Deutschlands Dennis Schröder (l.), Niels Giffey

EM-Auftaktsieg für DBB-Team Eine Gala auf Bestellung

Stand: 02.09.2022 16:30 Uhr

Die deutschen Basketballer feiern einen rauschhaften Auftakt bei der Heim-EM. Beim Sieg gegen Frankreich am Donnerstagabend (01.09.2022) stehen nicht die NBA-Spieler im Fokus, sondern die starke, geschlossene Leistung des Teams. Die entfachte Euphorie will die Mannschaft um Dennis Schröder nun mit ins weitere Turnier zu nehmen, schon am Samstag wartet mit Bosnien-Herzegowina die nächste schwere Aufgabe.

Von Christian Mixa, Köln

So dürften sich die Verantwortlichen beim Deutschen Basketball-Bund (DBB) das ausgemalt haben, als sie die große Eröffnung der EM im eigenen Land planten: Erst wird Dirk Nowitzki, der größte deutsche Basketballer überhaupt, geehrt. Das Trikot mit der Nummer 14 wird unter das Hallendach gefahren, dazu wird noch einmal gemeinsam in Erinnerungen geschwelgt, mit dem Bundespräsidenten und Ehrengästen aus der NBA.

Und im Anschluss sorgen Nowitzkis Nachfolger für einen glanzvollen Auftakt auf dem Parkett. Mit einem Sieg gegen Frankreich, einem der ausgewiesenen Turnierfavoriten, der eine Euphorie entfacht, die gerade bei einem Heimturnier Großes bewirken kann.

Dass dies dann wie auf Bestellung eintrat, auch was den sportlichen Teil des Abends angeht, war im Vorfeld nicht unbedingt erwartet worden: Zu unruhig verlief die Vorbereitung der deutschen Mannschaft. Der langjährige Kapitän Robin Benzing wurde früh aus dem Kader gestrichen, NBA-Profi Moritz Wagner meldete sich kurzfristig wegen einer Verletzung für die EM ab. Mit Dennis Schröder und Daniel Theis waren zwei weitere Leistungsträger angeschlagen und mussten während der Vorbereitung pausieren.

Auftaktsieg für DBB-Team in der "Todesgruppe"

Vor dem EM-Auftakt war vor allem von der "Todesgruppe" (Bundestrainer Gordon Herbert) die Rede und der Stärke der Gegner, allen voran den Franzosen um NBA-Hünen Rudy Gobert. Doch als hätten sie nur darauf gewartet, wischte das deutsche Team beim 76:63-Auftaktsieg gegen Frankreich alle Skepsis beiseite: mit einer vor allem in der Defensive herausragenden Leistung. Und nach anfänglicher Nervosität auch im Angriff mit zunehmender Entschlossenheit, die große Chance auf einen erfolgreichen EM-Auftakt auch zu nutzen.

Die starke, geschlossene Teamvorstellung erklärte Johannes Thiemann im Anschluss auch mit der komplizierten Vorbereitung, das Team sei dadurch noch ein Stück mehr zusammengewachsen. "Jeder stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Das ist das, was uns auszeichnet. Wir sind tief besetzt. Und wir haben auch aus der Vergangenheit gelernt", sagte Thiemann und meinte damit auch die enttäuschten Erwartungen bei den vergangenen großen Turnieren.

Der Big Man vom deutschen Meister Alba Berlin, schon in der Finalserie zum wertvollsten Spieler gewählt, war der beste Akteur auf dem Parkett: Thiemann kam auf 14 Punkte und sechs Rebounds und packte vor allem in der Verteidigung zu. Nicht nur gegen Gobert, sondern auch gegen Frankreichs Regisseur Evan Fournier, den zweiten NBA-Star, den der schnelle Thiemann nach dem Switchen in der Verteidigung immer wieder übernahm und erfolgreich beim Abschluss störte. Fournier war am Ende mit sieben Punkten ebensowenig ein Faktor wie der früh entnervte Gobert (elf Punkte), der von der deutschen Defensive komplett aus dem Spiel genommen wurde.

