Die deutsche Weitspringerin Malaika Mihambo
analyse

Busemanns WM-Orakel Sprung: Das wird eine ganz knappe Kiste für Mihambo

Stand: 14.07.2022 17:52 Uhr

Zwischen Gold und Platz sechs kann für Olympiasiegerin Malaika Mihambo bei der WM in Eugene alles rauskommen. Im Hochsprung gönnt die halbe Welt der Ukrainerin Jaroslawa Mahutschich Gold. Die Sprung-Vorschau von ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann.

Weitsprung

Bei den Frauen gibt es im Weitsprung seit Jahren nur eine Siegerin: Malaika Mihambo. Obwohl sie offenbar ein Abo auf Gold hat, ist jeder Sieg von neuem hart erkämpft und wohlverdient. Mit einem Satz über die sieben Meter zum Saisoneinstieg hat sie einmal mehr Goldambitionen angemeldet, aber auch in diesem Jahr wird es wieder eine ganz knappe Kiste, bei der am Ende zwischen Gold und Platz sechs alles rauskommen kann. Ich befürchte, dass es in Eugene nicht reichen könnte. Aber, okay, glücklicherweise springt da Malaika und kein Frank.

Ein Zehnkämpfer als Bester in der Grube

Ein Zehnkämpfer führt die Weltjahresbestenliste im Weitsprung der Männer an. Oder ist er ein Weitspringer, der als Hobby Zehnkampf hat? Simon Ehammer, der Schweizer Rekordhalter in allerlei Disziplinen, konzentriert sich in Eugene auf den Weitsprung. Schlauer Bub. Was bringt ihm eine Top-Ten-Platzierung, wenn man auch den Titel haben kann?

Okay, der Zehnkampf ist der Zehnkampf, eine Disziplin für Könige und ihre Prinzen, aber eine Medaille ist eine Medaille. Und die könnte er. Er liefert nach Belieben weite Sprünge ab und kann auch eine Woche nach einem Zehnkampf 8,13 Meter springen. Das ist cringe. Hollodadihi!

Wer 8,30 m springt, kommt weit nach vorn

Doch der Olympiasieger Miltiadis Tentoglou wird sich des Angriffs des jungen Schweizers mit weiten Kontern zu entziehen wissen. Mit ein wenig Glück besteht in diesem Jahr sogar für die zweite Reihe die Chance auf Edelmetall. Wer im Finale 8,30 Meter springt, kommt weit nach vorn.

Ein Blick in die Meldelisten zeigt immer imposante Sprünge der Protagonisten, die aber allesamt nix wert sind. Oftmals werden die auf irgendwelchen Rumpelwiesen gesprungen und bei zehn Wettkämpfen mit 60 Sprüngen rutscht mal einer raus. Aufschlussreicher ist, zu schauen, wie weit springen die Jungs bei den großen Meetings. Da zählt es. Und in Eugene haben sie nur ein paar Versuche. Auf einer Anlage, die für alle gleich ist. Aber wir lassen uns gern überraschen und das Adrenalin des großen Wettkampfes kann auch das fehlende Gefälle ausgleichen.

Hochsprung

Das waren schöne Bilder in Tokio. Gianmarco Tamberi und Mutaz Essa Barshim - zwei Olympiasieger in einer Disziplin. Das wird es in Eugene aller Voraussicht nach nicht geben. Wenn man auf die Weltbestenliste schaut, könnte das allerdings Schule machen.

Da schlagen allein zwölf Athleten mit 2,30 Meter zu Buche. Drei Zentimeter hinter dem besten. Also kommt es darauf an, möglichst im ersten Versuch alles zu nehmen. Der Europameister Mateusz Przybylko und Tobias Potye gehören glücklicherweise auch zu diesem erlauchten Kreis derer, die sich dicht gedrängt für das Finale qualifizieren wollen. Der Weltmeister muss Weltjahresbestleistung springen und für die deutschen Jungs geht es in der Qualifikation um alles.

Halbe Welt gönnt Ukrainerin Mahutschich Gold

Bei den Frauen liegt die Goldmedaille fest in ukrainischer Hand und die halbe Welt gönnt es den Athletinnen um Jaroslawa Mahutschich. Die russische Seriensiegerin Mariya Lasitskene ist aus bekannten Gründen nicht am Start. In Stockholm zeigte die Ukrainerin allerdings das erste Mal Nerven und schied mit 1,89 Meter aus. Das wird ihr aber in Eugene kein zweites Mal passieren. Marie-Laurence Jungfleisch hat ihre Qualifikationshöhe glücklicherweise schon im vergangenen Jahr gesprungen. 2022 will es nicht so recht klappen. Bei ihr kann nur das Ziel sein, Saisonbestleistung zu springen.

