US-Fans in Beaver Creek (2015)

Weniger Europa, mehr Wachstum Wie die USA auf die Skisport-Krise blicken

Stand: 25.11.2022 15:51 Uhr

Der alpine Ski-Tross macht Station in Nordamerika, Freundesland für den umstrittenen FIS-Präsidenten Eliasch. Dort soll das Marktpotenzial endlich ausgeschöpft werden.

Wer in Zentraleuropa fragt, bekommt kaum Positives über Johan Eliasch zu hören. Der Präsident des Internationalen Ski- und Snowboardverbandes FIS hat die meisten dortigen Nationalverbände gegen sich aufgebracht. Er wollte ihnen die Weltcup-Besitzrechte abnehmen, viele fühlten sich überrumpelt.

Der Streit gipfelte darin, dass zentral- und nordeuropäische Verbände bei Eliaschs Wiederwahl Ende Mai den Saal verließen. Es war ein Protest gegen das Wahlprozedere, das nur Ja-Stimmen erlaubte, und wohl auch ein Versuch, Eliaschs Wiederwahl zu verhindern. Der internationale Sportgerichtshof CAS klärt nun ab dem 5. Dezember, ob die Wahl rechtens war.

Europa und der Rest der Welt

Das Verhältnis zwischen großen Teilen Skisport-Europas der FIS-Spitze ist auf dem Tiefpunkt. Ganz anders erscheint die Stimmung in anderen Teilen der Welt, auch in den USA. Die Sportschau sprach mit Dexter Paine, der acht Jahre lang im mächtigen FIS-Council die US-Amerikaner vertrat. Bei besagtem Kongress wurde er überraschend abgewählt, offensichtlich aus taktischen Gründen.

Eliasch verlor so einen wichtigen Verbündeten im Council und reagierte, indem er Paine umgehend per Akklamation zum Ehrenmitglied des Councils ernannte. Außerdem wurde Paine nach eigenen Angaben im Oktober zum Vorsitzenden des Para-Sportkomitees ernannt und darf in dieser Funktion den Sitzungen des FIS-Exekutivkomitees beiwohnen.

Paine lässt weiterhin nichts Schlechtes auf Eliasch kommen. Die große Opposition bei der Wiederwahl? "65 Prozent Wählerstimmen sind eine überwältigende Mehrheit." Die breite Kritik an Eliaschs Führungsstil? "Er ist ein viel besserer Anführer geworden in seinen 18 Monaten bei der FIS."

"Wir müssen globaler werden"

In Europa finden viele, weniger sei mehr im Weltcup, so äußerte sich auch Sportschau-Experte Felix Neureuther im BR. "Der Skisport ist in den Alpen zu Hause, nicht in China oder Saudi-Arabien." Angesichts des Klimawandels wünscht er sich weniger Rennen, dafür umso besser organisierte.

Die Pläne von Eliasch und auch Paine sehen komplett anders aus. "Wir können nicht Rennen in einer sehr kleinen Gruppe mitteleuropäischer Länder veranstalten, wenn wir die Möglichkeiten für den Sport maximieren wollen", sagt Paine. "Wir müssen globaler werden. Man schaue auf die FIFA, das IOC und die Formel 1: Die Art und Weise, wie sie den Sport ausgeweitet haben, bestand darin, dass sie Veranstaltungen und Spiele in vielen, vielen Ländern auf der ganzen Welt abhielten."

Der Vergleich mit der Formel 1

Da ist er wieder, der Vergleich mit der Formel 1. Oft bemüht auch von Eliasch, viel kritisiert von seinen Gegnern. Die Formel 1 hat ihren Rennkalender immer mehr erweitert, strich trotzdem traditionelle Standorte wie Hockenheim und den Nürburgring, fährt aber 2023 in China und Aserbaidschan und gleich viermal auf der arabischen Halbinsel: in Bahrain, Katar, Abu Dhabi und Saudi-Arabien. Die Formel-1-Kasse klingelt also auch dank Millionen von Dollars aus den Kassen autokratischer Ölstaaten.

Davon scheint auch die FIS zu träumen, lässt sich auch von fehlendem Naturschnee nicht stoppen. Seit 2021 veranstaltet sie unterklassige Wettbewerbe in der Skihalle von Dubai und sinniert über eine ganze Serie von arabischen Freeski- und Snowboard-Events. Eliasch bekundete zudem Sympathien für das geplante Luxus-Skigebiet Trojena, das Saudi-Arabien in seine knochentrockenen Berge bauen will. Dort sollen 2029 die asiatischen Winterspiele stattfinden.

