Brittney Griner (l) von den Phoenix Mercury am Ball im Spiel gegen die LA Sparks

Comeback von Basketballerin Griner nach Haft in Russland Trotz Niederlage eine große Gewinnerin

Stand: 20.05.2023 11:22 Uhr

Die vergangene Saison in der Basketball-Liga WNBA hat Brittney Griner verpasst. Sie saß in Russland im Gefängnis. Nun gab Griner ihr Comeback. Dass sie mit Phoenix Mercury bei den Los Angeles Sparks verlor, war zweitrangig.

Von Heiko Oldörp

Es war, als wäre sie nie weg gewesen. Beim Tipp-Off sprang Brittney Griner am höchsten, sicherte Phoenix Mercury, somit gleich Ballbesitz. Dann wurde die 32-Jährige unterm Korb angespielt, passte hinaus auf die freistehende Moriah Jefferson, die mit einem Dreier zur 3:0-Gästeführung traf. Wenig später baute Griner den Vorsprung mit einem Mitteldistanz-Wurf auf 5:0 aus. “Das war ihr erster Wurfversuch aus dem Feld nach 579 Tagen”, hob "ESPN"-Kommentator Mark Jones hervor.

Das Comeback der Brittney Yevette Griner nach zehn Monaten in russischen Gefängnissen und Gerichtssälen war das dominierende Thema zum Saisonauftakt der Frauen-Profiliga WNBA. Das Gastspiel von Phoenix Mercury bei den Los Angeles Sparks wurde live bei "ESPN" übertragen. Die Sparks-Spielerinnen Chiney und Nneka Ogwumike kamen sogar im Griner-Trikot zur Halle. “Das war ganz besonders heute. Wir kennen sie, seitdem wir zehn Jahre alt sind - und sie hat uns immer inspiriert”, sagte Chiney Ogwumike.

US-Vizepräsidentin Harris im Publikum

Unter den 10.396 Fans in der Arena befanden sich unter anderem “Magic” Johnson, Billie Jean King und Kamala Harris. Die US-Vizepräsidentin hatte die Gäste aus Phoenix noch vor Spielbeginn in der Kabine besucht, sich bei den Spielerinnen bedankt, dass sie “in dieser für Brittney brutalen Zeit” als Team zusammengehalten hatten. Und dass sie immer wieder auf Griners Story durch Tragen von T-Shirts aufmerksam gemacht und die Geschichte so “am Leben gehalten haben".

US-Vizepräsidentin Kamala Harris (r) und Nneka Ogwumike (l) von den Los Angeles Sparks

US-Vizepräsidentin Kamala Harris (r) und Nneka Ogwumike (l) von den Los Angeles Sparks

Sie sei sehr glücklich, “wieder hier zu sein”, meinte Griner nach der 71:94-Niederlage auf der Pressekonferenz. Auf dem Podium sitzend gab sie nicht nur Einblicke in ihre Gefühlswelt, sondern auch in die 294 Tage dauernde Tortur im vergangenen Jahr in Russland. So war sie unter anderem in einer gerade mal 4,5 Quadratmeter großen Zelle eingesperrt. “Das war ein kleiner Käfig, in dem ich nicht so stehen konnte, wie ich wollte”, sagte die 2,06 Meter große Griner. Es sei mitunter schwer gewesen, “die Hoffnung nicht aufzugeben”. Aber dann habe sie immer wieder Briefe von Freunden und auch Fremdem bekommen, die sie aufgemuntert hätten.

Katrin Brand, Katrin Brand, Sportschau, 20.05.2023 10:49 Uhr

Ein Hauch von Hollywood

Griners Geschichte hatte etwas von einem Hollywood-Thriller. Es ging um Geheimdienste und dunkle Waffengeschäfte. Und mittendrin sie, eine der besten Basketball-Spielerin der Welt, die einfach nur in Russland ihrer Arbeit nachgehen wollte. Griner spielte seit 2015 in der WNBA-Saisonpause für UGMK Jekaterinburg in der äußerst lukrativen russischen Superleague. Laut des Online-Portals “The Athletic” betrug Griners Grundgehalt in Phoenix in der Spielzeit 2021 insgesamt 221.450 Dollar. In Jekaterinburg soll es mehr als eine Million Dollar pro Saison gewesen sein.

