Motorsport | Formel 1 "Mein Job ist nicht gut für die Welt" - Sebastian Vettel im Interview

Stand: 28.04.2022 16:55 Uhr

Sebastian Vettel ist viermaliger Weltmeister in der Formel 1. Jener Motorsport-Disziplin also, die Unmengen an Ressourcen verbraucht und daher durchaus umstritten ist. Vettel ist mittlerweile Botschafter für Nachhaltigkeit und Umweltschutz - passt das zusammen?

In der Formel 1 hat sich Sebastian Vettel längst einen Namen gemacht. Der 34-jährige Pilot aus Heppenheim kennt mittlerweile aber auch den Zwiespalt, Rennfahrer zu sein und sich gleichzeitig für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einzusetzen, wie er im Sportschau-Interview erklärt.

Sportschau: Sebastian Vettel, Sie haben sich sehr früh ganz deutlich zum Ukraine-Krieg geäußert und Ihre Teilnahme am Rennen in Russland frühzeitig abgesagt. Fehlen Ihnen generell mehr Stimmen aus dem Sport dazu?

Sebastian Vettel: Ich glaube, das Thema geht uns alle etwas an, und es gibt niemand, der dabei nichts empfindet. Solidarität ist ganz wichtig. Und heißt nicht nur, dass man sich einfügt, sondern dass man auch bereit ist, etwas zu tun.

Jeder hat verschiedene Möglichkeiten. Es gibt eben einfach Themen, von denen können und sollten wir uns nicht abkapseln. Uns muss klar werden, was auf dem Spiel steht.

Sportschau: Ist die Gesellschaft insgesamt bereit, sich in vielerlei Hinsicht zu verändern?

Vettel: Ich glaube, wir haben gar nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Mit jedem Tag, mit jedem Monat, mit jedem Jahr, das vergeht, wird das immer extremer. Aber andererseits gibt es so viel Hoffnung, so viele Lösungen, die schon parat sind, den Wandel zu schaffen. Es ist ja der Weg zu etwas Besserem.

Es ist nicht so, dass wir sagen, wir gehen zurück, alles wird langsamer, jeder muss auf alles verzichten. Aber es ist auch die Wahrheit, dass es ohne Verzicht zu einem gewissen Teil nicht gehen wird.

Sportschau: Kritische Stimmen sagen: Der rast durch die Welt und erzählt uns von Nachhaltigkeit. Können Sie das verstehen?

Vettel: Die Menschen haben vom Grund her erst mal recht, das stimmt. Mein Job ist nicht nachhaltig. Mein Job ist nicht gut für die Welt. Und Leute wie ich, die sich vieles vielleicht ermöglichen können, aber auch sehr viele Leute erreichen können, tragen eine besondere Verantwortung, dass wir etwas tun müssen. Manchmal verzweifelt man ein bisschen, weil man sich fragt: reicht das?

Die Herausforderung besteht darin, zu sagen, welche Möglichkeiten gibt es, das anders zu gestalten, so dass es keinen Schaden anrichtet. Im Idealfall sollte es neutral sein oder sogar noch etwas Gutes mit sich bringen.

Sportschau: Die Formel 1 erlebt trotz aller Diskussionen einen Boom: mehr Rennen, neue Strecken, ein neues Reglement. Wie stehen Sie dazu?

Vettel: Wenn das Ziel ist, Geld zu verdienen, dann macht die Formel 1 das richtig. Aber die Zukunftsfähigkeit ist meiner Meinung nach dann in Frage gestellt. Der Sport an sich ist noch der gleiche. Natürlich sehen die Autos jetzt ein bisschen anders aus und man versucht, das Sportliche ein bisschen besser zu machen und weiterzuentwickeln.

Ich glaube, die Verantwortung, gerade zur jetzigen Zeit, ist so groß wie noch nie. Irgendwann wird der Punkt kommen, wo der Druck von außen so groß wird, dass man sich fragt: Was macht das für einen Sinn? Gerade weil bei uns aktiv Benzin, Öl verbrannt wird, um unseren Sport auszuüben.

Ansätze sind da. Aber um wirklich was zu bewegen, muss man halt sagen okay, der Kurs, an dem wir festhalten, ist falsch oder führt zu nichts, da braucht es eine Änderung. In der Art und Weise, wie sich die Formel 1 finanziert, was mit den Geldern passiert. Letzten Endes sind es Großinvestoren.

Und Investoren, die dahinter stehen, haben Wünsche nach mehr. Bei all diesen Themen, um zukunftsfähig zu sein, müssen wir uns oder müssen sich alle Beteiligten fragen: Gibt es ein "genug"? Und sich auf dieses "genug" einigen und nicht auf immer mehr. Vielleicht manches über Bord werfen. Vor allem diese Gier und dieses Streben nach immer mehr.

Sportschau: Wie sieht ihre eigene Zukunft in der Formel 1 aus?

Vettel: Die Wahrheit ist, dass die nächsten Rennen, die nächsten Wochen und Monate den Ausschlag geben werden, wie es weitergeht. Beim jüngsten Rennen in Imola hat es geregnet und uns irgendwo mit vorne hinein gespült und wir konnten davon profitieren.

Das wird nicht jedes Wochenende der Fall sein und ich glaube, unser "Normal" liegt eher am Ende des Feldes. Das ist hart, weil das ist nicht mein mein Ansatz und nicht mein Ziel.

Es muss natürlich erkennbar sein, dass es in die richtige Richtung geht. Es sollte spürbar sein, dass das Auto sich verbessert und dass ich auch sehe, dass das Team vorankommt. Die Formel 1 ist das, was ich die vergangenen Jahre und mein ganzes Leben lang in gewisser Weise gemacht habe. Aber es gibt auch andere Dinge.

Das Interview führte Andreas Troll.