Coronamaske auf Zuschauerplatz

Staat fordert Geld zurück Aus Coronahilfen wird eine Belastung - Klubs klagen

Stand: 25.01.2024 08:35 Uhr

Die "Coronahilfen Profisport" haben Vereine vor der Insolvenz gerettet. Heute bereiten sie vielen Klubs aber wirtschaftliche Probleme, denn es stehen Rückzahlungen an. Etliche Fälle sind schon vor Gericht gelandet, es könnten noch mehr werden.

Das Coronavirus SARS-CoV 2 sorgt weiter für gut gefüllte Wartezimmer in Arztpraxen und belegte Krankenhausbetten. Weiter werden auch die Inzidenzen ausgewertet. Sachsen, Hamburg und Bayern weisen in der vierten Woche des Jahres 2024 relativ betrachtet die höchsten Zahlen an Neuinfektionen auf, aber in die Schlagzeilen schaffen es die Werte schon lange nicht mehr.

Das Leben mit dem Virus und der möglichen Erkrankung ist normal geworden, etwa vier Jahre nachdem SARS-CoV 2 entdeckt und zum riesigen globalen Problem wurde. Etwa sieben Millionen Menschen starben bis heute an Corona. Der wirtschaftliche Schaden ist immens, viele Branchen leiden noch heute darunter.

19 Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln anhängig

Auch der deutsche Profisport kämpft weiter mit den Folgen der Pandemie. Das führt zu juristischen Streitigkeiten. Vor dem Verwaltungsgericht Köln laufen 19 Klageverfahren von Vereinen aus verschiedenen Sportarten, die sich gegen Rückforderungen von staatlichen Hilfen wehren. Das teilte ein Sprecher des Bundesverwaltungsamtes (BVA) auf Anfrage der Sportschau mit. Das BVA sitzt in Köln, daher ist das dortige Verwaltungsgericht für die Verfahren zuständig.

Über das BVA gewährte der Staat für die Jahre 2020 bis 2022 die "Coronahilfen Profisport". Die Subventionen sollten Verluste mindern oder ausgleichen, die vor allem durch fehlende Einnahmen aus Verkäufen von Eintrittskarten entstanden waren.

Etwa 165 Millionen Euro Coronahilfen wurden ausgezahlt

Auf seiner Homepage führt das BVA detailliert nach Sportarten auf, wie viel Geld in den jeweiligen Jahren beantragt, bewilligt, ausgezahlt und von den Vereinen erstattet wurde. Die beantragten Hilfen summieren sich bei den Ticketausfällen auf mehr als 200 Millionen Euro, ausgezahlt wurden etwa 165 Millionen. Hinzu kommen knapp sechs Millionen Euro ausgezahlte Coronahilfen für sonstige Verluste.

Antragsberechtigt waren laut BVA "Sportvereine und Unternehmen im professionellen und semiprofessionellen Wettbewerb", die mit wenigstens einer Mannschaft in einer der höchsten drei jeweiligen Ligen vertreten waren. Ausgenommen waren Fußballvereine mit Männermannschaften aus dem Bereich der DFL, also aus Bundesliga und Zweiter Liga.

Coronahilfen für Ticketausfälle (ausgewählte Sportarten)
Sportart beantragt (in Mio. €) ausgezahlt
Handball 41,1 36,9
Eishockey 54,7 47,4
Basketball 32,4 29,9
Fußball 27,9 23,1
Reitsport 5,1 0,7
American Football 3,6 3,36
Boxen 0,2 0
Hockey 0,12 0,03

Die Coronahilfen retteten viele Vereine vor der Insolvenz. Mit einiger Verzögerung sorgen sie aber nun erneut für wirtschaftliche Probleme, denn es stehen Rückforderungen an, die sich aus den Schlussabrechnungen ergaben. Vereine müssen Geld an den Staat zurückzahlen, wenn sie in den betreffenden Zeiträumen Gewinne gemacht haben, sie also auch dank der Coronahilfen mehr eingenommen als ausgegeben haben.

Einer der Klubs, die vor dem Verwaltungsgericht Köln klagen, ist die HSG Wetzlar. Der Handball-Bundesligist aus Hessen akzeptierte eine Rückzahlung für das Jahr 2021 in Höhe von etwa 400.000 Euro. Jene 300.000 Euro, die das BVA für 2020 fordert, will die HSG aber nicht zurückzahlen, weil sie eine andere Rechnung für das Geschäftsjahr als das Bundesamt aufmacht.

Vielzahl der Kläger nicht bekannt

Der anhängige Fall ist bekannt, weil der Handballklub ihn öffentlich bestätigte. Auch die Dresden Monarchs, American Footballer aus der höchsten Liga, gingen mit ihrer Klage offen um. Wer die anderen Vereine oder Unternehmen sind, die am Verwaltungsgericht Köln den Streit mit dem Staat aufnahmen, ist nicht bekannt. "Wir bitten um Verständnis, dass wir zu laufenden Klageverfahren inhaltlich keine Auskunft geben können, ohne Datenschutzvorschriften zugunsten der Betroffenen zu verletzen", teilte das BVA auf Anfrage der Sportschau mit. Auch das Verwaltungsgericht gab keine Auskunft.

BBC Bayreuth mit Widerspruch: Es geht um etwa 300.000 Euro

Möglicherweise wird auch der BBC Bayreuth bald als Kläger auftreten. Bislang legte er nur Widerspruch beim BVA ein gegen einen Rückforderungsbescheid über etwa 300.000 Euro ein, der ihm im Oktober 2023 zugestellt wurde. Der Basketball-Zweitligist wehrt sich gegen die Zahlung, weil sie "aus unserer Sicht dem Zweck der Profisporthilfe entgegensteht", sagte Geschäftsführer Friedrich Hartung im Gespräch mit der Sportschau.

