Frankreichs Pokalsieger FC Toulouse

Mehrfachbeteiligungen Multi-Club Ownership - "Die derzeit größte Bedrohung für den Fußball" 

Stand: 07.07.2023 17:15 Uhr

Wer einen Klub besitzt, darf im Europapokal keine anderen Klubs kontrollieren. Die UEFA genehmigte nun aber die Teilnahme von mehreren Klubs, die mehrheitlich dieselben Eigentümer haben - Kritiker sehen die Integrität des Spiels gefährdet.

Die aktuellen Regeln der UEFA besagen vereinfacht gesagt: Zwei Klubs, die von denselben Besitzern kontrolliert werden, dürfen nicht in derselben Saison in den drei europäischen Wettbewerben Champions League, Europa League und Conference League mitspielen.

In dieser Hinsicht hat die Finanzkotrollkammer der UEFA am Freitag (07.07.2023) über drei Fälle mit sechs Klubs entschieden. Das Ergebnis: Alle dürfen mitspielen, obwohl jeweils zwei dieselben Mehrheitseigentümer haben:

  • AC Mailand aus Italien ist für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert, der FC Toulouse als Pokalsieger aus Frankreich für die Europa League. Beide gehören mehrheitlich RedBird Capital aus den USA.
  • Brighton & Hove Albion aus England spielt in der Gruppenphase der Europa League, Royale Union Saint-Gilloise aus Belgien steht ebenfalls in der Qualifikation - beide Klubs gehörten zuletzt mehrheitlich dem englischen Pokerspieler Tony Bloom.
  • Aston Villa aus England und Vitoria Guimaraes aus Portugal sind beide für die Conference League qualifiziert. Die Gruppe V Sports, Mehrheitseigner bei Aston Villa, stieg im Februar 2023 auch bei Guimaraes ein.

Im Raum stand, dass jeweils einem Klub die Teilnahme verweigert werden könnte. Doch das passierte nicht, die UEFA-Kammer bestätigte die Teilnahme aller sechs Klubs.

UEFA: Klubs halten durch "entscheidende Änderungen" die Regeln ein

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass es "bedeutende Änderungen" durch die Klubs und ihre Investoren gegeben habe, so dass sie die Regeln einhalten würden. So habe niemand "Kontrolle über oder entscheidenden Einfluss auf mehr als einen Klub", teilte die UEFA mit. Auch sei niemand im Managemenet von mehr als einem Klub beteiligt.

Laut UEFA haben die Besitzer teilweise ihre Anteile reduziert oder seien weniger an der Finanzierung der Klubs beteiligt. Zudem seien die Investoren nur noch bei jeweils einem Klub in den Führungsgremien vertreten. Die Klubs hätten außerdem zugestimmt, bis September 2024 gegenseitig keine Spielertransfers durchzuführen.

Red Bull - die UEFA ließ auch Leipzig und Salzburg spielen

Die Fälle erinnern an die Entscheidung zu Red Bull. 2017 entschied die UEFA, dass sowohl Red Bull Salzburg als auch RasenBallsport (RB) Leipzig an den UEFA-Wettbewerben teilnehmen dürfen. Beide Klubs hätten "bedeutende Änderungen" im Management und der Struktur vorgenommen, so dass die Regularien erfüllt werden, hieß es 2017 ähnlich klingend wie bei den aktuellen Fällen von der UEFA. 

Im Urteil damals stand: Die Rechtskammer komme zu dem Schluss, "dass die Beziehung zwischen Red Bull und FC Salzburg nur einer normalen Sponsoring-Beziehung entspricht" und dass "Red Bull keinen entscheidenden Einfluss auf Salzburg ausübe".

Red Bull gegen RasenBallsport in der Europa League 2018

Red Bull gegen RasenBallsport in der Europa League 2018

Klubbesitzer versuchten mit Änderungen die Regeln zu erfüllen

Die Klubs unternahmen mehrere Schritte, um den Regeln im Mindestmaß gerecht zu werden. Poker-Milliardär Bloom war Mehrheitseigentürmer sowohl von Brighton & Hove Albion als auch Saint-Gilloise. Schon länger hatte er die Mehrheit der Stimmrechte bei dem belgischen Klub abgegeben. Die Mehrheit der Anteile gab er an seinen Mitinvestor ab. "Entscheidenden Einfluss" - und darum geht es der UEFA-Kontrollkammer - hat Bloom demzufolge nur bei Brighton.

Tony Bloom, Besitzer von Brighton & Hove Albion und von Royale Union Saint-Gilloise

Tony Bloom, Besitzer von Brighton & Hove Albion und von Royale Union Saint-Gilloise

In Toulouse wurden im Juni kurzfristig in der Klubführung einige Wechsel durchgeführt. Mehrere Vertreter der Investmentfirma RedBird, die sowohl AC Mailand als auch Toulouse mehrheitlich besitzt, traten aus dem Vorstand zurück. Aston Villa teilte Ende Juni mit, dass seine Besitzer einen Teil der Anteile an Guimaraes dem Klub zurückgegeben haben und nicht mehr in der Klubführung vertreten seien. Damit sei eine Unabhängigkeit gegeben, schrieb der Klub aus Birmingham. Die UEFA folgte der Argumentation.

Fan-Vertreter: "Das ist die größte Bedrohung"

Beteiligungen von Klubbesitzern an mehreren Vereinen - genannt Multi-Club Ownership - wird ein immer größeres Phänomen im Profifußball. "Multi-Club Ownership ist derzeit die größte Bedrohung für den Fußball", sagt Ronan Evain vom Fanbündnis Football Supporters Europe vor der UEFA-Entscheidung im Gespräch mit der Sportschau. "Die Regeln sollten verschärft werden, die Verbände müssen ein starkes Signal senden." Evain befürchtet, dass es Klubs auch künftig drauf ankommen lassen und versuchen, mit ihren Strukturen durchzukommen.

