Andrea Rothfuss im Interview Para-Alpin-Star Andrea Rothfuss: "Der Konkurrenzkampf pusht uns"

Stand: 10.12.2021 17:00 Uhr

Bei den Paralympics in Pyeongchang gingen fünf Medaillen des deutschen Alpin-Teams auf Andrea Rothfuss. In diesem Winter bekommt sie es mit starker Konkurrenz zu tun.

Von Maria Köhler-Thiel

Sportschau: Andra Rothfuss, wie lief Ihre Vorbereitung auf den Winter?

Andrea Rothfuss: Soweit gut. Im Sommer hatte ich mir beim Training die Außenbänder im rechten Sprunggelenk gerissen. Wir mussten dann den Trainingsplan umstellen. Es ist aber alles gut verlaufen. Es macht wenig Probleme. Da bin ich ganz zufrieden. Ab Ende August konnte ich planmäßig auf die Skier. Es wäre nicht schön, wenn man ständig Schmerzen hätte. 

Andrea Rothfuss über die Saison-Vorbereitung und ihre Erwartungen

Sportschau: Die Corona-Schutzmaßnahmen verlangen den Sportlerinnen und Sportlern viel ab. Inwiefern zehrt das an den Kräften?

Rothfuss: Der großen Hammer kam ja in der vergangenen Saison mit den Risiko- und Hochrisiko-Gebieten. Dann gab es immer einen Leitfaden, unter welchen Maßnahmen Sport möglich ist. Als Kaderathlet konnten wir zum Glück ganz normal dem Training nachgehen und an Wettkämpfen teilnehmen. Wir hätten uns alle gewünscht, dass die Zahlen in diesem Winter nicht wieder hochgehen. Aber ich bin da entspannter. Man kennt die Regelungen. 

Sportschau: Mit Paralympics-Silber in ganzen vier Wettbewerben sind Sie eine Allrounderin im alpinen Sport. In welcher Disziplin fühlen Sie sich am wohlsten?

Rothfuss: Im Riesenslalom. Das ist nach wie vor so. Er hat eine gewisse Technikkomponente. Aber man braucht doch auch etwas Geschwindigkeit. Nicht so oft üben können wir den Super-G und die Abfahrt. Da ist das Problem, dass man eine entsprechende Piste mit einer gewissen Streckenlänge braucht. Man braucht mehr Platz, weil die Radien größer sind und ein gewisser Sturzraum benötigt wird.

Andrea Rothfuss über die Olympischen Spiele

Sportschau: Es gab kein Testevent in Peking. Konnten Sie wenigstens schon Videos oder Animationen der Pisten sehen?

Rothfuss: Was ich bis jetzt gesehen habe, sind nur die Strukturen vor Ort. Den Hang und die Kurssetzung habe ich noch nicht gesehen. Das wird dann die große Überraschung vor Ort sein. Aber das geht den anderen Athleten auch so. Es wird dann alles inspiziert. Wenn die Sprünge zu heftig sind, vor allem für die sehbehinderten und sitzenden Starter, wird es entsprechend entschärft. Mit dem Schnee lässt sich das Gelände immer noch etwas formen. 

Sportschau: Ausnahme-Athletin Marie Bochet mit acht Siegen bei den Paralympics sowie die Kanadierinnen Alana Ramsay und Mollie Jepsen waren Ihre ärgsten Konkurrentinnen und sind noch immer dabei.

Rothfuss: Ja, und es sind eher noch weitere aufgetaucht. Es sind viele junge Mädels dabei, und sie lieben den Sport offensichtlich genauso wie ich. Sie wollen sich da reinhängen. Die Kanadierin Frederique Turgeon und die Russin Warwara Worontschichina haben eine immense Entwicklung durchgemacht. Es ist schön zu sehen, dass es da vorangeht und Leute nachkommen, die Bock darauf haben und einen selbst fordern. Da muss ich auch an meine Grenzen gehen. 

Sportschau: Vor zwei Jahren erklärte Anna Schaffelhuber ihre Karriere für beendet. Sie hat siebenmal Paralympics-Gold gewonnen. Spüren Sie nach ihrem Abgang einen größeren Druck vor den nächsten Spielen?

Rothfuss: Das hat mich kaum beeinflusst. Anna-Maria Rieder war damals das Küken im Team. Auch sie hat sich gut entwickelt und wir batteln uns im Training. Der Konkurrenzkampf pusht uns und das tut uns gut. Da entwickelt man sich weiter. Ich muss im Training selbst noch einmal mehr an die Grenzen gehen. Ich habe gelernt, diese besser auszuloten und fokussiere mich noch mehr. Von der Technik her haben wir geschaut, welche Bewegungsabläufe mir entgegenkommen, damit ich mich wohl fühle und mich traue, mehr Gas zu geben.  

Sportschau: Welche Bewegungsabläufe meinen Sie genau?

Rothfuss: Es geht darum, wie ein Schwung von der Technik her zu fahren ist. Ich gucke, auf welchem Punkt ich den meisten Druck haben sollte. Es geht um ein schönes flüssiges Ganzes. Bei manchen wirkt alles ruhig und bei anderen Fahrern sieht es wild und unkoordiniert aus. Mit diesen Eigenheiten haben wir uns auseinandergesetzt. 

Andrea Rothfuss: "Ich denke, dass das meine letzten Spiele sind"

Sportschau: Sie sind nun 32. Bei den Spielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo wären Sie 36. Inwiefern sind die Paralympics in Peking vielleicht sogar Ihre letzten?

Rothfuss: Ich denke, dass das die letzten Spiele sind. Ich muss sagen, so wirklich final habe ich mich damit nicht auseinandergesetzt. Das will ich vorher auch gar nicht. Wir haben ja vorher auch noch die WM. Ich werde schauen, wie es mir geht.

Ich werde fühlen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Irgendwann will ich nicht mehr morgens um halb sechs aufstehen und mich in der Kälte da herunter quälen oder schwere Gewichte stemmen. Momentan liebe ich das noch. Noch brauche ich darüber nicht nachdenken.

Sportschau: Wintersport ist manchmal nicht gerade klimafreundlich. Für die Beschneiung von einem Hektar Piste mit 30 Zentimetern Schnee sind dem Deutschen Skiverband zufolge 20.000 Kilowattstunden Strom nötig. Inwiefern tun Sie etwas, um der Natur etwas zurückzugeben?

Rothfuss: Ich mache mir da Gedanken. Wenn ich zu Hause einkaufe, ist das viel Obst und Gemüse und weniger Fleisch. Ich kaufe regionale Lebensmittel, um die ganzen Transportwege so gering wie möglich zu halten. Es gibt genug Landwirte, die in der Nähe produzieren. Ich bin sehr viel unterwegs und da gehört es für mich auch dazu, die Natur zu Hause zu unterstützen und die Heimat in mir aufzusaugen.