Zeichen gegen Rassismus Kniefall sorgt für Zündstoff in England

Stand: 09.06.2021 15:35 Uhr

Die Fan-Proteste gegen den Kniefall trüben die Stimmung im englischen Nationalteam und rufen sogar den Premierminister auf den Plan. Während dieser jedoch Rückendeckung verweigert, findet Sportschau-Experte Prince Boateng klare Worte.

Es könnte alles so schön sein in England. Das Coronavirus ist auf dem Rückmarsch, das Wetter zeigt sich pünktlich zum Start der EURO 2020 von seiner sommerlichen Seite und am Sonntag (13.06.2021, 15 Uhr) wird erstmals seit 25 Jahren wieder ein Europameisterschafts-Spiel im Wembley-Stadion angepfiffen. Das englische Nationalteam trifft vor 22.500 Zuschauern auf Kroatien und könnte in der Neuauflage des WM-Halbfinales von 2018 seinen Status als Geheimfavorit untermauern und eine ähnliche Euphorie bei den Fans auslösen wie bei der Heim-EM 1996. Klingt gut? Ist es auf den zweiten Blick allerdings nicht.

Fans pfeifen beim Kniefall

Seit Tagen schwelt rund um das Team von Nationalcoach Gareth Southgate nämlich ein Streit um den Kniefall der Nationalspieler. In Anlehnung an die Proteste des ehemaligen Football-Profis Colin Kaepernick und als Fortführung der Black-Lives-Matter-Bewegung setzen und setzten die englischen Profis so kurz vor Anpfiff ein Zeichen gegen Rassismus. In der Premier League gehört diese Geste längst zum Alltag, auch in der Champions League knien die Spieler vor vielen Partien kurz ab. Eine kleine Bewegung mit großer Bedeutung und offenbar noch größerem Konfliktpotenzial.

Vor den beiden Testspielen Englands gegen Österreich und Rumänien machten einige englische Fans ihrem Unmut über den kollektiven Kniefall Luft und sorgten mit ihren Buhrufen für jede Menge Kopfschütteln und ein mittelgroßes Beben im Mutterland des Fußballs. Während sich Trainer Southgate und einige Spieler zu Rechtfertigungen gezwungen sahen und die Aktion verteidigten, blieb Premierminister Boris Johnson mit seinen Aussagen sehr vage. Jeder habe das Recht, friedlich zu protestieren, ließ er mitteilen. Ob er damit die Fans oder die Nationalspieler verteidigte, blieb offen. Der Premierminister konzentriere sich aber lieber auf Taten als auf Gesten, so ein Sprecher.

Boateng unterstützt die englischen Spieler

Was also tun? Klar ist: Eine Abkehr vom Kniefall und ein Einknicken gegenüber den Fans wird es nicht geben, wie Englands Stürmer Marcus Rashford noch einmal unterstrich: "Wir glauben, dass es das Richtige ist, das zu tun", betonte der Profi von Manchester United, der sich auch außerhalb des Platzes gegen Rassismus und Hass einsetzt. "Und deshalb machen wir das auch weiter". Ähnlich klang das aus dem Mund von Liverpools Kapitän Jordan Henderson "Wir stehen gemeinsam gegen Rassismus. Und damit ist alles gesagt." Ende der Diskussion. Aber wohl kein Ende des Konflikts.

"Es wird immer Leute geben, die das nicht gut finden", befürchtet auch Sportschau-Experte Prince Boateng, der seit Jahren gegen Rassismus und Ausgrenzung kämpft, weitere Pfiffe von der Tribüne. Gerade deshalb, so Boateng, sei der Kniefall der Engländer aber so wichtig. "Fußballer sind nicht nur Fußballer, sondern auch Idole. Die können eine Welle auslösen und Dinge in die Wege leiten." Je größer die Bühne, desto lauter die Botschaft. Je mehr Gegner, desto notwendiger die Botschaft.

Southgate will mehr als "nur" gewinnen

Und so geht es für England zum Auftakt der Europameisterschaft gegen Kroatien nicht nur auf dem Platz um einen guten Start ins Turnier. Auch die Geschehnisse auf den zu einem Viertel besetzten Rängen wird in die Bewertung des Spiels miteingehen. "Natürlich werden meine Spieler daran gemessen, ob wir Spiele gewinnen", unterstrich Trainer Southgate deshalb in einem offenen Brief an die Fans. "Das Ergebnis ist in Wirklichkeit aber nur ein kleiner Teil. Wenn England spielt, geht es um viel mehr." Zumindest seine Spieler haben das bereits verinnerlicht.