Mögliche Partnerschaft zwischen Verband und staatlicher Fluglinie Sportethiker zu DFB und Qatar Airways: "Sehr befremdlich"

Stand: 15.07.2021 08:30 Uhr

Eine Partnerschaft zwischen dem Deutschen Fußball-Bund, dessen Nationalmannschaftskapitän eine Binde in Regenbogenfarben trägt, und Qatar Airways, der staatlichen Fluglinie Katars? "Es wäre sehr befremdlich", sagt Sportethiker Prof. Franz Bockrath im Interview mit der Sportschau.

Qatar Airways zeigt Interesse daran, als Sponsor beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) einzusteigen. Die Nachricht, zunächst von der "Süddeutschen Zeitung" gemeldet, sorgte für Empörung in der Politik. Die Sportschau, nach deren Informationen es zumindest schon Anbahnungsgespräche zwischen der Fluglinie und dem Verband gab, sprach mit dem Sportethiker Prof. Franz Bockrath über den möglichen Deal.

Prof. Bockrath, sollte sich der DFB von Qatar Airways sponsern lassen?

Franz Bockrath: Das sollte er nicht tun; angesichts dessen, dass sich der DFB eigene Richtlinien gegeben hat, würde er seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden, wenn er es täte.

Was spricht genau dagegen?

Bockrath: Sicherlich erstmal die Situation in Katar selbst, aber auch die Richtlinien, die sich der DFB selber gegeben hat. Es gibt ja den Ethikkodex des DFB, dem eine Partnerschaft mit Qatar Airways sicher widersprechen würde. Es wurde ja ausdrücklich davon gesprochen, dass man den Menschenrechten Rechnung tragen möchte, und dass man Menschenrechtsverletzungen entschieden entgegentreten möchte.

Oder etwa noch im April ist vom DFB eine Menschenrechts-Policy abgesegnet worden, in der ausdrücklich gesagt wurde, dass man bei der Auswahl seiner Partner in der Wirtschaft auch auf die Zuverlässigkeit achten würde, dass man sich dementsprechend verantwortungsbewusst zeigen möchte. Angesichts solcher Aussagen wäre es doch schon sehr befremdlich, wenn der DFB einen solch lukrativen Vertrag abschließen würde.

Die FIFA und Qatar Airways sind Partner. Der FC Bayern erhält ebenfalls viele Millionen Euro aus dem Emirat. Sehen Sie bei den Münchnern Unterschiede zu einer möglichen Partnerschaft mit dem DFB?

Bockrath: Ja. Die Unterschiede liegen darin, dass der DFB ein Dachverband ist, der sieben Millionen Mitglieder vertritt, der den Status der Gemeinnützigkeit besitzt. Das alles besitzt Bayern München nicht.

Aus moralischer Sicht handeln die beiden Akteure ähnlich. Beide sind informiert über die Situation in Katar. Beide betonen sicherlich auch, dass sich die Situation dann verändern wird, wenn man mit Katar zusammenarbeiten wird. Aber ich glaube, angesichts der Verlautbarungen, die die Verbände und auch die Vereine selber treffen: Man spricht in der Philosophie von einem performativen Selbstwiderspruch, wenn man das nicht einhält, was man selber verkündet. Vor dem Hintergrund würde ich sagen, haben sowohl der Verband als auch der Verein Schwierigkeiten. Es gibt auch mittlerweile viele Menschen, die das sehen und auch aus den Vereinen entsprechend reagieren.

Die Aktionen "Human Rights" bei den Länderspielen im März, die Kapitänsbinde von Manuel Neuer in Regenbogenfarben, der Kniefall in Wembley - und jetzt angeblich Gespräche mit Qatar Airways. Der DFB hat sie weder bestätigt noch dementiert. Müsste er nicht sofort sagen: Nein, so etwas machen wir nicht?

