Deutschland gegen England Deutsche Abwehr solide, Angriff wirkungslos - die Einzelkritik

Stand: 29.06.2021 20:13 Uhr

Ein abgeklärter Auftritt ist nur gut, wenn man irgendwann selbst in Führung geht. Das schaffte das deutsche Team gegen England nicht, weil die Offensive wirkungslos blieb. Das DFB-Team in der Einzelkritik.

Manuel Neuer (Tor): Wer immer in den ersten Tagen der EURO an Manuel Neuer herumgemäkelt hat, muss nach der Leistung des Keepers gegen England die Stimme senken. Neuer antizipierte jede Situation richtig, war sicher mit dem Ball am Fuß und strahlte in jeder Sekunde des Matches sein enormes Selbstvertrauen aus. So etwas wirkt enorm positiv auf die übrigen Abwehrleute. Seine Parade nach 16 Minuten gegen Sterlings 18-Meter-Geschoss war sehenswert. Bei den Gegentoren machtlos.

Abwehr

Matthias Ginter (bis 87. Min.): Schwierige Aufgabe für den Gladbacher gegen den enorm spritzigen Raheem Sterling. Immer dann stark, wenn er Körperkontakt zu dem City-Stürmer herstellen konnte. Ein Stellungsfehler gegen Luke Shaw bescherte ihm allerdings nach 25 Minuten die Gelbe Karte. Unglücklich beim Gegentor zum 0:1, als er den entscheidenden Querpass durch die Beine gespielt bekam.

Mats Hummels: Kopf der deutschen Abwehr. Hochkonzentrierter Auftritt, der zu einigen Defensiv-Highlights führte. Rettete in der 45. Minute spektakulär vor der deutschen Torlinie gegen Harry Kane. Hatte den englischen Mittelstürmer, mit dem er häufig in Eins-gegen-eins-Duelle ging, klar im Griff. Beim Tor zum 0:1 lief die entscheidende Szene an ihm vorbei.

Antonio Rüdiger: Immer "on fire", manchmal über das Ziel hinausschießend. Was seine Nebenleute Ginter und Hummels mit viel Bedacht und Auge erledigten, machte Rüdiger mit stürmischer Vehemenz. Er gewann gegen die Engländer auf diese Art einige wichtige Zweikämpfe (meist gegen Bukayo Saka), ließ sich aber auch gelegentlich zu früh aus seiner Position locken. Dann hatte Saka auf seiner rechten Seite plötzlich freie Bahn. Beim 0:1 in der Entstehung unaufmerksam gegen Sterling.

Mittelfeld

Joshua Kimmich: Erstaunlich dezenter Auftritt des Münchners im ersten Abschnitt. Beschränkte sich völlig auf das Halten seiner Position rechts hinten. Defensiv stabil, aber offensiv gar kein Faktor. Noch nie zuvor war er wahrscheinlich mit seiner Rolle auf der rechten Seite unzufriedener.

Leon Goretzka: Neu in der Startelf für Gündogan rechtfertigte der Bayern-Mittelfeldmotor sehr schnell seine Aufstellung. Im Zweikampf griffig, nutzte er jede Möglichkeit für raumgreifende Schritte mit Ball nach vorn. Wunderbare Bewegung aus dem Mittelfeld in die Spitze nach acht Minuten, als er von Rice nur noch per Notbremse gestoppt werden konnte. Im zweiten Abschnitt abbauend.

Toni Kroos: Ruhepol im deutschen Mittelfeld, einige interessante Zweikampf-Gewinne gegen den aggressiven Kalvin Phillips. Gelegentlich war ihm die englische Zweikampfhärte aber auch zu viel, dann sah er bei zwei bis drei Ballverlusten nicht gut aus. Konnte dem Offensivspiel allerdings keinerlei Impulse verleihen. Und das ist dann eben wenig für einen zentralen Mittelfeldspieler.

Robin Gosens (bis 88. Minute): Ähnlich wie Kimmich: Womöglich hatten die deutschen Außenspieler den taktischen Auftrag bekommen, ihre Seiten auf jeden Fall zu halten und keine risikoreichen Ausflüge nach vorne zu unternehmen. In Gosens Fall bedeutet das leider auch, dass man ihn seiner größten Stärke beraubte. Entsprechend unauffälliger Auftritt.

Angriff

Kai Havertz: Enormes Laufpensum des Chelsea-Angreifers gegen seine Kollegen aus der Premier League. Sicherlich aktivster deutscher Offensivspieler, wenngleich sein offensichtlicher Respekt vor dem englischen Abwehrhünen Harry Maguire seine Leistung ein wenig schmälerte. In der 32. Minute mit einem Sensationspass auf Werner, der die deutsche Führung hätte bedeuten können. Kurz nach dem Seitenwechsel mit einem sehenswerten Volleyschuss aus 17 Metern, den Pickford aber stark parierte.

Timo Werner (bis 68. Minute): Schwächster deutscher Start-Spieler. Wirkte von der ersten Minute an gehemmt, konnte diese Verkrampfung auch nie ablegen. Als er nach 32 Minuten nach tollem Pass von Havertz allein vor Pickford auftauchte, schoss er diesen an.

Thomas Müller (bis 90. Minute): Hatte enorm viel mit der Organisation der deutschen Mannschaft zu tun, man sah ihn immer wieder winkend, zeigend und rufend. Unter dieser Regiearbeit litt ein wenig sein eigenes Spiel. Fand wenige Lücken in der dichtgestaffelten englischen Abwehr, hatte wenig Bindung zu den eigenen Mittelfeld-Leuten. Schlimm seine vertane Chance in der 81. Minute, als er beim Spielstand von 0:1 allein vor Pickford am Tor vorbeischoss.

Einwechslungen

Serge Gnabry (ab der 68. Minute): Enttäuschender Auftritt des Bayern-Angreifers - ein weiterer bei dieser für ihn unter dem Strich sehr schwachen EURO. Enorm viele Ballverluste und unglückliche Aktionen. Wohin ist sein Selbstvertrauen?

Leroy Sané (ab der 87. Minute): In der Kürze der Zeit wirkungslos.

Emre Can (ab der 88. Minute): In der Kürze der Zeit wirkungslos.

Jamal Musiala (ab der 90. Minute): In der Kürze der Zeit wirkungslos.