Die unterschiedlichen Auffassungen von Klub und BVA resultierten auch in den Bedingungen, die sich im Lauf der Pandemie häufiger geändert hätten. So sei zunächst der Zeitpunkt des Mittelzuflusses für den Eintrag in die Bücher relevant gewesen, dann der Zeitpunkt der Antragstellung, dann der Zeitraum, für den der Antrag gestellt worden sei. Dies hätten Planung und Bildung einer entsprechenden Rückstellung erschwert.

Schwierige Buchführung

Schon während der Pandemie hatten gerade kleine Vereine über die Bürokratie und schwierige Buchführung geklagt. Geschäftsjahre von Sportvereinen beginnen meistens am 1. Juli und enden entsprechend am 30. Juni des Folgejahres. Das BVA ging aber bei seinen Abschlussrechnungen streng nach dem Kalenderjahr vor.

"Wir schreiben im laufenden Geschäftsjahr noch einen Verlust, und das ist durchaus noch eine Spätfolge von Corona", sagte Hartung, der den BBC Bayreuth seit Mitte 2023 führt. In der vergangenen Saison stieg der Klub nicht nur nach 13 Jahren aus der Bundesliga ab, er hatte auch den Ausstieg des Hauptsponsors und Namensgebers "medi" zu verkraften. Seitdem das Bayreuther Unternehmen, das Medizinprodukte vertreibt, sich zurückzog, heißt der Klub wieder BBC.

Das Ziel, einen Etat von mindestens zwei Millionen Euro stemmen zu können, sei zwar erreicht worden, "aber die drei Millionen werden wir nicht knacken", so Hartung. Die Rückstellung von 293.000 Euro, die der Klub wegen der Forderung des BVA erbringen müsse, stelle damit mehr als zehn Prozent des Etats und damit ein großes Problem dar.

"Wir haben überhaupt keine Planungssicherheit", klagte Hartung zudem. Stand 24. Januar 2024 habe er wegen des eingelegten Widerspruchs noch nichts vom BVA gehört. Sollte auch der BBC Bayreuth vor das Verwaltungsgericht Köln ziehen, kann es lange bis zu einer Entscheidung dauern. Zwar hat das BVA den betroffenen Vereinen Ratenzahlungen in Aussicht gestellt, aber es fallen möglicherweise auch Zinsen an.

Rückforderungen Coronahilfen Profisport
Sportart Rückforderungen (in Mio. €) erstattet offen
Basketball 2,76 1,51 1,25
Eishockey 4,00 1,09 2,91
Handball 3,36 1,28 2,08

Verweis auf "schwebende Verfahren"

Die Sportschau fragte alle Klubs aus den Sportarten Handball, Eishockey und Basketball, die zwischen 2020 und 2023 in der jeweils höchsten Liga spielten, nach Coronahilfen und möglichen Rückzahlungen an. Einige Klubs antworteten nicht, viele verwiesen auf Geschäftsgeheimnisse, manche deuteten mit dem Verweis auf ein schwebendes Verfahren immerhin an, dass sie in einer juristischen Auseinandersetzung mit dem BVA oder dem Staat vor dem Verwaltungsgericht Köln stecken.

Giessen 46ers: "Rückzahlung aus Cashflow wäre existenzbedrohend"

Als auskunftsfreudig erwiesen sich die JobStairs Giessen 46ers. Der Basketballklub aus der 2. Liga legte ebenfalls beim BVA Widerspruch gegen die Rückzahlung ein und ist froh, dass der aufschiebende Wirkung hat. Bis zur endgültigen Klärung kann der Traditionsklub somit für den schlechtesten Fall sparen. Sollte das BVA zeitnah auf der vollständigen Rückforderung bestehen und die 46ers nicht vor Gericht ziehen, könnte es das für den fünfmaligen deutschen Meister gewesen sein.

Geschäftsführer Jonathan Kollmar sagte: "Die Rückzahlung aus dem operativen Cashflow zu leisten, ist Vereinen unserer Größenordnung nicht möglich. Sollte das BVA trotzdem darauf bestehen, wäre das existenzbedrohend." Gut 15 Prozent des Gesamtetats mache die Rückforderung des BVA aus.

Wie der BBC Bayreuth bemängelte auch er die Schwierigkeiten, die durch die sich ändernden Bedingungen bei der Beantragung von Coronahilfen entstanden seien. Zudem zweifelte er den Sinn der "Hilfen" zur Rettung von Profiklubs an, wenn sie letztlich buchhalterisch wie Einnahmen aus normalem Geschäftsbetrieb bewertet werden. Das Problem sei somit teilweise nur in die Zukunft verschoben worden.

"Das ist Subventionsbetrug"

In vertraulichen Gesprächen mit Funktionären war zu hören, dass manche Klubs der Gefahr der Rückzahlung entgegengewirkt haben. So wären die Hilfen während der Pandemie ausgegeben worden, um Gewinne zu vermeiden. Verträge etwa seien abgeschlossen und Gehaltszahlungen schon im Voraus geleistet worden.

Auf die Frage, warum der BBC Bayreuth seine Bilanz nicht mit einem solchen oder ähnlichen Modell in einen Verlust gedreht habe, sagte dessen Geschäftsführer Friedrich Hartung: "Das ist Subventionsbetrug."