Bockrath: Das müsste der Verband sicherlich überlegen. Wobei man jetzt natürlich fragen kann, wer die Entscheidungen dort trifft. Die Verhandlungen werden offensichtlich geführt, zumindest entnimmt man das der Presse seit einigen Tagen. Das heißt, es gibt also Menschen, die dort agieren. Aber wer jetzt sozusagen die Sprachkompetenz hat nach außen, das scheint mir nicht so ganz geklärt zu sein. Von daher ist es, glaube ich, ein Problem, dass der DFB dort handelt, ohne dass er ein Sprachrohr hat, das die Dinge auch nach außen kommunizieren kann.

In jedem Fall ist es problematisch, was der DFB momentan tut, weil es gibt auch das Phänomen des sogenannten negativen Imagetransfers. Also viele versprechen sich ja durch die Zusammenarbeit mit Sponsoren, die reputationsträchtig sind, einen Imagegewinn. Es kann natürlich sein, dass das in die negative Richtung umschlägt. Gerade jetzt, wenn eine gewisse Öffentlichkeit entstanden ist, dass man auch negative Imagenachrichten produziert durch ein solches Unterfangen. Das sehe ich im Moment. lch könnte mir auch vorstellen, dass man zumindest ins Nachdenken kommt an einigen Stellen, ob das wirklich so gut ist, was man dort tut, auch wenn es natürlich viele Beispiele gibt, die man anführen könnte, die ähnlich gelagert sind, also Bayern München haben sie eben erwähnt. PSG ist natürlich ein Beispiel. Barcelona macht zum ersten Mal Werbung für Qatar Airways, nachdem sie lange Jahre darauf verzichtet haben, sich überhaupt mit Werbemaßnahmen zu finanzieren. Also es gibt Beispiele, aber das macht die Sache ja nicht besser.

Ich würde eigentlich aus meiner Position heraus nicht von außen mit dem moralischen Zeigefinger auf die Akteure zeigen wollen, sondern eher sie messen wollen an ihren eigenen Verlautbarungen. Bezogen auf den DFB ist vielleicht noch anzumerken, dass die Nationalspieler durch ihre symbolhaften Handlungen, Human Rights beispielsweise, die T-Shirt-Aktion oder auch andere Dinge wie die Regenbogenbinde von Manuel Neuer und andere Aussagen auch von einzelnen Nationalspielern, deutlich haben erkennen lassen, dass sie dort weiter sind als der Verband selber, zumindest was die Wahrnehmung der Probleme anbelangt.

Durch Corona sind die Einnahmen bei vielen Fußballklubs und Verbänden eingebrochen. Amateure fordern mehr finanzielle Unterstützung. Wenn der DFB sich jetzt auf den Standpunkt stellt: Ihr wollt Geld, aber keines aus Katar. Keines von Gazprom oder auch aus China. Wo sollen wir das denn dann hernehmen? Was entgegnen Sie?

Bockrath: Man müsste vielleicht zunächst einmal sagen, dass damit auch bewusst eine politische Position bezogen wird, wenn man so handelt. Das ist keine reine wirtschaftliche Transaktion, die stattfindet, sondern man unterstützt damit sozusagen die Politik der Kataris, die versuchen, sich über diese Maßnahmen - man spricht von einer Soft-Power-Strategie - international zu etablieren und in die Weltgemeinschaft einzufügen. Wenn man das unterstützt, dann macht man sich politisch - ich würde nicht sagen mitschuldig -, aber man unterstützt sozusagen die Politik der Kataris.

Das wird ja oft ausgeblendet in der Argumentation, indem gesagt wird: Ja, es ist ja wieder der Fußball, der hier zum Thema gemacht wird, andere machen es auch. Aber weil es der Fußball ist, ist es problematisch.

Bockrath: Nein, so ist es nicht. Ich würde es genau umgekehrt deuten und sagen, dass man sozusagen diese Whitewashing-Strategie auf der Ebene eines symbolträchtigen Handlungsfeldes, wie es der Sport ja ist und immer auch schon war, versucht, etwas Positives auf seine Seite zu ziehen, gleichzeitig dafür als Gegenleistung das Geld in Empfang nimmt, und dann die Position einnimmt nach dem Motto: Pecunia non olet, also Geld stinkt nicht. Aber so ist es ja nicht.