Seit September 2023 der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft: Ilkay Gündogan

Deutschlands Kapitän İlkay Gündoğan - eine Armbinde als Zeichen gegen Rassismus

Stand: 14.06.2024 11:43 Uhr

Vor seinem ersten Turnierspiel als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft hat İlkay Gündoğan hervorgehoben, dass ihm dies "unfassbar viel" bedeute. Er ist der erste Kapitän mit Migrationshintergrund.

Bernard Dietz, Jürgen Klinsmann und Heidi Beckenbauer in Vertretung ihres verstorbenen Mannes Franz werden zur Eröffnungsfeier der EURO 2024 den Pokal in die Arena München tragen. Die drei Fußballer hielten ihn vor vielen Jahren in den Händen. Dietz 1980, Klinsmann 1996, Beckenbauer 1972. Der Anfang des Jahres verstorbene Beckenbauer war der erste, der als Kapitän einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft eine Europameisterschaft gewann.

İlkay Gündoğan würde sehr gerne den Pokal am 14. Juli in die Hände bekommen. Exakt einen Monat früher wird er die deutsche Mannschaft als Kapitän im Spiel gegen Schottland auf den Rasen in München führen.

Gündoğan empfindet Kapitänsamt als "Riesenprivileg"

"Das bedeutet mir unfassbar viel, es ist ein Riesenprivileg", sagte Gündoğan in der Pressekonferenz vor dem Eröffnungsspiel. Die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland habe er "als Jugendlicher auf den Fanfesten extrem genossen", nun wird ihm zugejubelt: "Jetzt selbst Teil dieser Mannschaft zu sein, dieses Landes zu sein, das deutsche Team, auch das deutsche Volk mit Stolz vertreten zu dürfen, ist eine unfassbare Ehre."

Beim Spiel gegen Schottland wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf der Tribüne zusehen. Steinmeier hat eine Vorgeschichte mit Gündoğan: Er lud ihn und dessen damaligen Mannschaftskollegen Mesut Özil im Jahr 2018 auf seinen Sitz in die Villa Hammerschmidt ein. So wurde aus einer Fotoaffäre offiziell eine Staatsaffäre. Gündoğan und Özil hatten im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Russland mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auf einem Foto posiert. Das wurde von großen Teilen als Wahlkampfhilfe für einen Autokraten, vor allem aber auch als mangelndes Bekenntnis für Deutschland gewertet.

Foto mit Erdogan wurde zu Staatsaffäre

Gündoğan, wie Özil in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen, wurde damals im letzten Testspiel vor der WM in Leverkusen von vielen Fans ausgepfiffen, die Affäre überlagerte die sportliche Vorbereitung. Im Gegensatz zu Özil, der sich inzwischen offen als Anhänger Erdoğans bekennt, nahm Gündoğan noch vor Turnierbeginn Stellung zu dem Foto. "Die Reaktionen haben mich getroffen, vor allem auch die persönlichen Beleidigungen", sagte er. "Wir haben aufgrund unserer türkischen Wurzeln noch einen sehr starken Bezug zur Türkei. Das heißt aber nicht, dass wir jemals behauptet hätten, Herr Steinmeier sei nicht unser Bundespräsident oder Frau Merkel nicht unsere Bundeskanzlerin."

Özil meldete sich mit Verspätung schriftlich. Der Weltmeister von 2014 trat aus der Nationalmannschaft zurück, weil er "dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit" verspüre.

Umfrage zeigt rassistische Einstellungen

İlkay Gündoğan spielt nun sein fünftes Turnier mit der deutschen Mannschaft, er kommt auf bislang 77 Länderspiele mit 18 Toren. Noch unter Bundestrainer Hansi Flick wurde er zum neuen Kapitän der Mannschaft bestimmt.

Er ist der erste Kapitän mit Migrationshintergrund. Das war kein Thema, als er Nachfolger von Manuel Neuer wurde, ein Zeichen für die normal gewordene Vielfalt in der deutschen Mannschaft. Diese Normalität ist nicht überall angekommen: In einer vom WDR-Magazin "Sport inside" im Zusammenhang mit der Dokumentation "Einigkeit und Recht und Vielfalt" in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage sollten die Befragten Stellung nehmen zu der These: "Ich finde es schade, dass der derzeitige Kapitän der deutschen Fußballmannschaft türkische Wurzeln hat." Zwei Drittel stimmten "eher nicht" oder "überhaupt nicht" zu, 17 Prozent allerdings stimmten "eher" oder "voll und ganz" zu.

Beim Medientag des DFB im Basiscamp in Herzogenaurach wurde Gündoğan mit dem Ergebnis konfrontiert. "Traurig" fand er es: "Irgendwo überraschen tut es mich nicht, weil man ja auch die politische Entwicklung der letzten Monate, vielleicht sogar letzten Jahre sieht."