Fußball | Verbände DFB und DFL - Jahr des Umbruchs

Stand: 26.12.2021 12:22 Uhr

Im neuen Jahr steht beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) wie bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) ein Führungswechsel an. Der designierte DFB-Präsident Bernd Neuendorf und die künftige DFL-Chefin Donata Hopfen müssen schnell ein Vertrauensverhältnis aufbauen, um das zerrüttete Verhältnis zu kitten.

Die Einladungen waren schon vorbereitet: Eigentlich hätte am 18. Januar nächsten Jahres wieder der traditionelle Neujahrsempfang der Deutschen Fußball Liga (DFL) stattfinden sollen. Ein Stelldichein der Fußball-Prominenz in Frankfurt mit ausgewählten Repräsentanten aus Wirtschaft, Politik und Medien.

Es gab eigentlich keinen besseren Termin, auch die ranghöchsten Funktionäre aus dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) von Liga-Seite bei diesem Termin zu begrüßen. Doch bereits Anfang Dezember kam die Absage. Die anhaltende Corona-Lage mache eine solche Begegnung unmöglich, teilte die DFL mit. Dabei wären persönliche Begegnungen, vertrauliche Gespräche, irgendwo in einer Saalecke oder am Stehtisch, nie so dringend nötig wie jetzt.

Absoluter Tiefpunkt im Binnenverhältnis

Denn längst reden die Topfunktionäre kaum noch miteinander. "Das Verhältnis ist auf dem absoluten Tiefpunkt", sagte DFL-Chef Christian Seifert bei seinem Abschied. Der 52-Jährige beschrieb einen in seiner Dekade irreparablen Bruch im Binnenverhältnis der beiden Institutionen. Mit dem DFB-Interimspräsidenten Rainer Koch war Seiferts Beziehung am Ende vollkommen zerrüttet.

In den vergangenen zwei, drei Jahren sei es fast ausschließlich nur um Steuer-, Abstimmungs- und Vertrauensfragen gegangen, sagte der Liga-Chef, der zudem beklagte, dass ihm im DFB-Präsidialausschuss wichtige Informationen vorenthalten wurden, wofür er hätte haftbar gemacht werden können. So trat der DFL-Boss bereits im Herbst 2020 aus diesem Gremium zurück.

Koch vermutet ständige Macht- und Muskelspiele zugunsten des Profifußballs, die letztlich der Amateurbasis schaden würden. Der 63 Jahre alte Jurist ist mit seiner Dauerfehde zum gestürzten DFB-Präsidenten Fritz Keller, der sich gegenüber Koch eine Nazi-Entgleisung erlaubte, erheblich daran beteiligt, dass sich die Fronten derart verhärtet haben. Und es macht es nicht besser, dass mit dem zweiten DFB-Interimschef Peter Peters ein ehemals der Liga zugerechneter Multifunktionär nun als Präsidentschaftskandidat seinen Hut in den Ring geworfen hat. Den ehemaligen Vorstand des FC Schalke 04 kann sich Koch mal gar nicht als neuen DFB-Chef vorstellen.

Heike Ullrich könnte als Generalsekretärin bleiben

Die weitaus besseren Chancen, soviel ist klar, hat ohnehin Bernd Neuendorf. Für ihn haben bereits einstimmig die Regional- und Landespräsidenten votiert. Das ist mehr als eine Vorentscheidung. Der Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein steht zwar nicht für eine radikale Kehrtwende beim DFB, hat aber zumindest öffentlich artikuliert, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Das Erscheinungsbild des größten deutschen Sportverbandes während der Corona-Krise sei verheerend gewesen.

"In einer für viele Vereine existenziellen Lage erlebten wir den Höhepunkt der Auseinandersetzungen an der Spitze des Verbandes. Das Image des DFB hat insbesondere in dieser Zeit extrem gelitten", sagte der 60-Jährige dem Fachmagazin "Kicker". Er sähe seine Rolle darin – ausgehend davon, dass die Mehrheit der Delegierten beim DFB-Bundestag am 11. März in Frankfurt für ihn votieren - als Mediator und Integrator. Erstmal wolle er intern ein Vertrauensverhältnis herstellen und schlägt deshalb vor, dass er bei der Auswahl von Generalsekretär oder Generalsekretärin ein Wörtchen mitreden darf. Bisher hat Heike Ullrich dieses Amt nach der Trennung von Friedrich Curtius inne - und könnte sich unter bestimmten Voraussetzungen auch vorstellen, weiterzumachen.

