Daniele de Rossi

Plötzlich erfolgreich Wie De Rossi die AS Rom wachgeküsst hat

Stand: 06.03.2024 18:25 Uhr

Im Achtelfinale der Europa League zwischen der AS Rom und Brighton treffen zwei Trainer mit einer besonderen Verbindung aufeinander. Daniele De Rossi feiert in der Serie A derzeit eindrucksvolle Erfolge. Gelernt hat er von seinem Gegenüber: Brightons Trainer De Zerbis.

So ist das mit guten Praktikanten. Du erklärst ihnen die Arbeit, weihst sie in die Geheimnisse des Jobs ein. Dann legen sie los - und, schwupps, ziehen sie an dir vorbei. Dieses Schicksal droht Roberto De Zerbi. Als Trainer in Brighton hat sich der Italiener von seinem Landsmann Daniele De Rossi über die Schulter schauen lassen, als dieser auf Jobsuche war.

Heute lobt der Weltmeister von 2006: "De Zerbi war zu mir völlig offen. Er hat mir all seine Bücher und Datensätze gezeigt und mich beraten." Als Dank könnte De Rossis AS Rom De Zerbi und Brighton im Achtelfinale aus der Europa League werfen. 

Die Roma gewann sechs der jüngsten sieben Ligaspiele

Denn während Brighton in der Premier League derzeit durch eine kleine Krise geht, hat De Rossi als neuer Trainer in Rom einen atemberaubenden Start hingelegt. Seit das Roma-Idol Mitte Januar für José Mourinho übernahm, läuft es für die "Giallorossi". Sechs von sieben Ligaspielen gewonnen, nur die Partie gegen Tabellenführer Inter Mailand ging nach starker Leistung verloren. In der Europa League schaffte die Roma gegen Feyenoord Rotterdam den Sprung ins Achtelfinale.

Nicht zuletzt im Spielstil war der Wechsel von Mourinho zu De Rossi eine Zeitenwende. Während sein Vorgänger gerne mal den Bus vor dem Tor parkte, liebt der Neue das schöne Spiel, den vorwärtsorientierten Fußball. Sein Team solle dominieren, wünscht sich De Rossi.

Wie das aussehen kann, war zuletzt zu beobachten beim 4:1 gegen die bis dahin als Überraschungsteam gehandelte AC Monza. Ein Spiel, in dem Rom dem Gegner eine Stunde lang kaum Zeit zum Atmen ließ, mit Pressing und vertikalen Kombinationsspiel.

De Rossi hat die Lust am Spiel entfacht

Die neue De-Rossi-Roma hat in sieben Ligaspielen 20 Tore erzielt, mehr sogar als Inter Mailand, die aktuelle Benchmark der Serie A. Ein tieferer Blick in die Statistik belegt Roms neue Lust am Spiel. De Rossi hat die Torquote im Vergleich zu Mourinho (1,6 Treffer pro Spiel) annähernd verdoppelt (2,9), den Punkteschnitt von 1,45 auf 2,57 verbessert.

Trotz seines starken Starts in Rom aber mahnt De Rossi: "Wir sind erst Fünfter und haben noch nichts erreicht." Die Fans freuen sich trotzdem, weil ihr Klub eineinhalb Monate nach dem Trainerwechsel doch wieder an den Champions League Plätzen schnuppert.

Nicht jeder hat das so erwartet. Denn De Rossis Traumstart bei seinem Herzensklub steht in krassem Gegensatz zu seinem Einstieg in den Trainerjob vor eineinhalb Jahren. Damals übernahm der 117-fache Nationalspieler Spal Ferrara in der zweiten Liga und wurde nach 17 Spielen gefeuert. Dem Trainernovizen waren gerade mal drei Siege gelungen.

De Rossi: "Ich bin ja nicht blöd"

Bei seiner Vorstellung in Rom im Januar räumte De Rossi freimütig ein: Er wisse, dass er nicht wegen seiner Leistungen in Ferrara als neuer Trainer geholt wurde. Sondern weil sein Name helfen sollte, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen nach dem Rauswurf des bei vielen Fans beliebten Mourinhos.

