Fußball | Corona-Politik Bundesliga und Klagen für mehr Fans - rechtliche Fragen und Prognosen

Stand: 26.01.2022 15:00 Uhr

Der deutsche Profifußball drängt vehement auf eine Rückkehr vieler tausender Fans in die Stadion. Klagen sind angekündigt. Welche Aussichten haben sie und welche rechtlichen Fragen stellen sich?

Der Ton wird rauer. "Das versteht kein Mensch mehr", behauptete Borussia Dortmunds Geschäftführer Hans-Joachim Watzke zu den weiter zumindest in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen gültigen Zuschauerzulassungen. Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle fragte sarkastisch, ob die Entscheidungsträgerinnen und -träger aus der Politik "eigentlich würfeln".

Wenige Stunden, nachdem der Bund-Länder-Gipfel am Montag (24.01.2022) den Beschluss verkündete, bis spätestens zum 9. Februar eine "einheitliche Regelung" für Fans in Hallen und Stadien zuzulassen, scherte Bayern schon aus. Dort wird künftig eine Auslastung von 25 Prozent erlaubt sein, maximal jedoch 10.000 Fans. Aus Niedersachsen kam wenig später die Meldung, dass es dort bei 500 Fans bleiben wird.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) sagte am Mittwoch (26.01.2022) im Stuttgarter Landtag, dass "in der normalen Alarmstufe" künftig wieder bis zu 6.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen würden, wenn der Veranstalter die 2G-Plus-Regel anwende. Bei der 2G-Regel gelte eine Obergrenze von 3000.

Ärger vieler Funktionäre

Der Flickenteppich, aber vor allem auch die Aussicht auf eine weiter geringe Auslastung, ärgert viele Funktionäre. So sagte Thomas Hitzlsperger als Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart: "Alle vorliegenden Daten zeigen, dass Fußballstadien unter 2G-Bedingungen und unter Beachtung der mit den zuständigen Behörden ausgearbeiteten Auflagen und Konzepte keine Infektionsherde sind. Die aktuellen Verordnungen ignorieren dies und stellen den gesamten organisierten Sport vor fast unlösbare Herausforderungen, sowohl finanziell und organisatorisch als auch emotional."

Die Drohungen, juristisch eine höhere Auslastung und damit verbundene höhere Einnahmen durchzusetzen, nehmen zu. Watzke kündigte an, die neue Coronaschutzverordnung des Landes eventuell "im Eilverfahren" prüfen zu lassen. Was bedeutet das? Und was würde ein Erfolg des BVB und/oder anderer Bundesligisten bedeuten? Der Überblick zu rechtlichen Fragen, die mithilfe von Jens Gerlach beantwortet werden, einem Experten für Öffentliches Recht von der Bucerius Law School in Hamburg.

Wer bestimmt über die Auslastung?

Die Auslastung wird in den Coronaschutzverordnungen der einzelnen Bundesländer geregelt.

Kann der Bund die Länder überstimmen?

Das, so Experte Gerlach, sei in der Theorie denkbar, aber derzeit nicht vorstellbar.

Müssen sich die Gesundheitsämter an den Standorten der Klubs an die Vorgaben halten?

Ein Verein hat, je nach Ausgestaltung der entsprechenden Coronaschutzverordnung, die Möglichkeit, sich als Veranstalter an seine zuständige Gesundheitsbehörde zu wenden und um eine Ausnahme zu bitten. In der Praxis ist die Frage, ob sich die Gesundheitsämter mit dem übergeordneten Minsterium anlegen wollen.

Was ist ein "Eilverfahren"?

Würde eine Klage gegen eine Verordnung auf dem Regelweg beschritten, kann es etwa zwei Jahre dauern, bis ein Urteil gesprochen wird. Daher die Möglichkeit des Eilverfahrens, das viel schneller zu einem Ergebnis kommt und einen einstweiligen Rechtsschutz bietet.

Welche Aussicht hätte eine Klage?

Das sei sehr schwierig zu prognostozieren, sagt Jens Gerlach. Mit vielen Eilverfahren seien die Kläger während der Coronapandemie abgeblitzt. Der Experte hat den Eindruck, "dass Verwaltungsgerichte beziehungsweis Oberverwaltungsgerichte zurückhaltend sind, etwas zu kippen". Sportrechtler Martin Nolte von der Sporthochschule Köln sagte dem Sport-Informationsdienst: "Es kommt auf die jeweilige Corona-Schutzverordnung an. Präjudizien gibt es in Deutschland jedenfalls nicht. Es sind viele Maßnahmen gegen Corona angefochten worden. Die Verfahren hatten teilweise Erfolg." Eine Prognose hält er ebenfalls für "schwierig".

Welche Folgen hätte ein Erfolg eines Klubs im "Eilverfahren"?

Gäbe ein Gericht einer möglichen Klage des BVB gegen die nordrhein-westfälische Verordnung statt, könnte der Klub theoretisch bei nächster Gelegenheit sein Stadion vollmachen. Allerdings hätte in diesem Fall die Landesregierung von NRW die Möglichkeit, die Verordnung schnell zu ändern und eine neue Obergrenze zu bestimmen. Diese Bestimmung könnten die Dortmunder (oder andere Klubs aus NRW) dann wiederum im Eilverfahren prüfen lassen.

Um beim Beispiel NRW zu bleiben: Die aktuell gültige Coronaschutzverordnung mit der Höchstgrenze von 750 Teilnehmern bei Veranstaltungen ist bis zum 9. Februar 2022 gültig, sollte nicht vorher eine Änderung vorgenommen werden. Das nächste Heimspiel bestreitet der BVB am 6. Februar gegen Bayer Leverkusen.