Reaktionen Urteil gegen Griner - "Prozess nie rechtmäßig verlaufen"

Stand: 05.08.2022 14:49 Uhr

US-Basketballstar Brittney Griner muss in Russland für neun Jahre in Haft. Das Urteil ist in den USA mit Entsetzen aufgenommen worden. Die Politik will sich weiter um Griners Freilassung bemühen.

Ob es Zufall war oder womöglich Teil einer politisch motivierten Inszenierung: Das Gericht in Moskau hatte sein Urteil gegen die US-Basketballerin Brittney Griner am Donnerstagabend (04.08.2022) verkündet. Kurz bevor Griners Team, Phoenix Mercury, in der WNBA gegen Connecticut Sun antreten sollte.

Brittney Griner hofft auf Gefangenenaustausch

Sportschau

Das Team verfolgte die Verkündung des Urteils gegen ihre Mitspielerin, neun Jahre Straflager wegen Drogenbesitzes, beim Aufwärmen vor der Partie. Die Spielerinnen beider Teams stellten sich im Mittelkreis auf, hakten die Arme ineinander und schwiegen für 42 Sekunden, in Anlehnung an Griners Rückennummer. Danach riefen sie: "Bring her home" - "Bringt sie nach Hause".

"Niemand von uns wollte heute eigentlich spielen. Alle von uns haben vor der Partie geweint", erklärte Griners Mitspielerin Skylar Diggins-Smith. "Aber wir müssen weiterhin versuchen, ihren Geist am Leben zu halten."

Phoenix-Trainerin Nygaard: Keine Hoffnungen ins russische Justizsystem

"Wir wussten, dass dies passieren würde, wir waren darauf vorbereitet", sagte Phoenix-Trainerin Vanessa Nygaard: "Wir haben unsere Hoffnungen nicht in das russische Justizsystem gesetzt."

"Wir wissen, dass der Prozess, der unsere Freundin nach Hause bringen sollte, nie rechtmäßig verlaufen ist", schrieb der Klub in einer offiziellen Mitteilung. Man sei "untröstlich", gleichzeitig sei das Vertrauen in die Beamten groß, "die jeden Tag daran arbeiten, sie zu ihrer Familie und uns zurückzubringen".

Griner-Agentin: "Als politische Schachfigur benutzt"

"Ich liebe meine Familie", sagte Griner, nachdem sie in Handschellen aus dem Gerichtssaal in Chimki geführt wurde. "Die Verurteilung beweist, was wir die ganze Zeit gewusst haben, dass Brittney als politische Schachfigur benutzt wird", twitterte ihre Agentin Lindsay Kagawa Colas.

Die Basketball-Profiligen WNBA und NBA reagierten mit deutlicher Kritik auf das Urteil. Die gegen Griner verhängte Haftstrafe sei "ungerecht und bedauerlich", teilten die beiden Ligen in einer gemeinsamen Erklärung mit. Das Urteil sei "vorhersehbar" gewesen, dennoch bleibe die 31-Jährige "zu Unrecht" inhaftiert, hieß es weiter. Die NBA hält auch Anteile an der WNBA, beide Ligen kündigten an, sich weiter "unvermindert für eine sichere Rückkehr" der Amerikanerin in die USA einzusetzen. Es bleibe die Hoffnung auf ein baldiges Ende.

"Was passiert nun wirklich mit unserer Königin?", schrieb auch NBA-Star Kyrie Irving bei Twitter und richtete diese Frage an den US-Präsidenten Joe Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris. "Bitte gebt uns ein Update!"

US-Präsident Biden: Urteil gegen Griner "inakzeptabel"

US-Präsident Biden hatte die Entscheidung vom Donnerstag in einer ersten Reaktion "inakzeptabel" genannt. Das Anwaltsteam der Starspielerin hatte unmittelbar nach dem Urteil angekündigt, in Berufung zu gehen, die Chancen für eine merkliche Reduzierung der Haftstrafe dürften jedoch schlecht stehen.

Die US-Regierung hatte aber schon vor der Urteilsverkündung Bemühungen auf diplomatischer Ebene um Griners Freilassung aufgenommen. Schon kurz nach Bekanntwerden der Festnahme gab es erste Stimmen aus der US-Politik, dass das Verfahren gegen Griner politisch motiviert sei. Moskau wehrte sich gegen Einmischungen aus der US-Politik und gegen Vorwürfe, Griner werde politisch instrumentalisiert, als Antwort auf die umfassenden Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine.

