

Doch auch die Versäumnisse aus der Kaderplanung auszumerzen dürfte einiges Kosten. Stürmerkandidaten, die beim FC Bayern gehandelt werden, sollen allesamt um die 100 Millionen Euro kosten. "Bei solchen Summen muss der FC Bayern sich die Frage stellen: Gibt der Spieler dir für dieses Geld eine Garantie? Das wäre auf jeden Fall ein großes Risiko", sagte Kahn

Doch nicht nur finanziell ist ein Schaden entstanden. Der FC Bayern wirkt derzeit alles andere als ein sicherer Hafen im Weltfußball. Top-Stars und deren Berater, die derzeit mit dem Gedanken spielen, nach München zu wechseln, könnten von dem wochenlangen Theater abgeschreckt werden.

Und auch die Mannschaft wirkt derzeit verunsichert. Selbst Leistungsträger wie Thomas Müller treten kaum noch vor die Medien. Und auch Trainer Thomas Tuchel dürfte an Ansehen in der Mannschaft verlieren, falls diese Saison nicht mit dem Meistertitel endet. Der Gegenwind an der Säbener Straße 51 dürfte in diesem Fall die Stärke eines tropischen Wirbelsturms erreichen.

Audio: Oliver Kahn: Wackelt der Vorstandschef?

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Quelle: BR24 10.05.2023 - 18:30 Uhr