Der FC Bayern hat Mitarbeiter im Nachwuchsleistungszentrum über Jahre hinweg zu gering entlohnt.

Verstöße gegen Mindestlohn Nachzahlung für den FC Bayern - Ermittlungen gegen weitere Klubs

Stand: 15.06.2023 13:19 Uhr

Die Berichterstattung des WDR-Hintergrundmagazins Sport inside zu Mindestlohn-Vergehen in Nachwuchsleistungszentren von Fußball-Bundesligisten, hat jetzt Folgen für den FC Bayern München. Andere Vereine sind noch im Visier der Ermittler.

Der FC Bayern München muss wegen jahrelang nicht gezahlter Sozialleistungen 200.000 Euro plus 45.500 Euro Säumniszuschläge nachzahlen. Sport inside hatte bereits im Frühjahr 2021 recherchiert, dass es bei vielen Bundesligisten übliche Praxis ist, Nachwuchstrainer als Minijobber auf 450-Euro-Basis zu beschäftigen, obwohl sie deutlich mehr arbeiten.

30 statt zehn Stunden Arbeit

Im Fall des FC Bayern mit seinem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) Campus hatten mehrere Trainer berichtet, sie hätten statt zehn Stunden bis zu 30 Stunden pro Woche arbeiten und sogar falsche Angaben auf den Stundenzetteln machen müssen. Dies sahen die Ermittler des Hauptzollamts München nach der Befragung zahlreicher Trainer nun als erwiesen an, für den Zeitraum von November 2016 bis November 2021.

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Bei mehrtägigen Turnierreisen und auch Punktspielen durften die Trainer nur die "Nettospielzeit" aufschreiben, auch die wahren Trainings- und Vorbereitungszeiten mussten in den Stundenzetteln auf Anweisung frisiert werden. Wer sich beschwert habe, hätte zur Auskunft bekommen: "Es gibt Tausende da draußen, die würden es für 200 Euro machen."

Einer der betroffenen ehemaligen Bayern-Trainer sagte nun: "Es ist nur gerecht, dass der Verein bestraft wurde. Auch, dass dadurch nochmal darauf aufmerksam gemacht wird, was in vielen NLZ so abläuft. Die Höhe der Strafe aber halte ich für einen Witz. Dafür wurde zu lange zu viele Menschen ausgebeutet - und das mit vollem Wissen der Verantwortlichen."

Strafverfahren gegen Vorstand des FC Bayern eingestellt

In der Tat scheint der FC Bayern glimpflich davon gekommen zu sein, hatte doch die Staatsanwaltschaft München sogar ein "Strafverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens, der Veruntreuung von Arbeitsentgelt" gegen den kompletten Vorstand der FC Bayern München AG eingeleitet. Dies hatte Sport inside im Dezember 2021 berichtet. Das Verfahren sei inzwischen gegen alle Beschuldigten "mangels Tatnachweis" eingestellt worden, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mit. Die Strafe des Zolls erfolgte nun aufgrund einer Ordnungswidrigkeit.

Victor Perli, Bundestagabgeordneter der Linken, kritisierte die Einstellung des Verfahrens: Für ihn seien die Vergehen "kein Kavalierdelikt, sondern Wirtschaftskriminalität". Beim FC Bayern handle es sich um einen Profiklub mit einem Jahresumsatz von bis zu 700 Millionen Euro. Da sei es "zum Schämen, dass ein solcher Verein, der seinen Spielern und seinen Funktionären Millionengehälter bezahlt, den Leuten, die den ganzen Laden am Laufen halten, nicht mal Mindestlohn bezahlt".

FC Bayern: "Keine geringfügig Beschäftigten mehr"

Der FC Bayern erklärte, seit Juli 2021 gäbe es im Mannschaftsbereich bei den Jugendteams keine geringfügigen Beschäftigten mehr, alle Verträge seien überprüft und entsprechend korrigiert worden. "Es lag nie in der Absicht der FC Bayern München AG, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern berechtigten Lohn vorzuenthalten", hieß es in einer Mitteilung des Klubs.

Im Rahmen eines Arbeitsgerichtsverfahrens im Oktober 2022 mit einem ehemaligen Campus-Trainer hatte der Rekordmeister angegeben, es würden keine Minijobber als Trainer mehr beschäftigt, denn es handle sich um Leistungssport im Nachwuchsbereich. Der Aufwand dafür läge bei mindestens 15 bis 20 Wochenstunden. Und deshalb sei dieser anspruchsvolle und vielfältige Trainerjob am Campus nicht in dem durch eine geringfügige Beschäftigung vorgegebenen Rahmen zu erfüllen.

Nun erledigen die Jobs Teilzeitkräfte oder Festangestellte. "Dass sie gegen das Gesetz verstoßen, haben die Verantwortlichen beim FC Bayern schon immer gewusst. Man hat uns ja beim Ausfüllen der Stundenzettel gesagt: Ihr macht das genauso, wie es das Mindestlohngesetzt erlaubt", sagte ein ehemaliger Trainer.

Ermittlungen gegen weitere Klubs

Bereits vor dem FC Bayern hatte die "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" des Zolls am 3. August 2021 umfangreiche Unterlagen beim FC Augsburg beschlagnahmt. Das Ermittlungsverfahren gegen den FCA läuft noch. Ein Augsburger Jugendcoach hatte Sport inside gesagt, er habe im ersten Jahr unter 200 Euro verdient. Die Jahre darauf 250 Euro als Co-Trainer, und das bei einer Wochenarbeitszeit von mindestens 25 Stunden. "Mir wurde dann der Cheftrainerposten angeboten mit 400 Euro im Monat, und dann habe ich gesagt: Das funktioniert nicht. Ich kann nicht für 400 Euro einen Fulltime-Job machen."

Ähnliche Interviews führte Sport inside auch mit Trainern von anderen Bundesliga-Vereinen. Das deutet ebenso auf ein strukturelles Problem im Milliardenbusiness Profifußball hin, wie mehrfache Anfragen des Linken-Politikers Victor Perli an die Bundesregierung ergaben. Diese hatten  zuletzt im Januar 2023 ergeben, dass inzwischen gegen fünf Erst- und Zweitligisten wegen Mindestlohnvergehen ermittelt wird. Für Victor Perli schlichtweg ein Skandal: "Wenn es sogar bei Bundesliga-Vereinen Mindestlohnbetrug gibt, zeigt das das Ausmaß des Problems. Es braucht dringend mehr Personal beim Zoll und mehr Kontrollen."

* In einer vorherigen Version des Textes hieß es, der FC Bayern müsse Bußgeld zahlen. Es handelt sich stattdessen um eine Nachzahlung. Wir haben dies korrigiert.