Nicht NBA-Spieler glänzen, sondern Thiemann, Lo und Giffey

Vor dem Turnier lag der Fokus bei der deutschen Mannschaft vor allem auf den NBA-Spielern: auf dem oft kritisch beäugten Anführer Schröder, dem jungen Hoffnungsträger Franz Wagner, und vor allem auf dem angeschlagenen Center Theis, der unter dem Korb als unverzichtbar für das Team gilt, aber erst am Vortag des Eröffnungsspiels grünes Licht für einen Einsatz gab.

Doch gegen Frankreich waren es dann andere, die das deutsche Team zum Sieg trugen: 48 Punkte steuerten die Spieler von der Bank bei, die nicht in der Startformation standen. Neben Thiemann glänzte auch Berlins Spielmacher Maodo Lo, eigentlich Back-up für Spielmacher Schröder, der im Anschluss, nach Los entfesseltem Auftritt ankündigte, der Berliner werde der nächste deutsche Spieler, der in die NBA wechselt.

Giffey über Atmosphäre in Köln: "Hat uns gepuscht"

Zu Beginn der zweiten Hälfte schickte der Bundestrainer seine zwei Regisseure Lo und Schröder gemeinsam aufs Parkett - und läutete damit die stärkste Phase beim deutschen Team ein, die dem Spiel letztlich die entscheidende Richtung gab und auch die 18.000 Zuschauer in der Kölner Arena endgültig mitriss.

"Die Halle hat uns immer gepuscht, auch in den schwierigen Phasen", sagte Niels Giffey im Anschluss und schwärmte von der "unglaublichen Atmosphäre". Auch Giffey, der ein schwieriges Jahr bei Zalgiris Kaunas hinter sich hat, gehörte zu den positiven Entdeckungen dieses Spiels, er versenkte drei seiner vier Versuche von jenseits der Dreipunktelinie.

Eröffnung mit Nowitzki beflügelt das DBB-Team

Am Ende ließ sich das DBB-Team auch von der besonderen Atmosphäre des EM-Auftakts tragen, der Rummel um Nowitzki vor dem Spiel schien sie eher zu beflügeln: Nowitzki selbst hatte die Spieler beim Einlaufen auf dem Feld mit High-Fives in Empfang genommen. "Es war heute ein tolles Erlebnis für uns, auch für die Fans", fasste Maodo Lo die Stimmung des Abends zusammen.

Neben dem Sieg gegen einen so hoch gehandelten Gegner sei es vor allem wichtig, dass die Mannschaft eine Identität gezeigt habe, vor allem in der Verteidigung: "Das bringt uns Selbstbewusstsein, auch für den Rest des Turniers, darauf können wir aufbauen", betonte der Berliner und richtete den Blick auch direkt nach vorne: "Wir müssen uns jetzt neu fokussieren und dieses Momentum mitnehmen, das ist klar unser Ziel."

Thiemann warnt vor Bosnien-Herzegowina

Mit Bosnien-Herzegowina wartet am Samstag einer jener Gegner, die im Vorfeld als Pflichtaufgabe angesehen wurden, wenn man in der starken Vorrundengruppe mit Frankreich, Litauen und Slowenien bestehen und das Minimalziel Achtelfinale erreichen möchte. Auch Johannes Thiemann warnte vor einem "sehr gefährlichen Spiel" und erinnerte daran, dass auch die Bosnier in der WM-Qualifikation Frankreich besiegt haben.

Das deutsche Team braucht auch nur in die eigene Historie zu blicken, um sich vor überschäumender Euphorie zu schützen: Bei der EM 2013 hatte das DBB-Team auch einen Sensationsstart gegen die Franzosen um Tony Parker hingelegt, um in der Folge einen kompletten Absturz zu erleben, mit dem Vorrunden-K.o. Niels Giffey, damals schon dabei, glaubt nicht daran, dass dies nun wieder passieren könnte. Das Team sei älter und deutlich erfahrener. "Wir können den tollen Auftakt genießen. Aber der Fokus liegt dann schnell wieder auf den nächsten Spielen."

"Wir dürfen nicht glauben, nur weil wir Frankreich geschlagen haben, haben wir jetzt schon das Turnier gewonnen", sagte auch Johannes Thiemann, Giffeys langjähriger Teamkollege bei Alba. "Das war nur der erste Sieg. Aber wir würden gerne noch ein paar weitere holen."