Serhou Yadaly Guirassy von Guinea in Aktion

Vor dem Viertelfinale Afrika-Cup - das große Staunen in der Elfenbeinküste

Stand: 01.02.2024 16:56 Uhr

Eine Überraschung jagt die nächste - vor dem Viertelfinale des Afrika-Cups sind so viele Favoriten gestrauchelt wie noch nie. Für Erstaunen sorgt in der Elfenbeinküste aber nicht nur das sportliche Geschehen.

Als am Mittwoch (31.01.2024) spätnachmittags der Teambus Marokkos vor dem Flughafen von Abidjan vorfuhr, schlichen da gut zwei Dutzend junge Männer mit sichtlich schlechter Laune aus dem Gefährt. Am letzten Spieltag des Achtelfinales hatte es am Abend zuvor auch das derzeit in der FIFA-Weltrangliste am besten platzierte Team Afrikas erwischt. Im Viertelfinale, das am Freitag (02.02.2024) startet, sind mit Nigeria, der Elfenbeinküste und Mali überhaupt nur noch drei Teams, die man dort erwartet hatte. Die anderen fünf - Angola, DR Kongo, Kap Verde, Guinea und Südafrika - sind totale Außenseiter.

0:2 gegen Südafrika - das Aus für den WM-Vierten Marokko kam völlig überraschend. Noch in der Vorrunde hatte das Team aus dem nordafrikanischen Königreich mit routiniertem und effektivem Fußball überzeugt. Das Aus hat Marokko auf dem falschen Fuß erwischt, keiner der Spieler vermochte nach der Pleite einen Kommentar abzugeben.

Favoritenteams reihenweise gescheitert

Dabei hätten sie doch gewarnt sein müssen, die "Löwen vom Atlas", wie das Team genannt wird. Gleich reihenweise hatte zuvor ein Favoritenteam nach dem anderen die Segel streichen müssen. Ghana, Tunesien und Algerien schon in der Vorrunde, Ägypten, Kamerun und Titelverteidiger Senegal im Achtelfinale. Sicher ist: Der 34. Afrika-Cup wird als einer mit den größten sportlichen Überraschungen in die Historie eingehen.

Experten hatten aber schon vor dem Turnier gewarnt: Klima und Platzverhältnisse würden eher Außenseitern in die Karten spielen. Tatsächlich spielt die Hitze - die Temperaturen fallen selbst spätabends kaum unter 30 Grad - eine große Rolle. "Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben nach einem Fußballspiel so erschöpft", klagte Senegals Außenverteidiger Ismail Jakobs schon nach dem ersten Gruppenspiel des Titelverteidigers gegen Gambia (3:0).

"Direktspiel ist nicht möglich"

Der trockene, stumpfe Rasen in den Stadien tut sein Übriges. "Es passieren Annahmefehler, schnelles Direktspiel ist auf dem holprigen Geläuf nicht möglich", berichtete der Ex-Kölner Jakobs. Bei solchen Bedingungen fällt das Verteidigen leichter – ein Vorteil für die Underdogs. Das Auftreten von Teams wie Kap Verde, Mauretanien, Angola oder Äquatorialguinea war aber dennoch erstaunlich. Weil gerade diese "Exoten" in der vergangenen Zeit einen enormen Leistungssprung geschafft haben.

Überraschungen sind das Salz in der Suppe des Fußballs - so ist es kaum überraschend, dass das Turnier in der fußballverrückten Elfenbeinküste mit totaler Begeisterung angenommen wird. Die Stadien sind gut gefüllt, viele Partien - nicht nur die des Gastgebers - fanden vor proppenvollen Rängen statt. Was ebenfalls Einfluss auf das sportliche Geschehen nahm. "Gerade die nordafrikanischen Teams lassen sich von der euphorischen Stimmung auf den Rängen beindrucken, wenn sie südlich der Sahara Auswärtsauftritte haben", sagt Emeka Enyadike.

Der Analyst aus Südafrika gilt als absoluter Experte in der afrikanischen Fußballszene und hatte schon vor dem Turnier gemutmaßt: "Für mich wird der Sieger aus den Regionen südlich der Sahara stammen."

Nigeria in Favoritenrolle geschlüpft

Nigeria wird hier jetzt am häufigsten genannt. Die "Super Eagles" haben sich von Spiel zu Spiel gesteigert, ihr Sieg im Achtelfinale gegen Kamerun (2:0) war souverän herausgespielt. Aber Vorsicht: Viertelfinalgegner Angola, gegen den es am Freitag (02.02.2024) geht, hat keine Stars, spielt aber kompakt und schnellen Konterfußball. Den wird auch die Elfenbeinküste erwarten müssen, wenn es für den Gastgeber am Samstag gegen Mali geht.

Ausverkaufte Stadien, begeisterte Fans, ausufernde Partys in den Public-Viewing-Zonen. Der Afrika-Cup hat in der Vergangenheit unter diesen Bedingungen leider auch immer wieder zu enorm gefährlichen Momenten geführt. Noch beim vergangenen Cup in Kamerun war es vor dem Achtelfinalspiel des Gastgebers zu Tumulten vor den Stadiontoren gekommen, bei denen über ein Dutzend Menschen ihr Leben verloren.

Fan-Begeisterung schwappt über

Auch in der Elfenbeinküste ist die Intensität der Begeisterung gefährlich. Als die zuvor so enttäuschend aufgetretenen Gastgeber im Achtelfinale plötzlich wie ausgewechselt auftraten und Favorit Senegal nach Elfmeterschießen aus dem Turnier katapultierten, explodierte auf den Straßen die Begeisterung. In jubelnde Menschenmengen rasende Autos oder Motorräder waren zu sehen – zahlreiche Verletzte mussten in der Nacht in Krankenhäuser eingeliefert werden.

Dort landeten auch ein halbes Dutzend Journalisten. Nach einem Vorrundenspiel in Yamoussokrou war ein Bus, der die Medienleute zu nächtlicher Stunde zurück nach Abidjan brachte, wegen überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abgekommen und in eine Baustelle gerast. Die Sache ging einigermaßen glimpflich ab, diverse Knochenbrüche blieben die schwerwiegendsten Verletzungen. Hängen bleibt aber die Gewissheit: Der Afrika-Cup ist faszinierend. Eigentlich immer. Aber er ist auch stets nicht ungefährlich.