Der deutsche Fußball müsste mit einer Stimme sprechen

Für den deutschen Fußball ist es in den nächsten Jahren gerade bei den spalterischen Umtrieben von FIFA und UEFA eigentlich unerlässlich, dass DFB und DFL an einem Strang ziehen. Das nach der Weltmeisterschaft 2018 aufgelegte "Projekt Zukunft" mit seinen wichtigen Reformen für den Nachwuchsbereich stockt. Die Basis will die Veränderungen nicht. Auch auf anderen Ebenen hakt es. Und dann ist da immer noch der Grundlagenvertrag, der die Geldflüsse zwischen beiden Institutionen regelt und neu verhandelt werden muss.

Seifert hat geraten, sich zuerst mal daran zu orientieren: "Ich glaube, dass es gut wäre, das Verhältnis zurückzuführen auf die Ausübung des Grundlagenvertrages. Denn darum geht es in letzter Konsequenz. Was braucht die Liga vom DFB? Die Nachwuchsarbeit muss stimmen. Das Schiedsrichterwesen muss funktionieren. Dann hat man die Abstellung der Nationalspieler und den DFB-Pokal. Im Gegenzug kann der DFB die Nationalspieler vermarkten." Das seien doch die Grunddisziplinen.

Donata Hopfen hält sich öffentlich noch zurück

Das alles aber liegt nicht mehr in seinem Verantwortungsbereich, sondern in den Händen seiner Nachfolgerin Donata Hopfen. Die Hamburger Medienmanagerin steht seit langem als Seifert-Erbin fest. Sie hält sich aber komplett aus der Öffentlichkeit zurück, es gab auch noch keine Vorstellungsrunde mit der 44-Jährigen, die - so ist zu hören - ihre ersten Arbeitstage akribisch vorbereitet. So wird gerade genau abgewogen, welche Bundesligaspiele sie zum Rückrundenstart zuerst besucht.

Ihr Vorteil: Sie hat keine Fehde mit den DFB-Funktionären ausgetragen, geht also gewissermaßen unbelastet diese Baustelle an. Seifert traut ihr das ohne Einschränkungen zu ("eine gut vernetzte, extrem engagierte Managerin"), sagt aber auch, dass ein neues Vertrauensverhältnis nur aufgebaut werden kann, "wenn beim DFB auch tatsächlich personelle Neuordnungen vorgenommen werden. Und zwar nicht nur im Vordergrund, sondern auch im Hintergrund."

Bernd Neuendorf will mehr Diversität

Neuendorf hat in seinem ersten großen Interview am Montag (20.12.2021) einige Hinweise geliefert, dass er den DFB zumindest "zu mehr Diversität" bringen will. Das Präsidium soll um eine Vizepräsidentin ergänzt werden, die sich um Diversität und Gleichstellung kümmert. Zudem soll eine Strukturkommission dafür sorgen, dass der Blickwinkel breiter wird. Sein Vorteil: Aus seiner Tätigkeit als Staatssekretär für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport in Nordrhein-Westfalen hat der frühere SPD-Politiker andere Perspektiven betrachtet - und auch gelernt, sich in komplexen Fragen mit Kompromissen zu arrangieren.

Genau wie Donata Hopfen wäre auch Bernd Neuendorf im Grunde ein Quereinsteiger, der einen Neuanfang zwischen DFB und DFL auf den Weg bringen könnte - vorausgesetzt die beiden neuen Chefs lernen sich zeitnah auch persönlich kennen. Eines steht für Seifert mit Blick auf den großen Umbruch bei DFB und DFL fest: "Es kann nur noch aufwärts gehen oder sich zumindest nicht weiter verschlechtern."