
Biathlon-Bundestrainer im Interview Filbrichs Optimismus - "Dieses Jahr ärgern wir die Norweger"
Überlegene norwegische Biathleten? Davon will der neue Co-Bundestrainer Jens Filbrich nichts wissen. Im Wintersport-Podcast der Sportschau gibt der ehemalige Weltklasse-Langläufer Einblick in seine ersten Monate im Amt und spricht unter anderem über Saisonziele und potenzielle Durchstarter aus dem DSV-Team.
Sportschau: Wir sind gerade hier beim Sommertraining, am 25. November geht die Saison in Östersund los. Bist du schon aufgeregt?
Jens Filbrich: Die Stimmung ist aktuell sehr gut. Wichtig ist, dass alle gesund und munter sind, wir hatten nur zwei kleinere Ausfälle, aber aktuell sind alle gut drauf. Wir haben sehr gut trainiert, alle Umfänge, die wir uns vorgenommen haben, geschafft.
Die Aufregung kommt dann noch Stück für Stück, wenn es auf den Winter zugeht. Im Moment ist das noch kein Problem, aber wenn dann der erste Schnee liegt und die ersten Duelle auf internationalem Niveau stattfinden, da wird die Anspannung dann steigen.
Sportschau: Was sind deine Ziele für die kommende Saison - persönlich wie auch mannschaftlich?
Filbrich: Ich versuche immer meine eigene, positive Herangehensweise an die Sportler zu vermitteln. Es ist wichtig, dass die Sportler merken, wie der Trainer tickt, dass der Trainer ehrgeizig ist und hoffnungsvoll in die nächste Saison blickt.
Ich als ehemaliger Langläufer hatte immer das Ziel, bei jedem Höhepunkt um die Medaillen mitzulaufen. Diese Herangehensweise versuche ich auch den Athleten mit auf den Weg zu geben. Einige von den Jungs haben schon Medaillen gewonnen und warum sollte das nicht auch wieder das Ziel sein?
Sportschau-Experte Arnd Peiffer: Was ist der größte Unterschied zwischen dem Training der Junioren, bei denen du ja viele Erfahrungen gesammelt hast, und den Senioren?
Filbrich: Das ist eine sehr gute Frage. Es war auch für mich von Anfang an wichtig, die Jungs da abzuholen, wo sie sind. Wenn ich jetzt einen Athleten habe, wie den Benedikt Doll, der schon viele Medaillen geholt hat, letztes Jahr im Weltcup Vierter war, dann muss ich den anders abholen als zum Beispiel den Simon Kaiser, der jetzt aus der B-Mannschaft in die A-Mannschaft gekommen ist und noch nicht ganz so viel erreicht hat wie der Benni.

Benedikt Doll, bester DSV-Biathlet der Vorsaison
Ich habe die Jungs gefragt, was sie von mir als Trainer erwarten, was den Part Laufen betrifft. Da kamen ganz klare Dinge, die sie benennen konnten, Benni wollte beispielsweise an der 1-1-Technik etwas verbessern, und da war ich froh drüber, weil wir dann direkt einen Schwerpunkt haben, den wir gemeinsam bearbeiten können.
Sportschau-Experte Arnd Peiffer: Wie sehr kennst du dich als ehemaliger Langläufer schon im Schießen aus?
Filbrich: Mein Part ist ganz klar das Laufen: Technik, Organisation, Planung. Ich habe mich in einige Themen des Schießens schon reingearbeitet, aber das ist nicht meine Hauptaufgabe. Ich sehe mich da draußen an der Strecke.

