Der neue Mann in rot: Alberto Bettiol
analyse

Deutschland Tour 2022 Bettiol übernimmt Rot - Fast alles neu macht die 2. Etappe

Stand: 27.08.2022 07:52 Uhr

Die 2. Etappe der Deutschland Tour endet in Marburg mit einem Massensprint. Alberto Bettiol übernimmt die Gesamtführung. Für die 3. Etappe bringt sich das Team Ineos Grenadiers in Stellung.

Von Katarina Schubert, Marburg

Die letzten 50 Kilometer hatten es in sich: Denn zum Abschluss der 2. Etappe von Meiningen nach Marburg warteten drei steile Anstiege, die den Fahrern alles abverlangten. Die Entscheidung fiel schließlich im Massensprint. Der Vorjahres-Dritte Alexander Kristoff (Intermarché -Wanty-Gobert Matériaux) setzte sich auf den letzten Metern gegen Florian Sénéchal (Quick-Step Alpha Vinyl) und Alberto Bettiol (EF Education-EasyPost) durch.

Die 2. Etappe in der Zusammenfassung

Sportschau, 26.08.2022 18:28 Uhr

Bester Deutscher war wieder einmal Max Kanter vom Team Movistar, der nach einem guten vierten Platz auf der 1. Etappe am Donnerstag (26.08.22) diesmal den fünften Platz belegte. Emanuel Buchmann (Bora-hansgrohe) und Simon Geschke (Nationalteam) kamen ebenfalls mit dem Hauptfeld ins Ziel, Nils Politt (Bora-hansgrohe) musste dagegen einen kräftigen Rückstand von knapp drei Minuten hinnehmen. Jakob Geßner (Team Lotto - Kern Haus) verteidigte das Bergtrikot.

Die reinen Sprinter haben es schwer

Die mit 200 Kilometern längste Etappe der Deutschland Tour wirbelt damit auch das Gesamtklassement durcheinander - vor allem zu Lasten von Filippo Ganna (Ineos Grenadiers). Der Italiener musste sich nicht nur vom Roten Trikot des derzeit Führenden verabschieden, auch das Grüne Trikot des besten Sprinters wurde er los. Letzteres ging an Tagessieger Kristoff, die Gesamtführung schnappte sich dagegen sein Landsmann Bettiol. Allerdings liegen Ganna, Kristoff und Bettiol zeitgleich auf den ersten drei Plätzen.

Das Streckenprofil der Deutschland Tour ist wahrlich kein Zuckerschlecken für die reinen Sprinter. Das mussten Fahrer wie Marco Haller, der in der vergangenen Woche noch die Cyclassics in Hamburg gewinnen konnte, oder Fabio Jakobsen sowie der Sieger des Vortags, Caleb Ewan, am eigenen Leib erfahren. Sie hatten nichts mit der Entscheidung zu tun. Das gleiche galt für die Ausreißergruppe, mittendrin der junge Deutsche Jan Hugger vom Continental-Team Lotto-Kern Haus, die knapp 38 Kilometer vor dem Ziel vom Hauptfeld gestellt wurde.

Kristoff ging an sein Limit

Doch auch Sieger Kristoff ging an sein Limit. "Ich bin ein paar Mal zurückgefallen, aber mein Team hat mich immer wieder zurück ins Rennen gebracht. Und 200 Meter vor dem Ziel hatte ich das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben", so Kristoff nach dem Rennen.

Den Sieg hätte sich auch Alberto Bettiol gerne geschnappt, die gute Tempoarbeit seines Teams EF Education-EasyPost wurde dafür mit dem Roten Trikot belohnt. "Wir wollten das Rennen zum Ende hin schnell machen, denn immerhin sind wir ja nicht hier, um die schöne Landschaft Deutschlands zu bewundern", sagte Bettiol. "Ich bin froh, vor der harten Etappe morgen ein paar Sekunden gut gemacht zu haben." Das Führungstrikot werde dem gesamten Team Selbstvertrauen geben, er selbst werde darum kämpfen, es über die Bergankunft am Schauinsland zu bringen.

Ineos Grenadiers mit großen Namen am Start

Das Rote Trikot zurückerobern, will mit Sicherheit auch Ineos Grenadiers, das nominell stärkste Team bei der Deutschland Tour. Lange Zeit bestimmte die Mannschaft das Radsport-Geschehen nach Belieben und entschied zwischen 2012 und 2019 sieben Mal die Tour de France für sich. So ist der letzte Tour-Sieger für Ineos, Egan Bernal, genauso bei der deutschen Rundfahrt am Start wie der aktuelle Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna und Adam Yates, dessen große Stunde als Berg-Spezialist auf der 4. Etappe schlagen könnte.

Der Brite Yates, derzeit mit wenigen Sekunden Rückstand Gesamt-Sechster, kann sich dabei auf die Hilfe von Kim Heiduk verlassen. Der Deutsche wechselte erst zu dieser Saison zu Ineos Grenadiers, davor fuhr der 22-Jährige für ein Continental-Team. Mit etablierten Radsportlern wie Bernal und Co. zu fahren, sei schon sehr speziell. "Am Anfang war ich schon sehr nervös, habe aber schnell gemerkt, dass es auch nur Menschen sind. Und inzwischen sind es einfach meine Teamkollegen."

Bernal opfert sich für das Team auf

Dass Radfahrer auch nur Menschen sind, musste vor allem Egan Bernal schmerzlich erfahren. Anfang des Jahres verletzte sich der Kolumbianer bei einem Trainingsunfall so schwer, dass anfangs sogar eine Querschnittslähmung befürchtet wurde. Bernal fiel lange aus, kämpfte sich zurück und fährt nun bei der Deutschland Tour sein zweites Rennen in dieser Saison.

Dabei stellt der Kolumbianer sich in den Dienst seines Teams. Bereits auf der 1. Etappe opferte er sich für die Nachführarbeit auf, das war am Freitag nicht anders. Der Preis: Bernal liegt in der Gesamtwertung auf dem drittletzten Platz, mit fast 20 Minuten Rückstand. Kim Heiduk hat aber dennoch nur Bewunderung für seinen Teamkollegen übrig: "Wir alle können uns gar nicht vorstellen, was er durchgemacht hat. Und ihn jetzt so zu sehen, ist einfach mega schön. Aber er ist noch nicht an seiner Leistungsgrenze angekommen."

Kim Heiduk selbst büßte auf der 2. Etappe seine Top Ten-Platzierung in der Gesamtwertung ein. Aber noch hat Ineos Grenadiers mit Yates und Ganna zwei Top-Fahrer ganz weit vorne. Das Ziel ist klar: "Die große Bergetappe wollen wir natürlich gewinnen", so Heiduk.