"Ich bin ja nicht blöd", meinte De Rossi, um kämpferisch hinterher zu schieben: "Ich fange hier nicht als Maskottchen an, sondern als Trainer. Egal, wie die Umstände sind - diese Chance will ich nutzen."

Das hat er bislang eindrucksvoll getan. Von einer "Rivoluzione De Rossi", einer "De-Rossi-Revolution", schreibt die "Gazzetta dello Sport". Die bei der Menschenführung beginnt. "Ich behandele meine Spieler in erster Linie als Menschen, nicht nur als Fußballer", sagt der Trainer.

De Rossi lässt die Stars wieder aufblühen

Unter anderem bewirkte dies Wunder bei Lorenzo Pellegrini. Der Kapitän und Nationalspieler war von Mourinho ins zweite Glied verbannt und musste wochenlang auf der Bank hocken. Offensichtlich, weil Pellegrini Mourinho die von diesem geforderte Vasallen-Treue verweigerte.

Nun, unter De Rossi, ist der gebürtige Römer wieder unumstrittener Anführer des Teams. Mit fünf Treffern und drei Assists ist Pellegrini seit Mourinhos Abschied der erfolgreichste Scorer unter den Mittelfeldspielern in den fünf größten europäischen Ligen.

Auch Chris Smalling ist als zentraler Mann der Abwehr zurück. Mourinho hatte den damals verletzten Engländer öffentlich an den Pranger gestellt, nach einer der vielen Niederlagen. "Smalling hat mir meine Saison ruiniert", schimpfte Mourinho und deutet an, Smalling tue nicht alles, um schnell gesund zu werden.

Der ehemalige englische Nationalspieler erhielt daraufhin Hassbotschaften von Roma-Fans. De Rossi hat Smalling wieder ins Team eingegliedert. Der ehemalige Man-United-Spieler dankte es ihm nach seiner langen Verletzungspause mit guten Leistungen.

Auch über Romelu Lukaku hielt der neue Trainer nach mehreren torlosen Spielen die schützende Hand. Der belgische Stürmer dankte mit Toren und Assists. Den größten Leistungsaufschwung aber erlebt Paulo Dybala.

Endlich einmal kann der verletzungsanfällige argentinische Weltmeister mehrere Partien problemlos durchspielen. Zufall oder nicht? Unter ihrem neuen Coach trainiert die Roma viel intensiver, kaum eine Trainingseinheit ist kürzer als zwei Stunden.

De Rossi als "Chamäleon in Sachen Taktik"

Aber De Rossi überzeugt bislang nicht nur als Menschenfreund, Motivator und detailversessener Trainingsplaner, sondern auch als Fußballstratege. "Er ist ein Chamäleon in Sachen Taktik", schreibt der "Corriere dello Sport" und meint das als Kompliment.

Mal lässt De Rossi mit einer Vierer-, mal mit einer Dreierkette spielen, im Angriff kommt die Roma meist mit einem Trio, manchmal mit einem Duo daher. Die Ordnung im Spiel stimmt dabei fast immer. In der Gegentorquote ist die Roma unter De Rossi (1,3) annähernd so gut wie unter Mourinho (1,2).

Duell mit De Zerbi: "Wollte Brighton vermeiden"

Eine Entwicklung, die die Fans der AS Rom vor dem Duell De Rossis mit seinem Lehrmeister De Zerbi, hoffen lassen. Auch wenn De Rossi selbst sagt: "Brighton war das Los, das ich vermeiden wollte." Wegen der fußballerischen Stärke der "Seagulls" und nicht nur wegen der Freundschaft, die sich mittlerweile zwischen beiden Trainern und deren Familien entwickelt hat.

Als die De Rossis zuletzt bei den De Zerbis in London zu Gast waren, gingen die beiden Töchter in einem Roma-Club an der Themse gemeinsam Fußball gucken. Jetzt im Achtelfinale der Europa League aber, vermutet De Rossi, werde De Zerbis Tochter "wahrscheinlich nicht ihren Roma-Schal tragen".