Achtelfinale gegen England in London Deutschland geht auf die Knie - ein erstes Symbol

Stand: 29.06.2021 13:00 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft schließt sich dem Gegner England an und wird vor dem Anstoß des Achtelfinalspiels als Zeichen gegen Rassismus auf die Knie gehen. Es ist ein überfälliges Symbol - und es kann nur die erste Stufe sein.

Die Engländer sind schon von einigen ihrer eigenen Fans dafür ausgepfiffen worden, die Belgier wurden in St. Petersburg massiv von russischen Zuschauern ausgebuht, deren Mannschaft stehen geblieben war.

Stehen zu bleiben, ist ein Zeichen von Ablehnung. Da kann der beste und teuerste Krisenkommunikator verpflichtet werden, dieser Eindruck muss entstehen und ist nicht zu entkräften.

"Wir ziehen da sofort mit"

Insofern blieb der deutschen Nationalmannschaft keine andere Wahl. Sie wird in Wembley vor dem Achtelfinale auf die Knie gehen. "Es war für uns keine Frage. Wir ziehen da sofort mit", sagte Manuel Neuer am Abend vor dem Spiel, und es gibt keinen Grund, dem Kapitän Opportunismus vorzuwerfen.

Die Frage muss aber erlaubt sein, warum nicht schon früher? Zwei Tage vor dem Spiel gegen Ungarn wurde Leon Goretzka gefragt, ob die Mannschaft auch angesichts der Pfiffe in London und St. Petersburg aufs Knie gehen werde, ob in der Mannschaft darüber gesprochen worden sei, welchen Grund es für den Fall der Ablehnung gebe.

Goretzka, der zu Recht für seine klaren Worte und Positionierungen gelobt wird, wich den Fragen aus. Er wies darauf hin, dass Neuer erneut eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben tragen werde und er hoffe, dass die Arena in diesen Farben erstrahlen werde. Goretzka sagte auch: "Es heißt nicht, dass wir etwas nicht teilen, worauf aufmerksam gemacht werden soll, wenn wir an der Aktion nicht teilnehmen."

Wichtig, für Menschlichkeit einzustehen

Nein, der Umkehrschluss ist nicht erlaubt. Andererseits wäre es gerade gegen die von einem Ministerpräsidenten Viktor Orban regierten Ungarn ein kräftiges Zeichen gewesen.

Vor allem ist es ein selbstverständliches Zeichen. Gegen Rassismus zu sein, ist nichts, womit sich irgendjemand brüsten kann. Es gibt keine andere Option.

Das macht die politische Dimension der so politischen EURO 2020 schwierig zu beurteilen. Ja, es ist wichtig, mit Symbolen auf Missstände hinzuweisen, gegen rechtsnationale Tendenzen zu protestieren, gegen Ausgrenzung, gegen Diskriminierung. Anders: Es ist wichtig, für Menschlichkeit einzustehen, für Werte, die nicht verhandelbar sind.

Aber, es muss auch und vor allem so sein, wie der Bundestrainer Joachim Löw es sagte: "Es ist wichtig, wie man danach lebt, nicht nur immer davon spricht."

Sich über die UEFA zu empören, weil sie - wie dem DFB aus vertraulichen Informationen auch schon vorher klar gewesen sein muss - die Beleuchtung der Arena in Regenbogenfarben verbietet, ist einfach, zuweilen nervig. Vor allem: Es bringt niemanden weiter.

Symbole sind immer nur die erste Stufe. Gleichwohl sind sie wichtig. Es ist erst ein gutes Jahr her, dass darüber diskutiert wurde, ob T-Shirts mit der Aufschrift "Justice for George Floyd", den im Mai 2020 von einem Polizisten getöteten US-Bürger, als politische Botschaften verstanden werden und daher verboten werden müssen. Insofern ist der Fußball einen Schritt weitergekommen. Botschaften wie "Black Lives Matter" werden wie selbstverständlich akzeptiert, sogar von der Masse begrüßt.

Nur Hilfsmittel

Diejenigen, die sie ablehnen, müssen überzeugt werden. Dies zu schaffen, ist eine so schwierige gesellschaftliche Aufgabe, dass Symbole nur ein Hilfsmittel sein können. Beifall dafür zu klatschen, ist viel zu wenig, genau wie Empörung über diejenigen, die Symbolik verbieten, genau wie zu glauben, dass junge Sportlerinnen und Sportler die Probleme lösen, während ihnen aus dem Sessel zugeschaut wird.

Nochmal Joachim Löw: "Es ist wichtig, wie man danach lebt, nicht nur immer davon spricht."