Der DFB, Adidas und Nike

BR24 Sport Adidas und der DFB: Das Ende einer einmaligen Erfolgsstory

Stand: 22.03.2024 13:57 Uhr

Der DFB und Adidas gehören zusammen. Jahrzehntelang galt dieses ungeschriebene Gesetz. Doch 2027 ist nun Schluss mit der Partnerschaft. Der US-Hersteller Nike soll die deutschen Nationalmannschaften künftig ausstatten. Für viele ein Sieg des Profits.

Von Wolfram Porr

Der Aufschrei war groß und ist es auch noch am Tag danach: Dass ab 2027 nicht mehr der Herzogenauracher Sportartikelhersteller Adidas, sondern das US-Unternehmen Nike die deutsche Fußball-Nationalmannschaften ausstatten soll, sorgt für Unverständnis und Irritationen. Grund dafür ist der lange, erfolgreiche Weg, den die beiden Partner gemeinsam zurückgelegt haben - angefangen bei der Fußball-WM 1954.

Der Deutsche Fußball Bund (DFB) und Adidas - das war viele Jahrzehnte lang eine Symbiose, eine Partnerschaft für alle Zeiten, so glaubte man. Immerhin seit 1971, also seit 53 Jahren, gibt es eine vertragliche Bindung zwischen dem größten Einzelsportverband der Welt und dem mittelfränkischen Ausrüster mit den drei Streifen. Und auch schon davor wurde eng zusammengearbeitet, auch wenn die Nationalmannschaft schon mal in Trikots anderer Hersteller (Leuzela, Umbro) auflief.

Das beste Angebot schlägt Partnertreue

Diese lange, von Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägte Ära geht 2027, nach der EM im eigenen Land und der in zwei Jahren stattfindenden WM in Mexiko, USA und Kanada nun mit einigem Getöse zu Ende. Adidas fühlt sich von der Entscheidung überrumpelt, in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main versteht man die Aufregung nicht. Nike, so die Begründung, habe das mit Abstand beste Angebot vorgelegt (von 100 Millionen Euro pro Jahr ist die Rede) und Adidas habe Bescheid gewusst.

Wirtschaftlich ist der Wechsel von den drei Streifen zum Swoosh - so wird das Nike-Symbol genannt - sicher nachvollziehbar. Zumal der DFB bekanntermaßen nicht gerade im Geld schwimmt. Die WM-Affäre, das zuletzt frühe Ausscheiden der Männer-Nationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022, aber auch das teure Prestigeobjekt DFB-Campus in Frankfurt, das am Ende deutlich mehr Geld kostete, als veranschlagt war, haben ein Loch in die Kasse gerissen.

Kritik aus der Politik: Fehlender "Standortpatriotismus"

Für Traditionalisten, aber auch für viele Politiker über Parteigrenzen hinweg, ist der Wechsel freilich die falsche Entscheidung und kommt einem Ausverkauf alter Werte zugunsten von Profit gleich: So wittert Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) die "Reduzierung ausschließlich auf Geld und Dollarzeichen", die ihm auf die Nerven gehe. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) findet, dass der Kommerz "eine Tradition und ein Stück Heimat" vernichte. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) twitterte: "Deutscher Fußball ist Heimat pur - und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe. Kommerz ist nicht alles. Mehr Geradlinigkeit hätte dem DFB trotz aller wirtschaftlichen Herausforderungen gut zu Gesicht gestanden."

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hätte sich bei der Entscheidung "ein Stück mehr Standortpatriotismus" gewünscht. Dahinter steht, dass nicht nur er sich Sorgen macht um den Wirtschaftsstandort Deutschland und den weltweit immer noch guten Ruf von Produkten mit dem Gütesiegel "made in Germany".

Adidas und den DFB verbindet eine lange "Historie"

Aber ist diese Kritik berechtigt? Natürlich hat ein Verband das Recht, ein wirtschaftlich besseres Angebot vorzuziehen. Und Nike versucht, mit Hilfe der eigenen PR-Maschinerie auch noch andere Kriterien als nur die gebotene Vertragssumme ins Spiel zu bringen, wenn es in der Pressemitteilung etwa heißt: "Gemeinsam können wir Katalysatoren für Veränderungen sein - von der Unterstützung der Männer- und Frauen-Nationalmannschaften mit den besten Produktinnovationen bis hin zum Ausbau des Frauenfußballs und der Förderung des Breitensports."

Doch an diesem Punkt hat der DFB auch schon mal anders entschieden. Schon 2018 soll Nike ein deutlich besseres Angebot abgegeben haben als der deutsche Konkurrent. Damals konnte der "Angriff" aus den USA aber gerade noch abgewehrt werden. Aus alter Verbundenheit sei man Adidas seinerzeit treu geblieben, hieß es. Schließlich - und das betonte jetzt nicht nur U21-Nationaltrainer Antonio di Salvo - verbinde die Adidas und den DFB "eine Historie".

