Fußball | Bundesliga Ginter, Kempf und Co. - Spielergewerkschaft kritisiert Vereine

Stand: 21.01.2022 11:04 Uhr

Matthias Ginter soll nach dem Willen der Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach noch im Januar wechseln. Kein Einzelfall - die Spielergewerkschaft kritisiert die Vereine.

Matthias Ginter hat 279 Bundesligaspiele und 46 Länderspiele für die Nationalmannschaft absolviert - und entsprechend viel erlebt. Die vergangenen Tage waren aber auch für ihn nicht alltäglich. Im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen saß er nur auf der Bank, obschon er fit war. Das war ihm in viereinhalb Jahren in Gladbach zuvor nie passiert. Für ihn spielte der frisch verpflichtete Marvin Friedrich.

Im Pokal unter der Woche in Hannover spielte Ginter dann wieder von Beginn an. "Wir haben auch andere Wechsel vorgenommen", sagte Trainer Adi Hütter lapidar. Hängenbleiben dürfte aber der Satz, den der Coach nach der Leverkusen-Partie zur Nicht-Nominierung Ginters gesagt hatte. "Wir haben uns entschlossen, in die Zukunft zu investieren", sagte Hütter.

Mit der Zukunft meint Hütter den Sommer dieses Jahres. Spätestens dann wird der 28-jährige Ginter die Borussia ablösefrei verlassen. Es sei denn, Gladbach findet noch bis zum Ende des Transferfensters am 31. Januar einen Abnehmer. "Jetzt hat der Spieler die Entscheidung, was möchte er machen", sagte Sportdirektor Max Eberl nach der Niederlage gegen Leverkusen. 

Stammplatz als Argument für die WM in Katar

Das mit der Entscheidungsfreiheit für den Spieler ist allerdings eine diskutable Ansicht. Ginters Optionen sind: den Rest der Zeit nicht als Stammspieler verbringen - oder noch im Januar wechseln. Der 28-Jährige möchte bei der WM in Katar im Winter dabei sein - ein Stammplatz auf der Bank für den größten Teil der Rückrunde ist da kein besonders starkes Argument.

"In der Praxis kommt es leider relativ oft vor, dass Spieler aus wirtschaftlichen Interessen von Klubs und Spielervermittlern unter Druck gesetzt werden. Sie werden damit zum Spielball in einem Spiel, das sie selbst kaum beeinflussen können", sagt Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VDV), zur Sportschau.

Die Gladbacher Sicht hält er wirtschaftlich für nachvollziehbar: "Es gehört zum Geschäftsmodell zahlreicher Klubs, Spieler möglichst billig einzukaufen, um sie später teuer zu verkaufen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Spieler dazu gedrängt werden, frühzeitig Verträge bei ihren Klubs zu verlängern oder ihre Klubs vor Vertragsende zu verlassen."

Corona wirbelt Gladbacher Geschäftsmodell durcheinander

Das von Baranowsky angesprochene Geschäftsmodell haben Mönchengladbach und Sportdirektor Eberl im vergangenen Jahrzehnt sehr erfolgreich praktiziert. Granit Xhaka zu Arsenal London, Thorgan Hazard zu Borussia Dortmund und Jannik Vestergaard zum FC Southampton - viele Spieler wurden nach ein paar Jahren am Niederrhein mit hohem Gewinn abgegeben.

Gleiches sollte im vergangenen Sommer passieren - mit Ginter und seinem Mannschaftskollegen Denis Zakaria. Die Variable, die alles durcheinanderwirbelte, heißt Corona. Im vergangenen Sommer war auch der europäische Transfermarkt in Quarantäne. Für Ginter und Zakaria gab es schlicht kein Angebot, weil potenziell interessierte Vereine sparen mussten.

Auch Stuttgarts Kempf nur auf der Bank

Der Nationalverteidiger ist aktuell der prominenteste Fall, aber nicht der einzige: Auch Stuttgarts Marc-Oliver Kempf wurde in der Partie gegen RB Leipzig nicht berücksichtigt, auch ihn würden die Schwaben gerne noch im Januar loswerden. Trainer Pellegrino Matarazzo begründete die Nichtberücksichtigung von Kempf mit "sportlichen Gründen". Und schob dann nach, dass es eine "gewisse Unklarheit" gebe, "was seine vertragliche Situation angeht".

Für Baranowsky ein schwieriges Argument: "Es ist nicht fair, einen Arbeitnehmer dafür zu kritisieren, dass er seinen Arbeitsvertrag erfüllt. Es ist völlig legitim, wenn ein Spieler bis zum Vertragsende bei seinem Klub bleiben möchte. Bis zu diesem Tag hat er grundsätzlich einen Anspruch auf Teilnahme am Spiel- und Trainingsbetrieb der Profimannschaft."

Barcelona setzt Dembélé vor die Tür

Für Aufsehen sorgt dieser Tage auch der Fall des ehemaligen Dortmunders Ousmane Dembélé. Der FC Barcelona trennte sich am Donnerstag vom 2017 für 140 Millionen Euro verpflichteten Franzosen, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Nach Vereinsangaben habe Dembélé weder seinen Vertrag verlängern noch zu einem neuen Verein wechseln wollen. Dembélé selbst spricht von Erpressung.

Für Barca steht viel auf dem Spiel: Der Klub hat dem Vernehmen nach Schulden in Höhe von 1,35 Milliarden Euro. Verglichen damit sind die finanziellen Verlustängste in Gladbach Petitessen.