Das Campus-Gelände

Rassismus-Vorfall Rassismus-Vorfall am Bayern Campus: Dritter Mitarbeiter muss gehen

Stand: 16.10.2020 17:50 Uhr

Nach dem Rassismus-Vorfall an seinem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ), dem FC Bayern Campus, zieht der FC Bayern weitere Konsequenzen. Ein weiterer Jugendtrainer muss nach Informationen des WDR-Hintergrundmagazins Sport Inside den Campus verlassen. Das Klima vor Ort soll sich bereits jetzt deutlich verbessert haben.

Von Matthias Wolf

"In unserem Klub dulden wir weder Intoleranz noch Diskriminierung. Dass jetzt an einer Stelle gegen unsere Grundsätze verstoßen wurde, schmerzt uns. Wir werden alles dafür tun, dass sich so etwas nicht wiederholt", teilte der Leiter der internen Ermittlungen Michael Gerlinger in einer Pressemitteilung des Vereins am Freitag (16.10.2020) mit. Gerlinger arbeitet im Verein als Direktor der Abteilung Recht und Personal.

Nach Informationen des WDR Hintergrundmagazins Sport Inside wurde im Zuge der Rassismus-Affäre inzwischen einem weiterem Jugendtrainer gekündigt. Der Trainer habe sich bereits am Donnerstagabend von Mitarbeitern verabschiedet, heißt es.

Volksverhetzung in Sitzungen und Chats

Dieser Trainer galt als rechte Hand jenes Trainers, gegen den die Staatsanwaltschaft München zur Zeit wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt.

Von diesem Jugendtrainer hatte sich  der Verein bereits am 13. August getrennt. Er hatte unter anderem in Sitzungen und in einem Chat von Trainern und Scouts Begriffe wie "Drecks-Türke", "Neger", "Kanake" verwendet.

Der nunmehr entlassene Jugendtrainer soll ebenfalls durch verbale Attacken gegenüber Kollegen auffällig geworden sein. "Die beiden waren Teil eines Systems von unantastbarer Macht und Machtmissbrauch", so ein ehemaliger Bayern-Trainer gegenüber Sport Inside: "Es war sehr schlimm. Du hast jahrelang kein Spiel verloren – und dann stehen die beiden neben deiner Trainerbank und lästern ab." Beide Trainer hätten ein "vergiftetes Klima der Angst" am Campus aufgebaut: "Das war wie eine eigene Sekte."

Anonyme Anzeigen gegen den Trainer

Auch aus Elternkreisen werden harte Vorwürfe erhoben: "Sie haben Angst verbreitet. Ein System, das Spieler, Eltern und Trainer einschüchterte."

Der nun gekündigte Trainer habe zudem rassistische Wortmeldungen seines Vorgesetzten in einem Trainer-Chat mit Smileys bedacht. Sport Inside hatte diese Chat-Inhalte exklusiv veröffentlicht. Außerdem gab es eine anonyme Anzeige gegen den Trainer, wonach dieser einen Mitarbeiter des Vereins mehrfach rassistisch beleidigt haben soll. Dieser attackierte Mitarbeiter habe nun – so heißt es – vollumfänglich ausgesagt.

Umfassende Untersuchungen des FCB

Der Verein teilte mit, das seit 12. August laufende interne Ermittlungsverfahren sei nunmehr abgeschlossen. Man habe die Vorwürfe umfassend untersucht:

"Im Ergebnis wurden für einen Teilbereich des NLZ Vorgänge ermittelt, die gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen haben, mit der Haltung des FC Bayern nicht übereinstimmen und zu Konsequenzen führen." Dieser Teilbereich sei die Altersklasse U9 bis U15, in der die beiden entlassenen Trainer maßgeblich tätig waren – einer auch in leitender Funktion. In diesen Jahrgängen werde es "strukturelle Veränderungen und einen personellen Neuanfang für die Jugendmannschaften geben".

Trennung von weiterem Campus-Mitarbeiter und Abmahnungen

Nach Informationen von Sport Inside trennte sich der FC Bayern am Wochenende von einem dritten, langjährigen Mitarbeiter aus dem Team-Management im Junioren-Bereich. Auch dieser Mann galt als enger Vertrauter des zuerst entlassenen Trainers, war zudem in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Internat des Vereins eingebunden. Zudem verteilte der Verein mehrere Abmahnungen an Mitarbeiter, die aus Sicht des FC Bayern in den Rassismus-Vorfall involviert waren.