Am 17. Februar 2022 war sie aus New York kommend auf dem Flughafen Moskau Scheremetjewo festgenommen worden, nachdem Zollbeamte in ihrem Gepäck Haschisch-Öl gefunden hatten, dessen Besitz in Russland illegal ist. Griner bekannte sich vor Gericht schuldig und gab an, die Drogen “unabsichtlich” bei sich gehabt zu haben. Richterin Anna Sotnikova nahm ihr das jedoch nicht ab - und verurteilte die Texanerin zu neun Jahren Haft in einer Straf-Kolonie.

Die Basketballerin Brittney Griner wird am Flughafen in Moskau in Handschellen abgeführt

Die Basketballerin Brittney Griner wird am Flughafen in Moskau in Handschellen abgeführt.

Armdrücken zwischen Moskau und Washington

Soweit die Fakten. Doch im Fall Griner ging es nicht einfach nur um eine Straftat. Oder darum, dass eine US-Amerikanerin gegen russisches Gesetz verstoßen hatte und deshalb verurteilt wurde. Die Angelegenheit wurde zu einem weltweit beachteten Politikum. Zu einer Art Armdrücken zwischen Moskau und Washington. Die USA hatten stets betont, dass die Basketballerin “unrechtmäßig inhaftiert” sei. Ende Juli hatte Washington dem Kreml offeriert, im Tausch für Griner Viktor Bout freizulassen.

Der 56-Jährige, Spitzname “Händler des Todes”, ist ein weltweit agierender, russischer Waffendealer und befand sich seit 2008 in US-Haft. Am 8. Dezember erfolgte der Gefangenen-Austausch auf einem Flughafen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er habe soeben mit Griner telefoniert. Sie befinde sich in einem Flugzeug auf dem Weg nach Hause, hatte US-Präsident Joe Biden spürbar erleichtert an jenem Tag live im US-Fernsehen verkündet.

100-Tage-Plan für das Comeback

Sie wisse jetzt “alles ein bisschen mehr zu schätzen”, meinte Griner nach ihrem Comeback. Und außerdem habe sie gelernt, dass es “keine Garantie für ein Morgen” gebe. Am 17. Oktober 2021 hatte die US-Amerikanerin zuletzt das Mercury-Trikot getragen. Damals waren ihre Haare noch lang. 

Jetzt präsentierte sich die zweimalige Olympiasiegerin mit einem Kurzhaarschnitt. Zusammen mit ihrem Verein hatte Griner nach ihrer Freilassung einen 100-Tage-Plan für ihr Comeback aufgestellt. In der Gefangenschaft hatte sie reichlich an Gewicht verloren. Um die Muskulatur wieder aufzubauen, arbeitete Griner mit Athletik-Trainern zusammen, Psychologen, Ernährungsberatern und bekam auch einen Koch. “Ihr wurden alle nur erdenklichen Ressourcen zur Verfügung gestellt”, hieß es bei "ESPN".

Sofort wieder beste Punktesammlerin

Griner sehe “super aus”, betonte WNBA-Commissioner Cathy Engelbert. “Es ist großartig, sie wiederzuhaben, eine Erleichterung für alle”, so Engelbert weiter. Ihr erster Treffer habe sich “richtig gut” angefühlt, meinte Griner. So wie ihr bis dato letzter, damals im Oktober 2021. Mit insgesamt 18 Zählern war sie Phoenix' erfolgreichste Punktesammlerin bei der Niederlage gegen L.A.. Hinzu kamen sechs Rebounds und vier Blocks.

Doch all diese Zahlen waren diesmal zweitrangig. "ESPN"-Kommentator Jones beendete die Übertragung mit den Worten: “Im Großen und Ganzen betrachtet, schmerzt diese Niederlage für Griner und Mercury vielleicht nicht so sehr. Denn dass Griner wieder hier ist, ist ein Sieg für sie und Phoenix.”