"Das Wachstum wird außerhalb von Europa liegen"

In Europa entsteht oft der Eindruck, Eliasch auch wegen solcher Ansichten in der FIS isoliert. Paine zeichnet ein anderes Bild. Eliasch habe auch im Council eine breite Unterstützung. "Die FIS ist eine globale Organisation und wir müssen festhalten, dass alle Mitglieder dieser Organisation eine Stimme haben."

Paine hob hervor, dass die USA gemessen an der Zahl der Tage, an denen Menschen im Land Skifahren, den größten Markt habe, gefolgt von Frankreich, Österreich und Japan. "Ich denke, das Wachstum der FIS wird außerhalb von Europa liegen. In den vergangenen zehn Jahren war das Wachstum in Asien und Nordamerika bei den Ski- und Snowboardfahrertagen schon deutlich stärker als in Europa."

Fragiler Wachstumsmarkt Asien

Vor allem China gilt als Goldgrube, befeuert durch die Olympische Winterspiele 2022 und das große Versprechen, 300 Millionen Chinesen dem Wintersport näherzubringen. Besonders Freeski hat tatsächlich viele Fans dank Superstar Eileen Gu, geboren in den USA, Doppel-Olympiasiegerin für China.

Doch ein Blick auf Südkorea und vor allem Japan wirft die Frage auf, wie nachhaltig die Zuwächse sein werden. Nach einem Boom durch Olympia 1972 in Sapporo waren die Besucherzahlen in Japans Skigebieten in den vergangenen 20 Jahren stark rückläufig, brachen um die Hälfte ein. So steht es im International Report on Snow and Mountain Tourism 2020.

Streitthema Weltcup-Rechte

Oft wird die fehlende Wintersport-Tradition und -Kultur in Asien als Grund für solche Rückgänge genannt. Oder liegt es doch daran, dass der Ski- und Snowboardsport einfach nicht gut genug vermarktet wird? Paine jedenfalls setzt wie Eliaschs auf eine Zentralvermarktung für höhere Einnahmen und steigende Preisgelder.

Allerdings plädiert Paine für einen behutsamere Herangehensweise. "Ich denke, der erste Schritt sollte sein, die Vermarktungsrechte zu zentralisieren. Und dann, nachdem wir erfolgreich bewiesen haben, dass wir den Wert der Rechte steigern können, können wir möglicherweise das Eigentum an den Weltcuprechten zentralisieren."

US-Problem mit den Übertragungszeiten

Vermarktungs-Schwierigkeiten kennt Paine ohnehin, denn trotz der vielen aktiven Skifahrer, angelockt durch günstige Saisonkarten, und trotz sehr erfolgreicher Alpin-Profis wie Ted Ligety, Bode Miller, Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin hielt sich das Zuschauerinteresse der Amerikaner in Grenzen.

Als Hauptproblem nennt Paine die Übertragungszeiten bei Rennen in Europa. In den USA müssen die Menschen tief in der Nacht oder sehr früh am Morgen aufstehen, um live dabei zu sein. "Die jetzigen Rennen in Killington und auf der Birds of Prey laufen dagegen am Samstagnachmittag auf NBC, also dann, wenn die Menschen Sport sehen möchten."

Spagat zwischen Umweltschutz und Expansion

Umso glücklicher sei er darüber, dass der alpine Tross später in der Saison ein zweites Mal in die USA komme, nach Aspen und Palisades Tahoe. "Niemand in den USA ist besonders fokussiert auf Skisport Ende November, Anfang Dezember. Es ist großartig für die USA, Weltcuprennen im Februar und März zu veranstalten."

Und der enorme CO2-Ausstoß durch die zusätzliche Reise nach Nordamerika? "Wir müssen ein Gleichgewicht finden zwischen der globalen Förderung des Skisports und der Lösung des Problems, dessen CO2-Fußabdruck zu verringern", sagt Paine. Bei Eliasch sieht der Spagat aktuell so aus: Beim Klimaschutz setzt er vor allem auf ein Greenwashing durch eine intransparente Regenwald-Initiative, nennt die FIS "klimapositiv". So bleibt dann nach eigener Rechnung noch etwas Luft für neue Rennen in neuen Ländern.