Jumbo-Visma-Fahrerin Marianne Vos im gelben Trikot
Tourreporter

6. Etappe der Tour de France Femmes Ein letztes Hurra für Vos im Gelben Trikot

Stand: 29.07.2022 19:29 Uhr

Marianne Vos sprintet in Rosheim zum Etappensieg und trägt weiter das Gelbe Trikot. Bei der Entscheidung über den Gesamtsieg wird sie aber wohl keine Rolle spielen.

Von Michael Ostermann, Rosheim

Noch einmal durchlief Marianne Vos in Rosheim das Prozedere im Gelben Trikot: Rauf auf das gelbe Podium und sich feiern lassen, Interview für das weltweite TV-Publikum, Fragen beantworten für die elektronischen Medien, Dopingkontrolle und schließlich noch eine Pressekonferenz.

Fünf Mal hat Vos dieses Programm nun schon absolviert, seit sie am Montag die 2. Etappe der Tour de France Femmes gewann und das Gelbe Trikot übernahm. Viel Muße, diese Zeit im bekanntesten Kleidungsstück des Radsports sacken zu lassen, blieb ihr jedoch bislang nicht.

Vos kann die Emotionen kaum verarbeiten

Auf die täglichen Fragen danach, wie es sich anfühle, im Maillot Jaune bei der ersten Tour de France der Frauen seit 33 Jahren durch die französischen Lande zu fahren, hatte sich Vos deshalb als Standardantwort zurechtgelegt, dass das alles sehr speziell sei. Vielmehr war ihr bis dahin nicht zu entlocken.

"Ehrlich gesagt, bleibt nicht sehr viel Zeit zu reflektieren", erklärte sie in Rosheim, nachdem sie auf der 6. Etappe nicht nur Gelb verteidigt, sondern auch zu ihrem zweiten Tageserfolg gefahren war. "Man hat gerade genug Zeit zu essen und zu schlafen und sich dann auf die nächste Etappe vorzubereiten." Die Emotionen, die Größe des Ganzen - das alles könne man gar nicht verarbeiten.

6. Etappe - die letzten drei Kilometer

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Natürlich weiß Vos um die Bedeutung der Tour de France Femmes für den Frauenradsport. Die mittlerweile 35 Jahre alte Niederländerin hat ja selbst lange dafür gekämpft, dass die ASO als Veranstalter der Tour de France auch den Frauen endlich ihr eigenes Rennen unter diesem Namen ausrichtet.

Dem Rennen den Stempel aufgedrückt

Und dass die Sache schon jetzt ein Erfolg ist, lässt sich auch nicht leugnen. Der Zuschauerzuspruch ist mehr als gut, in die Start- und Zielorte pilgern die Menschen, um die Fahrerinnen aus der Nähe zu betrachten.

Die ASO schafft es zudem mit ihrem in Frankreich durchaus beachtenswerten Einfluss, die Tour der Frauen in die Innenstädte zu bringen, und sie nicht wie bei anderen Rennen von irgendeinem Supermarkt-Parkplatz in einem Vorort starten zu lassen. "Natürlich wissen wir um das große Bild, die Bedeutung. Man fühlt die Spannung, die Begeisterung der Leute drumherum", sagte Vos. "Aber im Moment liegt der Fokus auf dem Rennen."

Dem hat sie in den vergangenen Tagen ihren Stempel aufgedrückt. Auch auf der 6. Etappe war das der Fall. Auf dem Papier hatte es nach einem Tag für Ausreißerinnen ausgesehen. Doch die 14-köpfige Spitzengruppe, in der sich mit Franziska Koch vom Team DSM und Kathrin Hammes (EF Education-Tibco-SVB) auch zwei deutsche Fahrerinnen befanden, wurde an der kurzen Leine gehalten. Was zumindest die Freiburgerin Hammes nicht weiter überraschte: "Ich habe schon damit gerechnet, dass das eine Etappe für Marianne ist. So lange im Gelben Trikot zu sein, das lässt man sich nicht nehmen."

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Nachdem Lorena Wiebes, die beste Sprinterin des Feldes, durch einen Sturz auf einer Abfahrt nicht mehr eingreifen konnte, hatte Vos den Schlussspurt souverän ins Ziel in Rosheim gebracht. Danach war sie weit hinter der Ziellinie ausgerollt, um ein klein wenig Ruhe zu erhaschen. Dem kurzen Moment der Stille folgte ein langer Schrei. "Wenn alles klappt, wenn das Puzzle zusammenpasst", sagte Vos, "ist das sehr, sehr befriedgend."

Am Wochenende folgt das große Finale

Es ist gut möglich, dass Vos schon bald etwas mehr Zeit bekommt, über die Tage in Gelb nachzudenken und dieser Befriedigung mehr Raum zu geben. Natürlich wird sie weiter im Rennen bleiben und auch in der Punktewertung für das Grüne Trikot der besten Sprinterin liegt sie deutlich in Führung. Es bleiben also Aufgaben zu erfüllen. Aber zumindest die Pflichten der Frau im Gelben Trikot wird sie vermutlich schon nach der 7. Etappe nicht mehr erfüllen müssen.

Die Tour de France Femmes steuert am Wochenende auf ihr großes Finale zu. Zum Abschluss geht es auf zwei Bergetappen durch die Vogesen, wo die erste Siegerin der neuen Frauen-Tour gefunden werden soll. Es werde ab Samstag ein anderes Rennen, sagte Vos in Rosheim. Jetzt seien die Kletterspezialistinnen und Fahrerinnen für das Gesamtklassement gefordert: "Natürlich werde ich versuchen, mich so gut es geht zu erholen, aber ab morgen werden wir andere Namen vorne sehen."