Ilan Van Wilder jubelt auf dem Podium

Deutschland Tour 2023 Überraschungssieger aus Belgien, Stimmung an der Strecke

Stand: 27.08.2023 22:33 Uhr

Die diesjährige Ausgabe der Deutschland Tour ist Geschichte. Die Veranstalter ziehen ein positives Fazit, die deutschen Fahrer gingen trotz zwischenzeitlicher Hoffnung leer aus.

Blickte man während der Schlussetappe auf das virtuelle Gesamtklassement, staunte man nicht schlecht. Über 145 Kilometer führte ein Deutscher die Tour an, den man so garantiert nicht auf dem Zettel hatte. Nicht Nils Politt oder Georg Zimmermann, sondern Vinzent Dorn war der Mann, der zumindest zwischenzeitlich alles durcheinanderwirbelte.

Kurz vor dem Ziel war der Spuk jedoch vorbei. Die Ausreißergruppe der fünf jungen deutschen Continental-Fahrer wurde vom Peloton geschluckt, die alte Ordnung wieder hergestellt. "Wir waren da vorne fünf kleine Davids gegen unzählige große Goliaths. Da war mir von Beginn an klar, dass wir nicht durchkommen werden. Der Traum vom Gesamtsieg war also sehr klein", sagte Dorn, der für das saarländische Team Bike Aid fährt, nach dem Rennen. Aber es sei ein toller Abschluss der Tour gewesen.

Überraschungssieger aus Belgien

Stattdessen sicherte sich Arvid de Kleijn aus den Niederlanden den Tagessieg, der Fahrer vom Tudor Pro Cycling Team setzte sich im Zielsprint gegen die Deutschen Phil Bauhaus (Bahrain-Victorious) sowie Marius Mayrhofer (Team dsm-firmenich) durch. Das Rote Trikot des Führenden behielt dagegen der Belgier Ilan Van Wilder – ein Gesamtsieger, den vor der Deutschland Tour wahrscheinlich kaum jemand auf der Rechnung hatte. Seit seinem Sieg auf der ersten Etappe, übrigens der erste Profi-Sieg in der Karriere des 23-Jährigen, gab Van Wilder die Führung nicht mehr ab.

"Es war eine schöne Rennwoche voller Emotionen. Man muss ein kompletter Fahrer sein, um hier gewinnen zu können", so Van Wilder. Seine Familie sei hier vor Ort gewesen. "Das war etwas ganz Besonderes, diese schönen Momente mit ihnen teilen zu können. Und perfektes Timing, dass sie ausgerechnet nach Deutschland gekommen sind", erzählt der Fahrer vom Soudal-Quick-Step-Team.

Lediglich elf Sekunden Vorsprung hatte Van Wilder am Ende vor dem Österreicher Felix Großschartner (UAE Team Emirates) und Danny van Poppel vom deutschen Team Bora-Hansgrohe. Deshalb lautete die Devise für die letzte Etappe einfach nur, auf dem Rad zu bleiben. "Elf Sekunden Vorsprung sind nicht viel, also war es schon noch ein bisschen stressig. Ich war so glücklich, als ich die Drei-Kilometer-Marke passiert hatte. Dann war ich sicher."

Wieder kein deutscher Sieg

Den bislang letzten deutschen Sieg bei der Deutschland Tour gab es vor zwei Jahren, als Nils Politt in Erlangen gewann und sich damit den Gesamtsieg sicherte. 2023 gingen die deutschen Fahrer wieder leer aus. Politt landet als bester Deutscher auf Rang neun, Georg Zimmermann holt den 17. Platz. Sprinter Phil Bauhaus schrammte darüber hinaus zweimal knapp am Etappensieg vorbei.

"Ich denke, eine Top Ten-Platzierung ist kein schlechtes Ergebnis, damit kann ich zufrieden sein", so Politt nach dem Rennen. Ihm sei klar gewesen, dass bei dem diesjährigen Streckenprofil jede Sekunde über den Sieg entscheiden würde. Und immerhin habe man es geschafft, van Poppel noch auf das Podium zu hieven.

Mit Etappensiegen, geschweige denn dem Gesamtklassement, hatten die jungen Fahrer der deutschen Continental Teams, den drittklassigen Teams im Profi-Radsport, nichts zu tun. Diese wollten die Deutschland Tour aber dafür nutzen, sich zu zeigen – insbesondere in den Fluchtgruppen. Und das taten sie.

Nicht nur auf der letzten, sondern auch auf der ersten Etappe von St. Wendel nach Merzig präsentierten sich gleich vier Nachwuchstalente, darunter mit 18 Jahren der jüngste Teilnehmer der Tour, Vincent John (Rad-Net Oßwald). Für Jörg Scherf hätte die Rundfahrt nicht besser laufen können. "Das haben wir nicht erwartet. Wir waren fast immer in den Ausreißergruppen dabei. Heute gleich mit zwei Fahrern, das war schon fett", so der Sportdirektor des Saris-Rouvy-Sauerland-Teams. Tatsächlich verbrachten seine Fahrer die meisten Kilometer aller Teams in den Fluchtgruppen.

Positives Fazit dank Tour-de-France-Feeling

Die Veranstalter der Deutschland Tour ziehen ein positives Fazit. Es hätte tolle Rennen gegeben und der Zuschauerzuspruch sei auch groß gewesen. "Was gestern in Essen an der Strecke los war, habe ich so noch nie erlebt in Deutschland, das war pures Tour-de-France-Feeling", so der sportliche Leiter Fabian Wegmann, der auch als Experte für die ARD tätig ist. "Ich hoffe, das haben auch andere Städte gesehen." Allerdings heißt es von den Veranstaltern, dass die Planung für 2024 schon größtenteils stehe. Zumindest die nahe Zukunft der Deutschland Tour ist also gesichert.

Sportschau Tourfunk, 27.08.2023 20:57 Uhr

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 27.08.2023 | 19:18 Uhr