"Wir sehen, dass bei einer Reihe der Inhaber von Mehrfachbeteiligungen die Versuchung besteht, das System und die Fähigkeit der UEFA, ihre Regeln durchzusetzen, zu testen", sagte Evain mit Blick auf die aktuellen Beispiele. "Sollten sie Erfolg haben, würden sich die Tore für alle öffnen." Die aktuellen Entscheidungen könnten also zukunftsweisend dafür sein, wie die UEFA ihre Regeln auslegt.

Ronan Evain von Football Supporters Europe (FSE)

Ronan Evain von Football Supporters Europe (FSE)

Klubs wie Chelsea und Manchester City bauen ganze Netzwerke von Klubs

Der Fußballmarkt ist bei den Mehrfachbeteiligungen stark in Bewegung. Mitte Juni 2023 hatte "BlueCo", das amerikanisch geführte Besitzer-Konsortium des FC Chelsea, in Frankreich Racing Straßburg übernommen. Fans aus Straßburg hatten mit Plakaten protestiert: "Straßburg ist nicht Chelsea!" Doch nun gehört ihr Klub denselben Besitzern, denen auch Chelsea gehört. 

Meldungen solcher Übernahmen oder zumindest der Ankauf von Beteiligungen sind mittlerweile Alltag. Die Besitzer des AFC Bournemouth aus der Premier League kauften sich im Januar 2023 beim französischen Erstligisten FC Lorient ein. Die Besitzer des FC Southampton übernahmen den türkischen Zweitligisten Göztepe. Und erst am Montag (26.06.2023) kaufte die Besitzergruppe von AS Rom auch den französischen Drittligisten AS Cannes. In den letzten Jahren entstanden auf diese Weise große Netzwerke. Drei der bekanntesten:  

  • Die City Football Group aus Abu Dhabi mit Manchester City an der Spitze ist beteiligt an oder in Besitz von Lommel SK (Belgien), FC Girona (Spanien), ES Troyes (Frankreich) und FC Palermo (Italien).  
  • Der Red-Bull-Konzern übt Einfluss auf ein Netzwerk von Klubs unter anderem in Salzburg und Leipzig aus.   
  • Der US-Investor 777 Partners hält Kapitalanteile bei Hertha BSC, hat wegen 50+1 aber keine Stimmrechtsmehrheit. 777 gehören aber auch Red Star Paris (Frankreich), FC Genua (Italien), Standard Lüttich (Belgien) und der FC Sevilla (Spanien) ganz oder teilweise. 

Ceferin brachte Neuregelung ins Gespräch

Die Besitzer investieren massiv in die Netzwerke, Geld strömt in den europäischen Klubfußball. "Wir müssen über diese Regeln sprechen", sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin im März 2023 im YouTube-Kanal "The Overlap". "Denn es gibt immer mehr Interesse daran, mehrere Klubs gleichzeitig zu besitzen. Wir sollten zu solchen Investitionen nicht einfach 'nein' sagen." Er schränkte jedoch ein, dass eine Neuregeleung "strikt" sein müsse.  

Eine Anfrage der Sportschau, wie weit Gespräche dazu fortgeschritten sind und möglicherweise bald mit einer Neuregelung zu rechnen sei, kommentierte die UEFA nicht.

Experte: "Die UEFA schlafwandelt in das Problem hinein"

Der britische Journalist Steve Menary recherchiert seit Jahren zu Multi-Club Ownership. "Es fehlt eine starke Regulierung. Die UEFA schlafwandelt in ein riesiges Problem", sagt er im Gespräch mit der Sportschau. Menarys Recherchen aus dem März zufolge befinden sich weltweit mindestens 256 Klubs in Mehrfachbeteiligungen. Er sieht zahlreiche Folgen, die aus den Klub-Netzwerken entstehen:  

  • Transfers innerhalb eines Netzwerks von Klubs einer Mehrfachbeteiligung könnten zu Preisen getätigt werden, die den Bedürfnissen der Investoren entsprechen - und nicht den tatsächlichen Marktwerten. "Das kann beispielsweise helfen, Steuern zu sparen oder Regeln des Financial Fairplay auf dem Papier einzuhalten", sagt Menary. 
  • "Klubs werden möglicherweise zu Farmteams degradiert, wenn sie in der Pyramide eines Netzwerks ihre besten Spieler nach oben abgeben müssen", sagt Menary. Diese Klubs liefern dann Spieler zu oder bieten Ausbildungsplattformen für die großen Klubs, statt sich selbst zu entwickeln. 
  • Die Integrität des Wettbewerbs wird beschädigt, wenn Klubs derselben Besitzer im selben Wettbewerb oder sogar gegeneinander spielen. "Dann könnte für Fans der Eindruck entstehen, dass Manipulation möglich ist." 
  • Eine weitere mögliche Folge sei eine Vergrößerung der Lücke zwischen west- und osteuropäischen Klubs. "Kaum einer der Investoren geht in den osteuropäischen Fußball. Das liegt meist daran, dass sie die Stadien nicht mitkaufen können, die dort oft in kommunalem Besitz sind." So aber fließt das Geld nur nach Westeuropa. 

Multi-Club Ownership - neues Problem bei der Klub-WM

Langfristig könnte das Thema auch eines für die FIFA werden. Die Klub-WM wird ab 2025 mit 32 Teams ausgetragen. Dem saudi-arabischen Staatsfonds gehören Newcastle United und mehrere Klubs aus der saudischen Liga - sie könnten bei der WM aufeinandertreffen.