Fußball | Bundesliga Max Eberl - Einfach mal keine Fragen stellen

Stand: 28.01.2022 21:19 Uhr

Max Eberls emotionale letzte Pressekonferenz als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach ist auch eine Chance für die Medien, ihr Tun zu hinterfragen. Ein Kommentar.

Von Christian Steigels

Die letzte Pressekonferenz von Max Eberl als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach war eine besondere. Besonders deshalb, weil der 48-Jährige nicht nur für die Branche ungewöhnlich offen und emotional über seinen Abschied sprach. Über seine Gründe dafür, über die seelische Belastung, über die Enttäuschung, über die Freude und den Spaß, den er an seinem Job und am Fußball hatte, und der ihm in der vergangenen Zeit zunehmend abhanden gekommen war.

Es waren viele berührende und kluge Sätze dabei, die bleiben werden. Aus den vielen Sätzen bleibt bei mir besonders der haften über die Zeit zwischen den ersten Gerüchten über seinen Rücktritt und der Pressekonferenz am Freitagnachmittag: "Was dann in 24 Stunden daraus gemacht wurde und was alles gesprochen und was alles spekuliert wurde, ist genau das, was mich tatsächlich krank macht", sagte Eberl.

Dieser gleich zu Beginn der Pressekonferenz geäußerte Satz macht mich als Mensch, aber auch als Journalisten betroffen, denn wie in mutmaßlich allen Redaktionen wurde auch bei uns in der Sportschau-Redaktion seit den ersten unbestätigten Gerüchten bis zu seinem tatsächlichen Rücktritt viel gesprochen und mindestens genau so viel spekuliert.

Wann gehen wir mit der Meldung raus? Wann müssen wir mit der Meldung raus, um nicht zu spät zu sein? Haben wir eigene Informationen, wie stehen wir im Vergleich zu konkurrierenden Medien da? Was sind die wahren Gründe für Max Eberls Abschied? Wo wechselt er hin? Nach Leipzig, oder doch nach München, zum Rekordmeister, der so lange um ihn buhlte?

Und dann sitzt da ein Mensch bei der Pressekonferenz, der einfach nur traurig ist, ausgebrannt, gezeichnet. Der ständig von seinen Tränen überrumpelt wird. Der davon berichtet, dass er das, was sein Leben war, beendet. Und der sagt, dass er einfach nicht mehr kann.

Und was passiert: Fast alle anwesenden Journalisten stellen ihren Fragen pflichtbewusste gute Wünsche an Eberl voran – um dann die Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach danach zu fragen, wie es nun weitergeht, wer auf Max Eberl folgt, wie viel Zeit man sich gibt bei der Suche nach einem Nachfolger.

Das kann man als journalistische Sorgfaltspflicht sehen. Oder als fehlendes Taktgefühl und fehlende Sensibilität. Einfach mal keine Fragen stellen, einfach mal innehalten, einfach mal die üblichen Reflexe für den Moment unterdrücken, stattdessen schlichte Anteilnahme – das wäre der Situation angemessen gewesen. Schon klar, das ist viel verlangt, vielleicht auch zu viel. Und doch einen Gedanken wert.

Die letzte Pressekonferenz von Max Eberl als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach war eine besondere. Weil er mutig über ein Thema gesprochen hat, das im Leistungssport immer noch zu wenig Aufmerksamkeit erfährt. Aber eben auch, weil es die nächste Chance für einen von Geschwindigkeit und Wettbewerb getriebenen Journalismus ist, das eigene Tun und das dahinter liegende Wertesystem zu hinterfragen. Es ist nicht die erste Chance, und es wird nicht die letzte sein.