Der deutsche Geher Christopher Linke

Deutsche Geher WM-Hoffnungsträger Linke und Hilbert üben Kritik

Stand: 16.07.2022 01:41 Uhr

Gleich in der ersten Nacht der Leichtathletik-WM in Eugene geht es für die Geher um Medaillen. Über 20 km ruhen die deutschen Hoffnungen auf Christopher Linke. Der Olympia-Zweite Jonathan Hilbert ist nicht dabei. Beide klagen über fehlende Unterstützung.

"Gehen wird weiter stiefmütterlich behandelt, obwohl wir dem DLV die Olympia-Bilanz etwas versüßt haben", sagte Hilbert. Der 27 Jahre alte Thüringer hatte bei den Tokio-Spielen im Vorjahr Silber über 50 Kilometer geholt - eine von nur drei Medaillen für den Deutschen Leichtathletik-Verband und die erste olympische Geher-Medaille seit 29 Jahren. Den Start bei den am Freitag (15.07.2022) beginnenden Weltmeisterschaften in Oregon musste er wegen einer Corona-Infektion kurzfristig absagen.

Linke: "Es hat nichts gebracht"

Geher-Kollege Linke schließt sich der Kritik an der Abseitsstellung der Disziplin an. "In Deutschland merken wir gar nichts, es hat nichts gebracht", klagte auch er. So müsse man weiter um Unterstützung und Geld für Trainingslager betteln, ergänzte Hilbert: "Es ist eine sehr schwierige Situation, die ich mir anders vorgestellt habe." Zwar würden den Gehern nicht "mehr Steine in den Weg gelegt, aber trotz der Erfolge auch keine weggenommen".

Das eine ist, was realisiert wird, das andere, was wahrgenommen wird.
Idriss Gonschinska

Der DLV-Vorstandsvorsitzende Idriss Gonschinska will die Kritik an ungenügender Unterstützung nicht gelten lassen. "Wir finanzieren die Bundestrainer. Die Trainingscamps und Höhentrainingslager sind sehr aufwendig", erklärte er. "Das eine ist, was realisiert wird, das andere, was wahrgenommen wird." Aber unstrittig sei, dass die Geher außerhalb der großen Meisterschaften "teilweise nicht vergleichbar wahrgenommen werden". In Deutschland sind ihre nationalen Titelkämpfe seit 2012 ausgegliedert worden.

Bei den großen internationalen Meisterschaften ist die Aufmerksamkeit da. Besonders wenn mit Linke gleich am ersten Wettkampftag eine Medaillen-Hoffnung ins Rennen geht. Der 33 Jahre alte Potsdamer war über 20 Kilometer bei der WM 2019 in Doha Vierter und bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio Fünfter. "Ich habe den Traum noch nicht ausgeträumt, eine Medaille zu gewinnen", sagte Linke vor seinem Start in der Nacht zu Samstag (0.10 Uhr MESZ, live im Ersten und auf sportschau.de). Linke könnte Geschichte schreiben: Noch nie holte ein deutscher Geher über diese Distanz bei einer WM Gold, Silber oder Bronze.

"Es ist wunderbar, dass wir solche Eisen im Feuer haben", meinte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). "Wir wissen ja auch um die Wirkung, wenn jemand sehr früh überraschend eine Medaille macht. Da kann der Funke auf das Team überspringen."

Bei der WM in Eugene werden Linke und Co. wieder im Rampenlicht stehen. Wie es danach für die Geher bei den Großereignissen weitergeht, ist offen. In Eugene wird es neben den 20 Kilometern erstmals für Männer und Frauen Wettbewerbe über 35 statt der 50 Kilometer geben. Bisher ist vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht entschieden worden, ob es bei den Einzelrennen über 35 Kilometer bleibt oder ob es nur noch eine Mixed-Staffel geben wird.

Das ist existenzbedrohend. Ich weiß nicht, wie lange ich die Sportart noch machen kann.
Jonathan Hilbert

"Meine Disziplin, die 50 Kilometer, gibt es nicht mehr, und die 35 wird sukzessive abgeschafft", sagte Hilbert. Linke ist darüber empört, will sich aber erstmal auf die WM-Premiere am 24. Juli über 35 Kilometer (live auf sportschau.de) konzentrieren, bei der er auch vorne mitgehen will. "Mir fallen die 35 Kilometer leichter als die 50", sagte der Doppel-Starter.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr