
Fußball | UEFA Champions League: Rettungsanker für große Clubs ab 2024 soll bleiben
In der Diskussion um die Champions-League-Reform unterstützt die Club-Vereinigung ECA weiter die Idee einer Notfallqualifikation für schwächelnde GroßClubs. Für die Bundesliga könnte das ein Problem werden.
Der Beschluss der Reform aus dem April 2021 sieht einen Zugang für zwei Clubs pro Saison auf Grundlage von historischen Ergebnissen vor. Wer in seiner nationalen Liga die Champions League verpasst und nur in der Europa League oder der Conference League gelandet ist, soll trotzdem in der Champions League spielen, wenn er eine gute Position in der Rangliste der vergangenen fünf Jahre im Europapokal hat.
Die Mitgliedsclubs der ECA hätten dem Vorstand "grünes Licht für wichtige Angelegenheiten" gegeben, hieß es in einer Mitteilung nach der ECA-Generalversammlung in Wien am Dienstag (29.03.2022). "Die Mitglieder boten ihre Unterstützung für die neuesten Vorschläge der UEFA und der ECA für das Format der UEFA-Clubwettbewerbe ab 2024 nach der Entscheidung im April 2021 an."
Rettungsnetz für große Clubs
Ein Beispiel: Wird Borussia Dortmund in der Bundesliga nur Tabellenfünfter, dürfte der BVB trotzdem mitspielen, da der Club im Fünf-Jahres-Koeffizienten gut platziert ist - ein Rettungsnetz für große Clubs also. Ligen und Fan-Bündnisse hatten stets Kritik an dem Vorhaben geäußert.
In den Verhandlungen schien sich in den vergangenen Wochen eine Möglichkeit zur Veränderung zu bieten, nachdem UEFA-Präsident Aleksander Ceferin öffentlich von "mehr Plätzen für kleine und mittlere Ligen" gesprochen hatte, die man in der Champions League ab 2024 bieten wolle.
Widerspruch gegen die Regelung von nationalen Ligen
Der europäische Ligenverband European Leagues, in dem auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) organisiert ist, hatte im Reformprozess mit Blick auf die vier neuen Plätze die Teilnahme von mehr nationalen Meistern in der Champions League gefordert. "Wir wünschen uns, dass stattdessen mehr nationale Meister mitspielen", sagte Geschäftsführer Jacco Swart von den European Leagues im Vorfeld der Entscheidung im Gespräch mit der Sportschau. Die Titelträger aus Tschechien, der Türkei, Dänemark oder Schottland beispielsweise spielen derzeit grundsätzlich alle in der Qualifikation.
Für die Ligen ist der Widerspruch gegen die Regelung auch ein Selbstschutz. Das Problem: Ein Teil des Interesses von Fans basiert darauf, wer sich in den Ligen wie der Bundesliga für den europäischen Wettbewerb qualifiziert. Wenn die nationalen Ligen nicht mehr die alleinige Grundlage für die Qualifikation sind, werden sie etwas weniger bedeutsam - und ihre kommerzielle Vermarktung möglicherweise schwieriger.
Eine weitere Sorge: Selbst wenn der Koeffizient als Rettungsnetz für zwei der großen Clubs noch keine riesige Veränderung darstellt, wird dem grundsätzlichen Vorgehen nun die Legitimation verschafft. Bei weiteren Reformen in der Zukunft ist eine Ausweitung dieses Zugangs zur Champions League leichter durchsetzbar.
Eckpunkte der Reform: Mehr Spiele, mehr Clubs, mehr Geld
Die Champions League wird ab 2024 mit 36 statt bisher 32 Teams ausgetragen.
Die vier zusätzlichen Plätze in der Champions League sollen wie folgt verteilt werden:
- Ein Platz geht an den Meister der Qualifikation, der im Fünf-Jahres-Koeffizienten am besten platziert ist.
- Ein Platz geht an das fünftbeste Land der Fünf-Jahres-Wertung (derzeit Frankreich).
- Zwei Plätze gehen an die im Fünf-Jahres-Koeffizienten am besten platzierten Clubs, die sich für einen europäischen Wettbewerb, nicht aber für die Champions League qualifiziert haben - das war der strittige Punkt.
Nur ein Detail wurde zuletzt geändert: Ein Tabellensechster soll nicht in die Champions League einziehen können, wenn der Fünfte nur für die Europa League berechtigt ist.
Platz | Club | Punkte |
---|---|---|
1 | Bayern München | 136 |
2 | Manchester City | 127 |
3 | FC Liverpool | 124 |
4 | FC Chelsea | 118 |
5 | Real Madrid | 115 |
6 | Paris Saint-Germain | 112 |
7 | FC Barcelona | 109 |
8 | Juventus Turin | 107 |
9 | Manchester United | 105 |
10 | Atlético Madrid | 101 |
11 | FC Sevilla | 89 |
12 | AS Rom | 88 |
13 | Tottenham Hotspur | 83 |
14 | Ajax Amsterdam | 82,5 |
15 | Arsenal | 80 |
16 | Porto | 79 |
17 | Borussia Dortmund | 78 |
18 | RB Leipzig | 76 |
19 | Olympique Lyon | 72 |
20 | Villarreal | 71 |
Der grundsätzliche Modus sieht nach jetzigem Stand ab 2024 so aus:
- Es gibt zehn statt sechs Spieltage und insgesamt 100 Spiele zusätzlich.
- Alle 36 Teams spielen vor dem Achtelfinale in einer Tabelle, es gibt keine Gruppen mehr.
- Die besten acht Teams der Gesamttabelle erreichen das Achtelfinale.
- Die 16 folgenden Mannschaften tragen eine Playoff-Runde um die anderen acht Plätze im Achtelfinale aus.
- Danach soll es bis zum Finale weitergehen wie bisher.
Fan-Organisationen mit klarer Haltung gegen den Koeffizienten
Das europäische Fanbündnis "Football Supporters Europe" (FSE) sprach sich stets gegen die Qualifikation über den Koeffizienten aus und teilte in einem Aufruf zum Schutz des "europäischen Sportmodells" mit, dass dieses auch "auf der Qualifikation für europäische Wettbewerbe durch Erfolg im eigenen Land" beruhe.
Organisationen aus Deutschland stellten ebenfalls deutliche Forderungen. Die Reform müsse zurückgenommen werden "und unter Einbezug von Fans" ein neuer Prozess gestartet werden, hieß es nach dem UEFA-Beschluss in einer Erklärung, die zahlreiche deutsche Organisationen wie "Pro Fans" oder "Unsere Kurve" unterzeichneten.
Dem widerspricht die europäische Club-Vereinigung ECA-Geschäftsführer Charlie Marshall wies im September den Ansatz zurück, dass der Koeffizient keine sportlichen Leistungen widerspiegele. Leistungen im Europapokal seien selbstverständlich sportliche Leistungen. "Dahinter steckt eine Logik. Das Konzept stützt sich auf alle europäischen Wettbewerbe", sagte Marshall. "Das Gesamtpaket bleibt aus unserer Sicht sinnvoll." Am Dienstag lobte ECA-Vorstandsmitglied Aki Riihilahti (HJK Helsinki) den Beschluss. "Das Gesamtbild" des künftigen Modus sei gut.
Weitere Streitpunkte der Reform bleiben
Neben der Qualifikation über den Koeffizienten gibt es zwei andere Streitpunkte zwischen Ligen, Clubs und UEFA.
1. Zahl der Spiele und Spieltage: Der Kalender ist voll, jeder Termin wird auch für nationale Wettbewerbe gebraucht. Die Champions League könnte mit ihren 100 zusätzlichen Spielen und vier weiteren Spieltagen den nationalen Ligen außerdem Fernsehgeld abgraben, wenn TV-Sender mehr Geld in die Champions League stecken, ähnliches gilt für Sponsoren.
Der neue Modus sieht zehn Vorrundenspieltage vor, er wäre aber auch mit acht oder sechs möglich. Da die UEFA zuletzt die Fernsehrechte teuer verkaufte, wird es schwer, hier noch Veränderungen herbeizuführen. Auch wenn nach Informationen der Sportschau hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
2. Gleichmäßigere Geldverteilung: Von den derzeit rund 3,5 Milliarden Euro hohen Gesamteinahmen der europäischen Clubwettbewerbe werden jeweils vier Prozent als Solidaritätszahlungen an die Clubs ausgeschüttet, die nicht mitspielen. Die aktuelle Einnahmenverteilung befeuert nach Ansicht der European Leagues die finanzielle Ungleichheit und die Langeweile in den nationalen Ligen wie in Deutschland bei Dauer-Meister Bayern München.
Die Einnahmen durch den neuen TV-Vertrag ab 2024 erhöhen sich deutlich auf geschätzte fünf Milliarden pro Saison. Die Verteilung dieses Geldes wird daher ein Streitpunkt bleiben und ist noch nicht ausververhandelt. Die UEFA hatte 2020 versprochen, sie werde "Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die finanzielle Solidarität noch mehr Vereinen, die nicht an UEFA-Clubwettbewerben teilnehmen, zugutekommt."
Zeitraum | Euro |
---|---|
2000 - 2003 | 1.852.500.000 |
2003 - 2006 | 1.449.400.000 |
2006 - 2009 | 2.006.500.000 |
2009 - 2012 | 3.214.800.000 |
2012- 2015 | 4.053.300.000 |
2015 - 2018 | 6.021.400.000 |
2018 - 2021 | 7.785.000.000 |
2021 - 2024 | 9.105.000.000 |
2024 - 2027 | 15.000.000.000* |
*geschätzt
Der Weg zur Reform: ECA wollte 2019 eine fast geschlossene Liga
Als der Prozess 2019 begann, wollte die ECA zunächst etwas ganz anderes: Ihr damaliger Vorsitzender Andrea Agnelli, Präsident von Juventus Turin, legte Maximalforderungen auf den Tisch, die eine fast geschlossene europäische Liga mit nur noch geringem Bezug zu nationalen Ligen vorsah. Im Gespräch waren auch Spiele am Wochenende, das bislang den Ligen gehörte. Der Kompromiss, um all das zu abzuwenden, ist die aktuelle Reform.

Andrea Agnelli
Glücklich waren damit aber auch einige der ganz großen Clubs offensichtlich nicht. In der Nacht vor dem Beschluss der Reform gründeten zwölf Clubs von ihnen die Super League, die 48 Stunden später wieder Geschichte war. Real Madrid, der FC Barcelona und Juventus Turin halten bislang an dem Vorhaben fest, die anderen Clubs haben sich zumindest öffentlich von der Super League abgewendet, ein Rechtsstreit ist offen.