Alfred Gislason (rechts) mit Fabian Köster

DHB-Team Abwehr, Erfahrung, Einspielen - Gislasons Baustellen vor der EM

Stand: 04.01.2024 13:58 Uhr

Stimmung, Vorfreude und viel Unterstützung: Die deutschen Handballer gehen mit einem guten Gefühl in die bevorstehende EM. Dennoch hat Bundestrainer Alfred Gislason vor dem Turnier einige Baustellen zu beackern.

Zwischen den Jahren hatten sich die deutschen Handballer noch einmal Zeit für sich genommen. Bei einem Team-Meeting in Frankfurt am Main stand nicht so sehr das Sportliche, sondern viel mehr der mannschaftliche Gedanke im Vordergrund.

Anschließend war Bundestrainer Alfred Gislason angetan von der Atmosphäre untereinander. "Diese Tage waren sehr wertvoll für uns. Es war eine wichtige und gute Maßnahme und schön zu sehen, wie die Spieler auch bei ganz anderen Themen miteinander agieren", sagte der Isländer.

Hohe Erwartungen, große Ziele

Das Einschwören war also gelungen und nicht unerheblich, denn es wird einiges auf die DHB-Auswahl zukommen in den kommenden Tagen und Wochen. Beim Turnier im eigenen Land ist die Erwartungshaltung hoch, eine Top-Platzierung soll es sein. Der Verband selbst hatte die Zeit ab 2022 als Jahrzehnt des Handballs auserkoren und braucht Erfolge.

Bislang hat nur die U21-Nationalmannschaft mit dem Gewinn des WM-Titels im vergangenen Jahr geliefert. Der letzte ganz große Erfolg der Männer-Nationalmannschaft liegt schon wieder acht Jahre zurück - 2016 wurde man Europameister.

Nun soll mit der großen Unterstützung der vielen Fans in Deutschland bei der bevorstehenden EM eine Medaille her. Doch die Konkurrenz ist gewaltig und das deutsche Team mit vielen neuen jungen Spielern so etwas wie eine Wundertüte mit etlichen Fragezeichen. Vor dem ersten Spiel der Nationalmannschaft tun sich für Bundestrainer Gislason vor allem vier Baustellen auf.

Hinter Golla/Köster wird es dünn

Baustelle Abwehr: Der Innenblock mit Johannes Golla und Julian Köster hat bereits bei vergangenen großen Turnieren seine internationale Klasse bewiesen. Doch dahinter wird es personell dünn. Marian Michalczik war vorgesehen, verletzte sich aber beim Lehrgang Ende Dezember. Zu gerne hätte Gislason den erfahrenen Kieler Hendrik Pekeler, Europameister von 2016, dabei gehabt. Doch der erteilte dem DHB für das Turnier eine Absage und erklärte nun endgültig seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.

So muss Gislason auf B-Lösungen zurückgreifen, wenn er dem Gespann Golla/Köster die notwendigen Spielpausen verordnet. Als erstes kommen Sebastian Heymann und Youngster Justus Fischer infrage. Auch Kreisläufer Jannik Kohlbacher sei eine Option, sagte der Isländer. Ihre EM-Reife für den Innenblock müssen diese drei aber erst noch beweisen.

Die Handball-EM in Deutschland - Live in der ARD

Sportschau, 20.12.2023 18:51 Uhr

Hält Wolffs Rücken?

Baustelle Torwart: Schreckmomente im August des vergangenen Jahres, als Andreas Wolff einen Bandscheibenvorfall erlitt. Würde er rechtzeitig fit werden für die EM? Deutschlands Torwart Nummer eins hatte Anfang November gegen Ägypten ein kurzes Comeback gegeben - mit Erfolg. "Dass es bei ihm wieder gut aussieht, ist sehr erfreulich. Darüber bin ich extrem froh und erleichtert", sagte Gislason. "Andi war einer unserer wichtigsten Männer bei der WM und ist für uns kaum zu ersetzen. Er ist ein sehr erfahrener Torwart, der trotz seines Temperaments viel Ruhe ausstrahlt."

 Andreas Wolff

Andreas Wolff

Doch hält der Rücken auch den Belastungen eines ganzen Turniers stand? Wenn nicht, muss ein ganz junger Mann in die Bresche springen. David Späth, U21-Weltmeister und bei den Rhein-Neckar Löwen unter Vertrag. Gislason ist optimistisch: "Das Duo funktioniert sehr gut. David ergänzt sich super mit Andi", sagte der Bundestrainer und hält große Stücke auf den Senkrechtstarter "Er war schon vor seinem Debüt dreimal bei einem Lehrgang dabei und hat immer eine überragende Figur abgegeben. Der Junge ist ein Riesentalent und jemand, der für Stimmung sorgen kann."

"Andere Teams sind besser eingespielt"

Baustelle Einspielen: Zwei Testspiele gegen Ägypten Anfang November mit Sieg und Remis, jetzt der Doppelpack mit den Tests gegen Portugal - mehr Möglichkeiten hatte die deutsche Mannschaft nicht, um sich einzuspielen und Automatismen zu entwickeln, um sich die wichtigen Abläufe in Angriff und Abwehr einzuprägen. Zwar spielt die Achse mit Wolff, Knorr, Golla sowie den Außen Patrick Groetzki und Timo Kastening, dazu im Rückraum Kai Häfner und Philipp Weber schon länger zusammen. Doch immer wieder müssen neue Spielzüge einstudiert werden, und es kommen neue Spieler hinzu.

Ein Manko, das auch Ex-Nationaltrainer Dagur Sigurdsson anspricht: "Als Nachteil sehe ich, dass sie als Mannschaft aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle nicht so oft zusammengespielt haben. Die Erfahrung als Mannschaft fehlt. Andere Teams sind besser eingespielt", sagte der Europameistercoach in einem Interview mit der "Magdeburger Volksstimme".

Baustelle Turniererfahrung: Vier U21-Nationalspieler und einen Newcomer mit Martin Hanne hat Gislason in seinen Kader eingebaut und nimmt so den Erfolgsschwung mit, den sich das Quartett Justus Fischer, Nils Lichtlein, David Späth und Renars Uscins im Frühsommer mit dem Gewinn des WM-Titels holte. Erfahrung auf internationalem Parkett haben die fünf Jung-Profis keine.

Hanne macht gegen die Portugiesen seine ersten Länderspiele überhaupt, die anderen vier kommen zusammen auf zehn Länderspiele. Keiner von ihnen hat ein Großturnier im Seniorenbereich gespielt. Die Unbefangenheit kann sich auch als Trumpf erweisen, eine Garantie ist es allerdings nicht.