Ein Kind tritt vor einen Fußball

Reform des Kinderfußballs Revolution mit Minitoren in vollem Gange

Stand: 09.09.2022 15:29 Uhr

Schon jetzt beschäftigt die große Reform des Kinder-Spielbetriebs viele Fußballvereine. Es geht um Kosten, Details - und die Rolle der Trainer.

Die lang vorbereitete Reform des Kinder-Spielbetriebs beschäftigt deutschlandweit viele Fußballvereine. Zwar sind die so genannten neuen Spielformen erst ab der Saison 2024/2025 Pflicht, aber schon jetzt verzichten viele Landesverbände und Kreise auf die klassischen Vereinsduelle im Sieben gegen Sieben.

Laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) stellen zur neuen Saison bereits 60 Prozent der 21 Landesverbände den Regelspielbetrieb flächendeckend um bei den G-Junioren - auch Bambini, U6 oder U7 genannt. Die Kinder spielen auf mehreren Spielfeldern im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Minitore.

Durchbruch für Horst Weins Funino

Diese Spielform ist schon seit den 1980er-Jahren als Funino bekannt, eine Erfindung des ehemaligen Hockey-Bundestrainers Horst Wein. Beim Funino haben die Kinder deutlich mehr Ballkontakte und Erfolgserlebnisse, das belegen wissenschaftliche Studien. Im Sieben gegen Sieben sind dagegen schwächere Kinder kaum am Spiel beteiligt, die zwei Besten eines Teams haben 80 Prozent der Ballaktionen.

Der DFB reformiert nun den Spielbetrieb in der Hoffnung, dass die Kinder seltener frustriert aufhören und sich öfter so gut entwickeln, dass sie dem Spitzenfußball als Talente zur Verfügung stehen.

"Mitwachsen mit den Anforderungen"

Ein Leitfaden für den künftigen Spielbetrieb der E-, F- und G-Jugend sieht einen schrittweisen Übergang in das Spiel auf dem Großfeld vor. Je älter die Kinder werden, desto größer werden die Teams und desto häufiger sind auch große Tore und Torhüter involviert - erstmals im ersten F-Jugend-Jahr. "Die Kinder können mitwachsen in den Anforderungen", sagt Markus Hirte, Leiter Talentförderung beim DFB.

In der E-Jugend (U10 und U11) können die Vereine optional auch schon Vereinsduelle im Sechs-gegen-Sechs oder Sieben-gegen-Sieben austragen. Neben-Spielfelder sollen dafür sorgen, dass auch die Ersatzspielerinnen und -spieler gefordert sind.

Flickenteppich mit verschiedenen Varianten möglich

Der DFB-Leitfaden stellt für jeden Jahrgang zwei Spielform-Varianten zur Wahl. In der Praxis dürfte es noch deutlich mehr Abweichungen geben, denn die Details des Kinder-Spielbetriebs legen vielerorts traditionell die Kreisverbände fest.

Die Sportschau hat alle 21 Landesverbände angeschrieben, wie sie die Spielformen umsetzen wollen. Alle antworteten, dass sie sich am DFB-Leitfaden orientieren wollen. Abweichungen gibt es aber im Detail. Zum Beispiel empfiehlt der Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) beim Drei-gegen-Drei der Bambinis zwei statt vier Minitore. Grund dafür sei unter anderem ein geringerer Organisations- und Kostenaufwand, schreibt der FLVW. Wie gut die Kinder dann allerdings noch Treffer erzielen können, wird die Praxis zeigen.

Neue Spielformen im Nachwuchsfußball ab 2024

Morgenmagazin, 04.08.2022 05:30 Uhr

Graswurzelbewegung mit Vorreitern

Der Reform sind mehrere Jahre mit Pilotprojekten und intensiven Diskussionen vorangegangen. In manchen Regionen sind die neuen Spielformen durch Graswurzelbewegungen oder progressive Funktionäre schon länger gelebte Praxis. Zum Beispiel verweist der Württembergische Fußballverband darauf, dass er bereits im März 2011 erste Pilot-Kinderspieltage durchgeführt habe. 2018 habe der Verband dann beschlossen, Bambini- und Kinderspieltage verbindlich nach den Funino-Prinzipien durchführen zu lassen.

In anderen Regionen sind die neuen Spielformen dagegen kaum verbreitet. Manche Trainer oder Funktionäre an der Basis lehnen die Pläne grundsätzlich ab, weil ihnen die Veränderungen zu drastisch sind. Andere haben Bedenken wegen Detailfragen. Wer einen Spieltag nach den neuen Spielformen ausrichten möchte, braucht im Idealfall 16 der bis zu 200 Euro teuren Minitore. "Ich erwarte vom DFB, dass, wenn er neue Spielformen vorschreibt, er sich auch an den für die Umsetzung erforderlichen Kosten beteiligt", schreibt Rainer Lauffer, Verbandsjugendleiter im Saarländischen Fußball-Verband.

Diskussion um Kosten und Organisation

Der DFB hat aktuell allerdings keine direkte finanzielle Unterstützung geplant. Er verweist unter anderem auf kreative Lösungen, dass zum Beispiel Gastvereine Tore mitbringen können, und auf Unterstützung durch die Landesverbände. Manche haben Minitore spendiert, andere bieten Leihtore oder Vergünstigungen an.

Eine andere Herausforderung für die Ehrenamtlichen in den Vereinen ist die komplexe und personalintensive Organisation der Spielfeste. Es wäre zumindest bei den Kleinsten hilfreich, wenn an jedem Spielfeld eine Begleitperson steht. Der DFB verweist darauf, dass auch Eltern diese Aufgabe übernehmen können. Denn sie müssten lediglich dafür sorgen, dass alle Kinder am richtigen Ort sind und das Spiel einigermaßen reibungsarm läuft.

Neues Selbstverständnis für Kinder-Fußballtrainer

Laute Aufforderungen und taktische Anweisungen von außen sind dagegen ohnehin nicht gewünscht, auch nicht von den Trainern, sagt DFB-Talentförderungs-Chef Hirte: "Die Kinder haben keinen Raum, selbst Dinge zu entwickeln und Erfahrungen zu sammeln. Sondern sie machen immer das, was von außen vorgegeben wird. Das grenzt Kinder in ihrer Entwicklung unglaublich ein."

Die Trainer sollen sich deshalb zurücknehmen und die Kinder möglichst selbstständig spielen lassen - auch in den Trainingseinheiten. Hirte rät, "mehr ausprobieren zu lassen, mehr zu begleiten, mehr Fragen zu stellen, als Antworten zu geben".

Dieses Selbstbild möchte der DFB möglichst breit vermitteln, auch indem er ein Kindertrainer-Zertifikat eingeführt hat. Dieser Kurs ist deutlich günstiger und kompakter als ein klassischer Trainerschein. Die Grundidee: Der Straßenfußball soll in die Vereine kommen. "Wir wollen einen Rahmen schaffen, in dem Kinder sich entfalten, in dem sie selbstständig Dinge entwickeln können, auch mal Fehler machen dürfen", sagt Hirte.

Effekt auf den Trainingsbetrieb

Funino gilt als bestens geeignete Spielform für diesen Ansatz. Der DFB setzt darauf, dass es noch häufiger im Traininig gespielt wird. Schließlich wird Funino künftig bei den Kleinsten die Vorbereitung auf das Wochenende sein - wenn spätestens 2024 alle Kreise den Spielbetrieb umgestellt haben.