Der Japan-Reiseblog von Julia Linn Neue Freunde: Wie Leidensgenossen in der Quarantäne zusammenfinden

Stand: 05.07.2021 06:00 Uhr

Olympia-Quarantäne bedeutet Isolation. Eigentlich nicht unbedingt eine Situation, in der man neue Menschen kennenlernt. Aber auf Umwegen finden Leidensgenossen dann doch zueinander.

Von Julia Linn (Tokio)

So eine Quarantäne kann echt einsam sein. Ich bin froh, dass ich mit vier Kollegen für die Olympischen Spiele in Tokio eingereist bin. Jetzt sind wir eine kleine Bubble, dürfen zusammen 15 Minuten raus – ein Tageshighlight.

Aber es gibt da noch ein anderes Highlight: Unsere Sport-Gruppe per Videokonferenz. Und die ist sogar in der strengen ersten Quarantäne-Unterkunft gewachsen. Was folgt, ist meine bisher liebste Olympia-Geschichte.

Leidensgenosse Nr. 1: Fotojournalist Patrick aus der Schweiz

Patrick ist mein erster neuer Freund, den ich hier finde – wobei: Eigentlich hat Patrick mich gefunden. Bei Instagram poste ich auf dem ARD Studio Tokio-Kanal ein Bild meiner tristen Aussicht. Wenige Minuten später schreibt mir Patrick: "Hallo vom neunten Stock! Deinem Bild nach bist du im achten Stock, stimmt’s?" Ich kann es kaum fassen, wie verrückt ist das denn?

Er erzählt mir, dass er noch eine Woche hier drinnen bleiben muss – "und ich finde es die Hölle". Patrick ist Fotojournalist aus der Schweiz. Sein Partner lebt zurzeit in Tokio, aber erst nach der Quarantäne können sie sich sehen. Ich frage mich, wie sich das wohl anfühlen muss. Vorher Tausende Kilometer getrennt und jetzt so nah, aber gefühlt auf einem eigenen Quarantäne-Planeten.

Leidensgenosse Nr. 2: Bild-Ingenieur Walter aus Belgien

Auch Walter lerne ich über Instagram kennen. Ich suche über die Ortsmarkierung nach weiteren Leidensgenossen, die mir für einen Beitrag von ihrer Situation erzählen. Walter hat bei einem Foto unser Hotel markiert. Ich schreibe ihn an, er schickt mir seine Nummer, wir telefonieren. Walter ist Bild-Ingenieur aus Antwerpen, es ist sein fünfter Tag in Olympia-Quarantäne.

"Die Tage gehen langsam vorbei", sagt er. Ich frage ihn, ob es Lichtblicke gibt: Er telefoniere täglich mit seiner Familie. Seine Kinder hatten Prüfungen – die Ergebnisse waren toll. "Dass man dann nicht zu Hause ist, tut weh. Das sind Momente, an denen ich gerne dabei bin."

Gemeinsames Schwitzen gegen den Wahnsinn

Ich lade Patrick und Walter ein, mit meinen Kollegen und mir per Video Sport zu machen – jeden Morgen um 10 Uhr sind sie dabei. Meine Kollegin Katharina ist unser "Drill Instructor". Jeden Vorabend verschickt sie eine Einladung – Betreff: "Schwitzen gegen den Wahnsinn".

In der Mail für heute mit einem Zusatz: "Patrick-Gedächtnis-Edition". Patrick hat die zwei Wochen Quarantäne geschafft. Er schreibt zum Sport-Abschied: "Vielen Dank, dass Ihr mich in die Villa Wahnsinn aufgenommen habt." Falls Du das hier liest, Patrick: Wir sehen uns hoffentlich bald im echten Leben! Und Walter, bis morgen beim Schwitzen!

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.