Stabhochsprung

Mondo Duplantis oder Mondo Duplantis? Die Schar der Favoriten verengt sich mit zunehmendem Alter des Weltrekordlers auf eben diesen Typen. Das macht es aus. Die Sportart der Typen. Die fliegen mit Leichtigkeit durch die Luft und gehen fair miteinander um. Schön anzusehen, in allen Belangen.

18-jährig hatten sie den Schweden manchmal noch im Griff, aber mittlerweile hat er zu jeder Zeit und überall ein Niveau, das seinesgleichen sucht. Einzig das Ansägen seines Stabes, das heimliche Verlegen seiner Anlaufmarkierung oder das Einschließen auf der Toilette könnte ihn auf dem Weg zum Titel marginal einschränken.

Springt Duplantis Weltrekord oder Weltrekord?

Macht aber keiner. Sind alles feine Kerle. Und so gewinnt der Beste. Mal wieder. Hier wird die Frage sein: Springt er Weltrekord oder springt er Weltrekord? Und wie viele Athleten sind bei 6,00 Meter noch dabei?

Der deutsche Meister Bo Kanda Lita Baehre brillierte bei seinem Sieg in Berlin mit 5,90 Meter. Zu rechten Zeit am rechten Ort mit der richtigen Höhe - das bringt Selbstvertrauen und ein gutes Gefühl. Allerdings kennt er sich schon mit Kontakt nach ganz oben aus.

In Doha vor drei Jahren wurde er Vierter. Wiederholt er seine Leistung von den Deutschen könnte das wieder klappen, zumal die Amis lediglich Christopher Nilsen als ernsthaften Medaillenanwärter mitbringen. Für Oleg Zernikel wird es darum gehen, befreit aufzuspringen und den Wettkampf zu genießen. Eine Platzierung unter den Top zwölf könnte klappen. Torben Blech durfte sich über ein Nachrücker-Ticket für Eugene freuen.

Morris und ihr Laden für Silberwaren

Bei den Frauen muss es Sandi Morris richten. Endlich einmal. Man könnte meinen, sie hätte einen Laden für Silberwaren, so oft, wie sie Medaille dieser Farbe nach Hause gebracht hat. Dreimal war jemand besser als sie. Bis jetzt.

Als Weltbeste muss sie mit amerikanischem Selbstvertrauen an die Sache rangehen und die goldene mitnehmen. Mehr als 4,80 Meter sind dabei vonnöten und das kann sie. Landsfrau und Olympiasiegerin Katie Nageotte hat nach ihrem Sieg von Tokio massive Probleme in der Achillessehne und hofft, in Eugene wieder etwas in die Gänge zu kommen, was allerdings schwer wird.

Dreisprung

Der Dreisprung der Männer wird ohne Titelverteidiger Christian Taylor im Finale abgehalten. Auch ein eher ungewohntes Bild, doch bei ihm ist es ein Wunder, dass er nach dem erlittenen Achillessehnenriss überhaupt wieder dabei sein kann.

Ansonsten liegt das Hauptaugenmerk wieder auf Olympiasieger Pedro Pichardo und Hallenweltrekordler Hugues Fabrice Zango. Aus deutscher Sicht hoffen wir natürlich auf weite Sprünge von Max Heß, der nach gesundheitlichen Problemen zu alter Form finden möchte. Bei Heß wäre das Erreichen des Finals ein großer Erfolg.

Rojas oder nichts

Die Frage bei den Frauen wird lediglich sein: Weltrekord oder nicht? Yulimar Rojas bestimmt die Szene nach Belieben. Erst kommt sie, dann lange nichts, dann noch ein wenig Luft und dann die anderen. Zermürbend und demotivierend.

Aber der Anspruch der versammelten Weltelite nach Rojas ist nicht Platz eins oder Weltrekord. Hier zählt: second is the first winner. Zwei Wettbewerbe in einem. Zuletzt trumpfte Europas Beste Neele Eckhardt-Noack stark auf. Kann sie im richtigen Moment ihr Können in die Grube bringen? Dann könnte es in die Top acht gehen.

Und was macht die Novizin Jessie Maduka? Dabei sein, muss hier die Devise lauten. Mit den besten der Zunft um die Wette springen und internationale Erfahrung sammeln. Mit dem Spirit vom Hayward Field Bestleistung springen - mehr geht nicht.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 15.07.2022 | 20:20 Uhr