Education City Stadium am Stadtrand von Doha

Fußball-WM 2022 in Katar DFB wird Weltmeister - im Pendeln

Stand: 27.07.2022 12:54 Uhr

Im kleinen Katar werden drei Viertel der WM-Teilnehmer in Doha City wohnen. Den Deutschen Fußball-Bund zieht es hingegen an den Nordzipfel. Der DFB wird Weltmeister im Pendeln.

Gianni Infantino hat schon ex cathedra bestimmt, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar "die beste aller Zeiten" sein wird. Der Präsident des Weltverbandes hat seinen Wohnsitz in das Emirat am Persischen Golf verlegt. Er trommelt seit Jahren für ein Ereignis, das mit dem Adjektiv "umstritten" wohlwollend umschrieben ist.

"Sinnbild für die Kompaktheit"

Die Weltmeisterschaft bringt der FIFA Milliarden Euro ein, daher trommelt der Verband kräftig mit. Am Dienstag (26.07.2022) schickte er die Meldung "Teamquartiere als Sinnbild für die Kompaktheit der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Katar 2022" in die Welt hinaus.

Katar 2022 sei "absolut einzigartig", wird Colin Smith, der Betriebsdirektor der FIFA für die WM, zitiert, unter anderem wegen der kurzen Wege: "Die Spieler haben so während des Turniers mehr Zeit für Training und Erholung und können gleichzeitig aus nächster Nähe die Begeisterung im ganzen Land miterleben, da sich Spieler und Fans aus allen 32 Ländern an einem Ort treffen werden."

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Philipp Sohmer, Sportschau, 12.06.2022 19:15 Uhr

Der Ort ist Doha, die Hauptstadt des Emirats. Drei Viertel der teilnehmenden Mannschaften sind laut FIFA in einem Umkreis von zehn Kilometern in Doha untergebracht. Andere schlagen ihr Quartier im Speckgürtel auf, die Belgier wohnen ganz im Westen des Landes, das mit seiner Hauptstadt im Osten an den Golf grenzt.

Halbes Hessen

Die von der FIFA hervorgehobene Kompaktheit lässt sich in Katar schwerlich vermeiden, denn der Staat erstreckt sich von Norden bis Süden auf nichtmal 200 Kilometern Länge. Katar ist etwa 11.500 Quadratkilometer groß, das entspricht gut der Hälfte von Hessen.

Etwa 75 Minuten Fahrtzeit - ohne Stau

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wird trotzdem 111 Kilometer fahren müssen, um von seinem Luxusquartier am Nordzipfel ins Khalifa International Stadium zu gelangen, in dem am 23. November das erste Gruppenspiel ansteht. Am Donnerstag (27.07.2022) um 11 Uhr spuckte Google Maps für die Strecke bei nur geringen Verkehrsstörungen eine Fahrtzeit von 1:12 Stunden aus. Japan, erster Gegner der Auswahl des DFB, hätte für 9,1 Kilometer von seinem Quartier 17 Minuten gebraucht.

"Wir wollen unserer Mannschaft die bestmöglichen Bedingungen für ein erfolgreiches Turnier bieten. Mit der Auswahl dieser Anlage haben wir fast alle unsere Anforderungen und Bedürfnisse an ein Teamhotel erfüllt. Es bietet in der intensiven WM-Zeit immer wieder die Möglichkeit, abseits des Trubels von den Spielen abzuschalten", wurde Direktor Oliver Bierhoff in der Mitteilung zitiert, mit der der DFB im Mai die Wahl des sogenannten Base Camps im Mai bekannt gab.

Quartier des DFB im Verruf

Das Resort ist nicht nur für katarische Verhältnisse sehr weit vom Trubel entfernt, sondern auch in Verruf geraten. Recherchen der Sportschau ergaben, dass es massive Vorwürfe gegen die Immobilienfirma "Msheireb Properties" gibt, der die Hotelanlage gehört. Ein ehemaliger Gastarbeiter berichtete der Sportschau von ausbeuterischen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Kritik an Auswahl des DFB-Quartiers

Sportschau

"Es ist verrückt, dass der DFB mit Msheireb zusammenarbeitet. Es zeigt mir, dass es keine Rolle spielt, was wir Gastarbeiter in Katar erlebt haben", sagte Whistleblower Malcolm Bidali, der nach Kritik an der Vorsitzenden von Msheireb Properties, Scheicha Musa bint Nasser, der Mutter des Emirs von Katar, sogar im Gefängnis landete.

Der erst im März ins Amt gewählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf sagte, er habe von Bidalis Vorwürfen bei der Wahl des Quartiers nichts gewusst. Schriftlich teilte der Verband mit, es seien bei der Entscheidung für das Zulal Resort nicht nur sportliche Aspekte wichtig gewesen, sondern auch die Arbeitsbedingungen für Angestellte vor Ort. Der DFB, so hieß es weiter, werde während der WM bei Unternehmen, mit denen er in Katar direkt zusammenarbeite, sorgfältig auf die Bedingungen für die Angestellten achten. 

Deutsche Fans fliegen aus den VAE zu den Spielen ein

Deutsche Fußballfans werden nur schwerlich das Resort der DFB-Auswahl erreichen, zumindest jene, die im "Fanclub Nationalmannschaft" organisiert sind und über ihn die Reise zur WM buchen. Der Fanclub bietet mehrere Pakete an, die jeweils einen Shuttleflug von Dubai zu den Spielen beinhalten. Dubai ist die größte Stadt in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und mit dem Auto etwa 650 Kilometer von Doha entfernt.

"Die Umsetzung eines Fan-Camps im WM-Austragungsland Katar war organisatorisch nicht möglich", teilte der Fanclub mit.

Der Hinweis in der Mitteilung der FIFA, dass "nicht per Flug zwischen den Spielorten" gependelt werden müsse, gilt daher nur für die Mannschaften, von denen die deutsche zumindest in der Vorrunde Weltmeister im Pendeln sein wird.

Immerhin ist das Al Bayt Stadium, in dem die Spiele Deutschlands gegen Spanien und Costa Rica ausgetragen werden, nur 78 Kilometer und somit eine knappe Busstunde vom Nordzipfel Katars entfernt.