Der FC Bayern legt Wert auf die Feststellung, dass sich weitere öffentlich erhobene Vorwürfe "nicht bewahrheitet" hätten. Hierbei dürfte unter anderem das Ermittlungsverfahren bezüglich Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemeint sein, angebliche Geschäfte mit einem Spielerberater. Dieses Verfahren hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestellt – aus Mangel an Beweisen.

Eltern wollen nicht die Karriere ihrer Kinder gefährden

Auch im Hinblick auf überharte Trainingsmethoden und Beleidigungen von Spielern  sollen die Ermittlungen wenig Stichhaltiges ergeben haben, heißt es bei Bayern München.

Mehrere Eltern haben allerdings gegenüber Sport Inside betont, sie würden eine Aussage vor der Rechtsabteilung des Vereins scheuen – aus Furcht, dadurch die Karriere ihrer Kinder zu gefährden.

Verantwortung auf mehrere Schultern

Der Verein plant nun strukturelle Veränderungen in der Nachwuchsarbeit im Bereich von U9 bis U15. Man werde künftig "bei der Festlegung auf Zuständigkeiten bestimmter Funktionen die Verantwortung auf mehrere Personen übertragen. Die Bedeutung der Anlaufstellen für Probleme am NLZ wird neu positioniert; außerdem werden weitreichende, regelmäßige Schulungs- und Fortbildungsprogramme entwickelt und durchgeführt".

Man will mit externen Experten zusammenarbeiten, außerdem zusätzliche hausinterne Stellen schaffen. Als Ansprechpartner für Eltern und Spieler möglicherweise eine Art Ombudsmann, der sich bereits präventiv um Themen wie Rassismus und Diskriminierung im Jugendbereich kümmern soll.

Fanszene steht Verein sehr kritisch gegenüber

"Wer beim FC Bayern tätig ist, hat arbeitsrechtliche Standards zu beachten und sich entsprechend zu verhalten", sagt Direktor Gerlinger: "Im Zuge der Untersuchungen traten teils erhebliche Verstöße gegen arbeitsrechtliche Pflichten zutage. Der FC Bayern setzt sich für eine weltoffene, vielfältige Gesellschaft ein."

Ob die nun eingeleiteten Maßnahmen indes der kritischen Fanszene ausreichen, scheint fraglich. Erst vor Wochenfrist hatten Fans wieder ein Plakat am Campus angebracht: "Keine Aufklärung. Keine Konsequenzen. Nur Aussitzen." Die Aktion "Rot gegen Rassismus" des Vereins wurde plakativ als "reine Heuchelei" bezeichnet.

Mit der heutigen Pressemitteilung gesteht der Triple-Sieger Bayern München endgültig in aller Öffentlichkeit ein, dass es offensichtlich in seinem Jugendbereich unhaltbare Zustände gab. Der Rassismus-Vorfall belastet das Image des weltoffenen FC Bayern schwer.

Offene Fragen

Es bleiben Fragen offen: Wie konnte dieser Machtmissbrauch durch Trainer jahrelang am Campus geduldet werden? Warum bleibt die Führung des Leistungszentrums nahezu unverändert, an die sich einige betroffene Eltern in ihrer Not gewandt hatten? Liegt das daran, dass die beschuldigten Trainer dem Vernehmen nach eng verbunden waren mit Teilen der Führungsebene?

Auf der arbeitsrechtlichen Ebene ist die Affäre nicht abgeschlossen. Am 13. Januar 2021 soll die Trennung von dem Trainer, der am 13. August fristlos entlassen wurde und vier Tage später noch eine Aufhebungsvereinbarung unterschrieben hatte, vor dem Arbeitsgericht München verhandelt werden. Über seinen Anwalt hatte der Jugendtrainer mitteilen lassen, dass die Äußerungen im Chat keinen rassistischen Hintergrund hätten.

Besseres Klima am Campus

Ein erster Gütetermin war gescheitert. Wie es heißt, könnten nun weitere Arbeitsgerichtsprozesse folgen.

Sport Inside liegen derweil bereits erste Rückmeldungen von Campus-Mitarbeitern vor, wonach sich das Klima dort bereits deutlich verbessert habe: "Alle, die Handlanger waren, sind jetzt eingeschüchtert – auch die Mitläufer, die noch da sind."