2014: Langläufer Jens Filbrich beim 15-Kilometer-Massenstart in Lenzerheide
Sportschau: Wie bewertest du das zum Teil negativ bewertete Abschneiden der DSV-Biathleten in der vergangenen Saison?
Filbrich: Ich persönlich sehe das Abschneiden in den letzten Jahren gar nicht so negativ. Es hat halt immer wieder das Quäntchen gefehlt, nur ein Schießen kann entscheidend sein. Da bin ich wieder beim positiven Denken: Es sind ein, zwei Sachen, die man verändern kann und wenn man dann Ergebnisse bringt, in einen Flow kommt, dann sind die anderen nicht so weit weg.
Klar hat man einen Johannes Thingnes Bö, der extrem weit weg war, das ist aber auch ein ganz besonderer Athlet. Aber ich glaube, dass wir nicht so weit weg sind von den Franzosen, Italienern oder anderen. Da sind wir auf Augenhöhe und können auch die Norweger ärgern. Ich würde nicht sagen, dass wir da keine Chance hätten. Die Norweger sind ins überlegen? Nee, sind sie nicht.
Sportschau: Wenn man so einen Johannes Thingnes Bö sieht, denkt man sich dann nicht: "Wie macht der das eigentlich"?
Filbrich: Wir analysieren ihn in der "Arbeitsgemeinschaft Laufen" mit Wissenschaftlern und Trainerkollegen ganz genau. Wir haben ihn schon letzten Jahr bei der WM in Oberhof analysiert, viele Videoaufnahmen gesehen, auch er selbst postet ja einige Dinge aus seinem Training, Videoaufnahmen vom Laufband zum Beispiel. Auch da sieht man schon, was die Jungs machen, wie sie technisch laufen, wie sie sich ein Rennen einteilen und da gucken wir ganz genau hin.
Sportschau: Schauen wir mal auf den DSV-Kader der kommenden Saison. Da haben wir zum Beispiel den von dir angesprochenen Simon Kaiser, Jahrgang 1999: Was traust du ihm zu?
Filbrich: Für Simon ist es wichtig, Fuß zu fassen in der Mannschaft. Er sagt selber, wie viel schneller und intensiver das Training in der A-Nationalmannschaft ist. Die Jungs geben viel mehr Gas. Das ist auch so: Die Jungs hier musst du nicht antreiben, das sind Vollprofis, die machen einfach. Da ist es für Simon wichtig, zu lernen und gerade im Schießen schneller zu werden.
Da hat man auch die erfahrenen Athleten und kann von ihnen profitieren. Genauso auch vom Trainerteam an den drei Heimatstützpunkten, sensationell gute Trainer haben wir da. Wenn man dann auf Lehrgängen zusammen kommt, haben die Jungs richtig Bock zu trainieren. Das Team-Klima ist wirklich sehr gut.
Sportschau: Also steht einem sportlichen Erfolg eigentlich gar nichts im Weg …
Filbrich: In der Vergangenheit war es auch ein sehr erfolgreiches Arbeiten. Da waren wir nicht weit weg von den anderen Nationen. Justus Strelow: beste Saison, war zum ersten Mal im Weltcup überhaupt über eine ganze Saison dabei. David Zobel auch.
Es gibt viele Athleten, die ihre Top-Leistung gebracht haben und jetzt versuchen wir, den nächsten Schritt zu organisieren. Über eine gute Atmosphäre, hoffe ich, dass wir auch bei den ersten Rennen schon gute Ergebnisse erzielen, dass Ruhe reinkommt, nicht direkt wieder der Druck da ist - und dann wird sich das schon entwickeln.
Sportschau: Blicken wir noch auf die A-Nationalmannschaft der Frauen. Denise Hermann-Wick ist weg, hat eine große Lücke hinterlassen. Wem würdest du zutrauen diese Lücke zu schließen?
Filbrich: Ich glaube, dass Hanna Kebinger dazu in der Lage ist, ich will sie jetzt aber nicht unter Druck setzen, die Hanna weiß das. Sie ist sehr talentiert, im Stehendschießen sehr stabil, im Laufen stabil und fokussiert.

Nachfolgerin von Denise Herrmann-Wick? Hanna Kebinger
Der Damen-Biathlon ist aber insgesamt sehr gut aufgestellt. Da wird auch eine sehr gute Arbeit gemacht, da muss uns wirklich nicht bange sein.