IOC-Präsident Thomas Bach vor dem Bewerbungslogo von Milano-Cortina 2026

Keine Bobbahn für Winterspiele 2026 Ein italienisches Drama für das IOC

Stand: 08.12.2023 17:13 Uhr

Bei der Hängepartie um den Eiskanal für die Olympischen Winterspiele 2026 ist weiter keine Lösung in Sicht. Die Organisatoren von Milano-Cortina treiben weiter eine Bahn in Italien voran, das IOC drängt auf ein Verlegen der Bob- und Schlittenwettbewerbe ins Ausland.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) gab am Freitag (08.12.2023) nicht nur grünes Licht für die Zulassung von Athleten aus Russland und Belarus bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Beim Summit in Lausanne, das der Entscheidung vorausging, befasste sich das IOC in dieser Woche auch mit den Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo.

Das IOC richtete sich in seiner Abschlusserklärung direkt an die Organisatoren in Italien: Man erwarte eine baldige Entscheidung über die weiter offene Frage, wo 2026 die olympischen Bob- und Schlittenwettbewerbe stattfinden sollen. Der ursprünglich geplante Neubau der alten Olympia-Bahn in Cortina d’Ampezzo war Mitte Oktober von Italiens Regierung begraben worden. Das IOC gab Italiens Organisatoren im Summit-Protokoll nun einen sehr konkreten Auftrag auf den Weg. Für die Spiele 2026 käme demnach nur eine Bahn außerhalb Italiens in Frage, die bereits existiert und auch in Betrieb ist.

Diese Auflagen noch einmal explizit zu formulieren, war dem IOC offenbar ein Anliegen. Denn zuletzt waren aus Italien, von Regierungsvertretern und Funktionären, wieder andere Töne zu hören. Die Bob- und Schlittenwettbewerbe sollten mit aller Macht im Land gehalten werden. Wohl auch, um die Blamage abzuwenden, als erste Ausrichternation von Olympischen Winterspielen einzelne Wettbewerbe ins Ausland verlegen zu müssen.

Italien träumt weiter von eigener Bobbahn bei Olympia 2026

Vize-Regierungschef Antonio Tajani und Sportminister Andrea Abodi machten sich deshalb dafür stark, die Olympia-Bahn von 2006 in Cesana zu renovieren. Man habe gute Karten, dass die Bahn von 2006 "reaktiviert" werde, hieß es auch von Italiens Rodel-Legende Armin Zöggeler, der als Vizepräsident Technik auch beim Rodel-Weltverband in verantwortlicher Position sitzt.

Für 40 bis 50 Millionen Euro, so die Schätzungen, könne die Bahn bei Turin, die 2011 auch wegen teurer Unterhaltskosten stillgelegt wurde, wieder flottgemacht werden. Dafür wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, für die Zeit nach den Spielen sollte der Betrieb der Bahn durch staatliche Garantiezusagen abgesichert werden.

Umweltaktivist Casanova zur Cesana-Bobbahn: "Ein sinnloses Unterfangen"

Sportschau

Eine Entscheidung über die Renovierung von Cesana war eigentlich für den 6. Dezember angekündigt, bei einem Treffen zwischen den Olympia-Organisatoren und Vertretern der italienischen Regierung, wurde dann aber wieder verschoben. Stattdessen überraschte Matteo Salvini, in der römischen Regierung zuständiger Minister für Infrastruktur, mit dem Vorstoß, die abgerissene Bobbahn in Cortina d’Ampezzo doch neu zu bauen, wie es auch ursprünglich in der Olympia-Bewerbung vorgesehen war.

Dabei gab es in der Dolomiten-Gemeinde von Beginn an massiven Widerstand gegen einen neuen Eiskanal, aus der lokalen Politik, von Bürgerverbänden und Umweltinitiativen. Hinzu kommt, dass das Prestigeprojekt nun noch teurer werden dürfte als ohnehin befürchtet: Bei der Ausschreibung im Sommer und anschließenden direkten Verhandlungen mit der Bauwirtschaft war man am Ende bei einem Auftragsvolumen in Höhe von 120 Millionen Euro angelangt, dennoch winkten auch die größten italienischen Baukonzerne ab.

Für weitere 40 bis 60 Millionen Euro wären die Firmen wohl bereit, eine neue Bahn in Cortina zu bauen - so zitierte "La Repubblica" den Regierungschef von Venetien, auf dessen Hoheitsgebiet auch Cortina d'Ampezzo liegt. Öffentliche Gelder wohlgemerkt, denn auch das IOC hatte immer wieder betont, dass die Bobbahn ein rein italienisches Projekt sei und nicht Teil des offiziellen Budgets für die Spiele.

Umweltaktivist Casanova:"Olympia-Bauten werden sich niemals rechnen"

Sportschau

IOC schaut Drama um Bobbahn zu - bis jetzt

Die Hängepartie um den Eiskanal für die Spiele 2026 ist längst zu einem italienischen Polit-Drama geworden, dem das IOC lange zugeschaut hat. Auf politische Entscheidungen der Ausrichterländer, so betont die Ringe-Organisation immer wieder, habe sie keinen Einfluss. Doch dass das Bobbahn-Thema, und damit eine mögliche weitere olympische Bausünde, immer noch nicht vom Tisch ist, hat das IOC in Alarmbereitschaft versetzt.

Ein Mega-Bauprojekt in den Alpen widerspricht der eigenen Agenda, die mehr Nachhaltigkeit versprochen hat. Und keine teuren Neubauten von Wettkampfanlagen - vor allem nicht solche, die nur monothematisch für einzelne Sportarten ausgelegt sind. Eine Lösung, so hieß es zuletzt vom IOC, soll spätestens im Januar fallen. Anderenfalls, so mutmaßen italienische Medien, könnte das IOC womöglich am Ende ein Machtwort sprechen und die Entscheidung selbst treffen.

Mögliche Olympia-Bahnen für 2026 - Königssee, Innsbruck - oder Lake Placid?

Die vom IOC eingeforderte Suche nach einer Bahn im Ausland scheint nicht die höchste Priorität zu haben. Bislang gab es aus Italien nur einen grundsätzlichen, sehr oberflächlichen Fragebogen, wie es vom deutschen Bob- und Schlittenverband (BSD) hieß. Konkrete und neuralgische Punkte, etwa die Übernahme von Kosten für Unterkünfte oder zusätzliche olympische Baumaßnahmen, blieben bislang völlig außen vor.

Anfragen gingen zudem in die Schweiz (Sankt Moritz), nach Österreich (Innsbruck-Igls), Frankreich (La Plagne) und nach italienischen Medienberichten auch an das US-amerikanische Olympia-Komitee: Der Eiskanal in Lake Placid wäre, im Gegensatz zu den renovierungsbedürftigen Bahnen in Königssee und Igls, auch sofort einsatztauglich. Die Bob- und Schlittenteams würden in diesem Fall dann 2026 für ihre Wettbewerbe mal eben über den großen Teich jetten.

Kritik von Nolte und Eitberger: "Armutszeugnis"

Dabei ist der Unmut bei den Athleten bereits jetzt groß. Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte hatte sich enttäuscht darüber geäußert, dass sie mit den Schlittendisziplinen bei den Winterspielen 2026 wahrscheinlich in ein anderes Land verfrachtet werden wird. Auch Rodel-Olympiasiegerin Dajana Eitberger sprach in der Südddeutschen Zeitung von "Schande und Armutszeugnis" . Auf das IOC wird noch einiges an Überzeugungsarbeit zukommen.