Original-Fußballschuhe mit Schraubstollen aus dem WM-Finale 1954 - ausgestellt im Deutschen Fußballmuseum

Original-Fußballschuhe mit Schraubstollen von Adi Dassler aus dem WM-Finale 1954 - ausgestellt im Deutschen Fußballmuseum

Schraubstollen - Adi Dasslers Beitrag zum "Wunder von Bern"

Tatsächlich kam diese jahrzehntelange Treue nicht von ungefähr. Sie gründet auf Wurzeln, die rund 70 Jahre zurückliegen. Es war bei der Fußball-WM 1954 in der Schweiz, als ein gewisser Adi Dassler nicht ganz unbeteiligt daran war, dass die DFB-Auswahl von Bundestrainer Sepp Herberger das "Wunder von Bern" schaffte, erstmals Weltmeister wurde und nur neun Jahre nach Kriegsende einen neuen Stolz entfachte in einem Land, das international die tonnenschwere Kriegsschuld auf den Schultern, in Sack und Asche ging.

Dassler hatte 1949 Adidas gegründet. Seine Vision war es, für jeden Sport einen passenden Schuh herzustellen, um den Athleten die bestmögliche Leistung zu ermöglichen. Bei der WM 1954 lief die deutsche Auswahl zwar mit Trikots der Marke Leuzela (inzwischen aufgekauft vom Sportbekleidungshersteller Erima) auf. Für das Schuhwerk der deutschen Kicker um Fritz Walter, Max Morlock und Helmut Rahn war aber Dassler als Zeugwart persönlich zuständig.

Strenge Kleiderordnung - auch für Pumarianer

"Adi, stoll‘ auf." Dieser Satz ist legendär. Er war die Anweisung von Sepp Herberger an Dassler, vor dem WM-Finale im Wankdorf-Stadion in Bern spezielle Stollen aufzuziehen. Denn es regnete in Strömen, der Rasen war entsprechend schwer und tief. Gesagt, getan. Und so verhalfen die Schraubstollen - eine Erfindung Dasslers - maßgeblich zum 3:2-Finalsieg gegen die klar favorisierten Ungarn.

Seit diesen Tagen und diesem unerwarteten Erfolg gehörten Adidas und der DFB zusammen. Mit Ausnahme der Fußball-WM 1970 in Mexiko, als die deutsche Mannschaft vom britischen Hersteller Umbro ausgestattet wurde, blieb der DFB den Herzogenaurachern treu, ab 1971 dann auch vertraglich festgelegt. Und die Einhaltung der richtigen "Kleiderordnung" wurde in den kommenden Jahrzehnten streng kontrolliert.

Das Ende der "längsten und wichtigsten Sportpartnerschaft"

So musste auch der Nationalmannschafts-Block von Borussia Mönchengladbach um Stars wie Jupp Heynckes, Günter Netzer oder Berti Vogts - in den 1970er Jahren in der Liga von Adidas-Konkurrent Puma ausgestattet - bei Länderspielen in Adidas auflaufen. Später war es dann Rekord-Nationalspieler und Puma-Werbefigur Lothar Matthäus, der sich dieser Vorgabe fügen musste.

Zu einer ersten kleinen Aufweichung kam es erst nach der Fußball-WM 2006 in Deutschland, als die Nationalspieler die freie Schuhwahl durchsetzten. Immer mehr Profis hatten individuelle Verträge, und es war vor allem der US-Konzern Nike, der immer offensiver auf den deutschen Markt schielte. Insgesamt blieb es aber dabei: Die deutschen Nationalmannschaften - egal ob Männer, Frauen oder auch die Juniorenteams - trugen Adidas. Das fränkische Unternehmen konnte sich stets auf seinen Vertragspartner verlassen und prägte das Bild der Auswahlteams maßgeblich mit.

Zuletzt bei der EM 2020 bezog der DFB-Tross sogar sein Turnierquartier im "DFB-Camp" in Herzogenaurach. Auch die Frauen-Nationalmannschaft fühlte sich hier immer wohl. Der DFB, so sagte es mal Kasper Rorsted, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Adidas AG, sei "unsere längste und wichtigste Sport-Partnerschaft". Doch die geht nun ihrem Ende entgegen.

Tabellenführung und Abstiegskampf, aktuelle Spielpaarungen, Ergebnisse und Liveticker, Torjägerlisten, Laufleistung- sowie Zweikampfstatistiken und noch viel mehr: Fußball im Ergebniscenter von BR24Sport.

Quelle: BR24 22.03.2024 - 18:30 Uhr