US-Präsident Biden hatte Anfang Juli, auch gegenüber Griners Ehefrau Cherelle, versprochen, dass die US-Regierung alle Möglichkeiten ausschöpfen werde, um Griner nach Hause zu holen.

Spekulationen über Gefangenenaustausch

Schon vor dem Urteil hatte es in großen US-Medien wie der "New York Times" konkrete Spekulationen gegeben, dass als einzige Möglichkeit wohl nur ein Gefangenenaustausch bliebe, um Griner aus der russischen Haft zu befreien. Angesichts von Griners Prominenz, sie ist einer der Topstars der WNBA, kursierten dabei Namen wie die des Waffenhändlers Viktor Bout oder des Hackers Roman Seleznev, beide in den USA zu hohen Haftstrafen verurteilt, die im Austausch gegen Griner zurück nach Russland geschickt werden könnten.

Moskau sei "bereit, über das Thema zu sprechen", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einer Pressekonferenz bei einem Besuch in Kambodscha, ohne jedoch konkreter zu werden. Nach Angaben aus US-Regierungskreisen läge auch bereits seit Wochen ein Angebot über einen möglichen Gefangenenaustausch bereit, wie das ARD-Studio Washington berichtet.

Diskussion um Cannabis als Schmerzmittel im US-Sport

Die zweimalige Olympiasiegerin war im Februar noch vor der russischen Invasion in die Ukraine am Moskauer Flughafen Scheremetjewo festgenommen worden, nachdem Sicherheitskräfte in ihrem Gepäck Vape-Kartuschen mit Cannabis-Öl gefunden hatten. Griner hatte sich vor Gericht hinsichtlich des Besitzes von Cannabis für schuldig bekannt, sich aber damit verteidigt, dass sie eine ärztliche Empfehlung hatte, Cannabispräparate zur Behandlung gegen Schmerzen einzusetzen.

In der Tat ist Cannabis als Schmerzmittel im US-Sport recht verbreitet. In vielen Ligen, auch in der WNBA, ist die Einnahme weiterhin untersagt. Allerdings gab es zuletzt verstärkt Bestrebungen über eine mögliche Freigabe, angestoßen von prominenten Basketballern wie Kevin Durant oder dem früheren NFL-Profi Eugene Monroe. Die NFL hatte bereits 2020 die strikten Auflagen gelockert, die Einnahme von Cannabis in kleinen Mengen wird seitdem nicht mehr bestraft.

ARD-Expertinnen über das Urteil gegen Brittney Griner

Tagesthemen, 04.08.2022 22:15 Uhr

Griner in Russland - die Gehälterproblematik in der WNBA

Eine der höchstdekorierten US-Basketballerinnen wird auf einem Flughafen in Moskau festgenommen - wie konnte es überhaupt dazu kommen? Die US-Profiliga WNBA gilt, ebenso wie die NBA bei den Männern, als beste Basketball-Liga der Welt. Allerdings nicht unbedingt, was die Verdienstmöglichkeiten angeht.

Das Maximalgehalt wurde zwar nach den jüngsten Tarifverhandlungen angehoben, auf 230.000 Dollar. Weil die Saison in der WNBA zudem nur vier Monate dauert, meistens von Mai bis August, zieht es viele Top-Spielerinnen danach ins Ausland, wo sie zum Teil auch deutlich mehr verdienen können - bei russischen Topklubs wie Jekaterinburg sogar angeblich mehr als eine Million Dollar.

Dorthin verschlug es auch Griner, die schon 2015 erstmals beim russischen Top-Klub anheuerte. Rund 70 Spielerinnen aus der WNBA waren nach dem Ende der vergangenen Saison außerhalb der USA aktiv. Ein Dutzend von ihnen hatte einen Vertrag bei Klubs in Russland und der Ukraine, nach dem Beginn der russischen Angriffe waren sie in die USA zurückgekehrt - bis auf die inhaftierte Brittney Griner.

Griners Fall hat auch die WNBA und ihre Gehaltspolitik unter Zugzwang gebracht: Die Liga kündigte bereits an, die Auslands-Engagements von Spielerinnen künftig stärker einschränken zu wollen. Und signalisierte zugleich Bereitschaft, die Gehälter anzuheben, damit ein Auslandsengagement für die Spielerinnen weniger verlockend wird. Und sie künftig auch nicht mehr Gefahr laufen, zwischen politische Fronten zu geraten.