Manuel Neuer im Training des FC Bayern München

Zehn Monate nach Skiunfall Manuel Neuer: Comeback zwischen Euphorie und Zweifeln

Stand: 27.10.2023 14:33 Uhr

Am Samstag steht Manuel Neuer wieder im Tor des FC Bayern München. Gegen Darmstadt endet die lange Leidenszeit des ehemaligen Welttorhüters. Euphorie begleitet sein Comeback. Doch es gibt auch Zweifel.

Von Raphael Weiss

Beim FC Bayern überbietet man sich derzeit in Freudenbekundungen. Manuel Neuer ist zurück. Gegen den SV Darmstadt wird er endlich - zehn Monate nach seinem schweren Skiunfall, bei dem er sich das Bein brach - wieder im Tor der Münchner stehen. Und der Jubelchor ist laut.

Ersatz-Kapitän Joshua Kimmich freut sich "von ganzem Herzen. Ich gönne ihm das extrem", FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel schwankt zwischen "Euphorie", "Stolz" und Bewunderung und Sepp Maier wird sogar poetisch. "Wie Phönix aus der Asche wird er aufsteigen, die ganzen Diskussionen um ihn werden wieder verstummen", sagte Maier, neben dem Neuer irgendwann gemeinsam mit Oliver Kahn auf dem bayerischen Torwart-Olymp sitzen wird.

Doch bis dahin, bis Neuer gemeinsam mit den anderen ehemaligen Torwart-Göttern die Geschehnisse beim FC Bayern kommentieren und bewerten wird, soll noch einige Zeit vergehen. Jetzt haben die Münchner ihre "Nummer eins" zurück, ihren Welttorhüter. Elffacher Deutscher Meister, zweifacher Champions-League-Sieger, Weltmeister - die Historie von Neuer ist über jeden Zweifel erhaben. Er ist einer der größten seines Fachs, ja vielleicht sogar der Größte.

Neuer vor der Verletzung: Vor allen Dingen beim DFB in der Kritik

Was die Zukunft betrifft, da ist sich zumindest Maier sicher, gibt es ebenso wenig Zweifel: Es werde "keiner merken, dass er zehn Monate gefehlt hat und 37 Jahre jung ist", prophezeite Maier in der "Bild". Ob das so ist und ob das reicht, ist eine andere Frage. Denn Neuer war auch schon vor seiner Verletzung nicht immer frei von Kritik.

Besonders in der Nationalmannschaft beäugte man den FC-Bayern-Spieler zunehmend kritisch. Zumindest eine Teilschuld wurde ihm am enttäuschenden WM-Aus in Katar gegeben, weil viele bei einem Gegentreffer bei der 1:2-Niederlage gegen Japan Alterserscheinungen erkennen wollten. Doch sonst spielte Neuer ein solides Turnier. Und kleinere Patzer, die hatte selbst der Welttorhüter Neuer zu seinen besten Zeiten in seinem Spiel.

Nummer eins beim DFB? Tuchel: "Frage wird sich im Mai nicht stellen"

Dass der Leistungsabfall zu damals nicht allzu groß ist, muss der 37-Jährige nun zeigen. Denn der FC Bayern, das ist fast schon in der Satzung des Vereins verankert, muss einen der besten Torhüter der Welt in seinen eigenen Reihen wissen. Und das nicht in der Rückschau, sondern im Hier und Jetzt.

Auch für die Nationalmannschaft muss er diesen Anspruch erfüllen, denn da wäre nicht Sven Ulreich, der seine Sache sehr gut gemacht hat, aber nun bereitwillig seinen Platz im Münchner Tor abgibt, die Alternative. Mit Marc-André ter Stegen hat er einen Konkurrenten, der nicht nur unumstritten zu den absolut besten Keepern der Welt gehört, er geht auch offensiv in den Kampf um die Eins auf dem Rücken.

Für Tuchel steht der Sieger dieses Duells schon fest: "Die Frage wird sich im Mai nicht stellen. Die Dinge werden sich von selber regeln", sagt Tuchel - allerdings mit einer Einschränkung: "Das wichtigste ist, dass er gesund bleibt."

Nicht ter Stegen: Neuers größter Gegner ist sein Körper

Denn bei seinem Comeback ist nicht der Torhüter des FC Barcelona Neuers ärgster Widersacher, sondern sein eigener Körper. Stellungsspiel, Reflexe, fußballerische Fähigkeiten und Strafraumbeherrschung - das alles hat der 117-fache Nationalspieler sicherlich nicht verloren haben. Fragezeichen bleiben bei Athletik und Schnellkraft - und bei der Verletzungsanfälligkeit.

Schon 2018 hatte die Karriere des Bayern-Profis nach seinem dritten Mittelfußbruch auf der Kippe gestanden, wie er damals in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung erzählte. Es folgten eine Daumenverletzung, Wadenproblem, eine Knie-Operation und im Oktober 2022 eine Schultergelenkprellung. Mit dem Unterschenkelbruch ereilte ihn im fortgeschrittenen Fußballer-Alter jetzt aber bislang seine vielleicht schlimmste Verletzung.

Champions League und Meisterschaftskampf: Entscheidend wird der April

Der FC Bayern hat sich im Sommer festgelegt: Sie trauen Neuer definitiv zu, noch einmal wie Phönix aus der Asche aufzusteigen, noch einmal Weltklasseleistungen am Fließband zu liefern, noch einmal die Münchner als Rückhalt bis tief in die Champions-League-K.o.-Phase zu führen.

Sonst hätte man im Sommer nicht auf Ulreich und Daniel Peretz als Back-ups gesetzt, sondern auf einen Torhüter, der schon jetzt als echte Konkurrenz zu Neuer gilt. Und selbst bei dem kommenden Gegner ist man sich sicher, dass Neuer wieder ganz der Alte ist. "Ich freue mich, dass der beste Torhüter Deutschlands wieder einsatzfähig ist", sagte Darmstadt-Coach Lieberknecht am Donnerstag bei der Pressekonferenz.

Beim FC Bayern wird Neuer nun die Zeit und den Rückhalt bekommen, die er braucht. Dazu ist die Stellung, die er im Verein genießt, einfach zu groß. Schließlich ist sein Platz im bayerischen Olymp schon vorbereitet. Wann er ihn einnehmen wird, das liegt daran, wie er sich vor allen Dingen in der heißen Phase der Saison präsentiert. Und natürlich, ob sein Körper dem Ehrgeiz von Neuer ebenbürtig ist.