Georg Zimmermann (r.) verpasste nur knapp den Etappensieg
Tourreporter

Tour de France Zimmermann ist ganz nah dran am großen Karriereziel

Stand: 11.07.2023 21:39 Uhr

Georg Zimmermann wird auf der 10. Etappe der Tour de France Zweiter hinter dem Spanier Pello Bilbao. Der Augsburger wählt im Finale den falschen Gang, zeigt aber, dass er einen Etappensieg bei der Tour in sich hat.

Von Michael Ostermann, Issoire

Es waren noch 100 Meter bis ins Ziel in Issoire. Georg Zimmermanns Oberkörper wippte auf und ab, das Gesicht verzerrt, der Tritt war schwer. Vor ihm war nur der Spanier Pello Bilbao, in dessen Windschatten er nun noch einmal hineinzukommen versuchte. Aber da war schon zu erkennen, dass Zimmermann den Gang, den er gewählt hatte für den Schlusssprint, "nicht so gut rumbrachte", wie er das später formulierte.

Selbstbewusst in den dicksten Gang geschaltet

Da war er dann schon durchgerauscht über die Ziellinie, als Zweiter der 10. Etappe der Tour de France, die Straße hinunter bis zum Teambus, in dem er sofort verschwand. Minuten später, frisch geduscht, blieb ihm nur die Erkenntnis, "dass ich zwei, drei Meter am größten Erfolg meiner Karriere vorbeigeschrammt bin".

Sportschau Tourfunk, 11.07.2023 19:01 Uhr

Als Ursache dafür machte Zimmermann eben den Gang aus, den er für das Finale aufgelegt hatte. 400 Meter vor dem Ziel habe er ausprobiert, ob er "auf dem dicksten oder dem zweithöchsten Gang" sprinten sollte, und sich dann selbstbewusst für den schweren Gang entschieden. Es war die falsche Entscheidung, wie sich herausstellte.

"Das war vielleicht der einzige Fehler, den er heute gemacht hat", sagte Aike Visbeek, der Performance Manager von Zimmermanns Teams Intermarché-Circus-Wanty. Ansonsten attestierte Visbeek dem deutschen Radprofi eine "perfekte Etappe".

Nicht viele Chancen für Fahrertypen wie Zimmermann

Zimmermann war ganz offen damit umgegangen, dass er an diesem Tag seinem großen Ziel, einem Etappensieg bei der Tour de France, würde nachjagen wollen. Schon beim Grand Départ in Bilbao hatte der 25 Jahre alte Augsburger erklärt, dass er sich die 10. und die 12. Etappe ausgeguckt habe für den Sprung in eine Ausreißergruppe.

Fahrertypen wie er bekommen nicht so viele Chancen, bei der Tour de France einen Erfolg zu landen. Er ist kein Sprinter und auch kein Fahrer, der im Hochgebirge auf und davon fährt. Aber auf den mittelschweren Etappen, wie dem Teilstück am Dienstag zwischen dem Freizeitpark Vulcania und dem Städtchen Issoire, kommen seine Qualitäten als Allrounder mit Kletterqualitäten zum Tragen.

Selbstbewusst im illustren Kreis der Ausreißer

Allerdings teilt er sich diese Eigenschaften mit einer Menge anderer Fahrer. Das zeigt allein die illustre Besetzung der Ausreißergruppe, in der Zimmermann an diesem Tag nach großem Kampf gelandet war, was allein schon eine große Leistung war. Man habe einen "guten Haxen" gebraucht, um da drin zu sein, sagte Zimmermann.

Mit Julian Alaphilippe und Michal Kwiatkowski waren gleich zwei ehemalige Weltmeister in der Fluchtgruppe mit von der Partie. Dazu der spätere Etappensieger Bilbao, ein Klassementfahrer, den der Tag auf Rang fünf der Gesamtwertung spülte, wo er nun durchaus als Kandidat fürs Podium in Paris gelten darf. Oder Ben O'Connor, Tourvierter 2021.

Dass Zimmermann in einem solchen Kreis inzwischen selbstbewusst mitfährt, ist auch ein Ergebnis seines Erfolges bei der Dauphiné-Rundfahrt. Dort feierte er im Juni einen Etappensieg, der bislang größte Erfolg seiner Karriere. "Ich habe mir einfach selbst bewiesen, dass ich es kann", hatte Zimmermann erklärt. Weshalb er jetzt "selbstbewusst und mit breiter Brust" bei der Tour de France am Start stehe.

Störungsfreie Tour-Vorbereitung

Es ist Zimmermanns dritte Tourteilnahme. Und anders als vor den ersten beiden, verlief auch die Vorbereitung diesmal störungsfrei. Im vergangenen Jahr war er bis wenige Tage vor dem Start in Kopenhagen noch positiv auf Corona gewesen, eine zusätzlicher Stressfaktor. Doch diesmal sei die Vorbereitung auf die Tour perfekt gewesen. "Ich wurde nie aus dem Takt gebracht", sagt Zimmermann. "Es lief alles wie am Schnürchen. Und das macht alles sehr viel einfacher."

Zimmermann ist keiner, der seinen Beruf als Radprofi unter das strikte Regiment der Wissenschaft und der Zahlen stellt. Seinen Schlaf zu tracken oder sein Essen abzuwiegen, käme ihm nicht in den Sinn. Der liebe Gott habe ihm zwei Gefühle gegeben, ein Hungergefühl und ein Sättigungsgefühl, erklärte Zimmermann im Rahmen der Sportschau-Serie "Deine Tour", weshalb er lieber auf seinen Körper höre.

"Deine Tour", Folge 6 - Georg Zimmermann auf Erfolgskurs

Sportschau, 03.07.2023 13:34 Uhr

Bodenständiger Teamplayer

"Bodenständig und ein absoluter Teamplayer" sei Zimmermann, sagt Aike Visbeek, der Performance Manager. Manchmal sei er ein bisschen schläfrig und mit seinem Kopf woanders. Doch die Aufgaben, die ihm das Team stelle, erfülle er ohne zu zögern. "Wenn wir ihn bitten, etwas zu tun, dann tut er es", sagt Visbeek.

So wird es dann wohl auch am Mittwoch sein. Die 11. Etappe der Tour de France ist wieder für die Sprinter gemacht und Zimmermanns Aufgabe wird sein, seinen Teamkollegen Biniam Girmay im Finale zu unterstützen.

Er selbst bekommt dann vielleicht am Tag darauf wieder seine Gelegenheit. Und wenn nicht, dann kann Zimmermann warten. "Mein Ziel ist, in meiner Karriere eine Tour-de-France Etappe zu gewinnen", sagt er. Das müsse nicht zwingend in diesem Jahr passieren. "Jetzt habe ich gute Beine, ich will die Chancen nutzen. Aber wenn es erst in zehn Jahren so weit ist, dann ist es auch gut."