Karl Geiger(links) und Markus EIsenbichler(rechts)

Nach mentalem Tief bei Eisenbichler Fliegendes Doppelzimmer startklar für Marathon-Saison

Stand: 03.11.2022 13:54 Uhr

Markus Eisenbichler wollte alles hinschmeißen, auch Karl Geiger kämpfte mit den Folgen des brutal harten Olympia-Abenteuers: In Deutschlands berühmtester Wintersport-WG war die Stimmung im Frühsommer ziemlich frostig. Weil sich das fliegende Doppelzimmer aber behutsam in Eigentherapie wie teils auch unter professioneller Hilfe durchrenovieren ließ, startet das "Geigenbichler"-Erfolgsduo verhalten optimistisch in seine elfte gemeinsame Weltcup-Saison.

"Es stimmt noch nicht zu 100 Prozent, es fehlt der letzte Schritt vom guten zum sehr guten Sprung", sagte Geiger vor dem Auftakt des fünfmonatigen Schanzen-Rekordwinters am Samstag und Sonntag (jeweils 16.00 Uhr/ live in der ARD) im polnischen Wisla: "Wenn der Schritt kommt, kommen auch Lockerheit und Aufgeräumtheit zurück."

Diese beiden Kerneigenschaften waren dem 29 Jahre alten Oberstdorfer in der Vorsaison nach glänzendem Start abhanden gekommen, die erste Olympia-Hälfte in Peking wurde zur Qual mit der Disqualifikation des Mixed-Teams, jener "unglaublichen Ohrfeige" (Geiger), als Tiefpunkt. Dank eines vor allem mentalen Kraftakts kämpfte sich Geiger aber aus dem Loch, holte in China noch zweimal Bronze und später Team-Silber bei der Flug-WM, Platz zwei im Gesamtweltcup. "Trotz allem hat es super funktioniert", bilanziert er.

Horngacher macht sich keine Sorgen um Geiger

Dass danach der Anlauf auf die neue Saison kein Selbstläufer ist, dass die diesmal durchaus wegweisenden Matten-Springen im Sommer - in Wisla wird aufgrund des frühen Saisontermins auch auf Kunstgrün gelandet - beim mittlerweile grunderholten Geiger leicht wacklig ausfielen: geschenkt. "Bei ihm mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.

Eisenbichler fehlte nach der vergangenen Saison die Motivation

Sorgen bereitete hingegen Geigers kongenialer Partner Eisenbichler: An 14 Medaillen bei Großereignissen waren der "Karle" und "Eisei" seit 2019 beteiligt - die Erfolgsgeschichte hätte nun beinahe ihr Ende gefunden. "Ich habe gemerkt, dass mir irgendwie die Motivation für die kommende Saison fehlt. So kann ich nicht mehr weitermachen", sagte der Oberbayer, der am Tag nach Saisonende 32 Jahre alt wird: "Mir hat es nicht mehr so viel Spaß gemacht wie früher."

"Eisei" holte sich Hilfe, um Dinge wieder sachlich zu betrachten

Dabei war der Winter 2021/22 kein schlechter: Sechs Weltcup-Podeste, Olympia-Bronze und Flug-WM-Silber jeweils im Team. Doch gerade in den großen Einzel-Entscheidungen lief wenig. Eisenbichler, der gerne entspannt daherkommt, war grundlegend unentspannt. Das mentale Tief beim Mentalitätsmonster zog sich in die Jahresmitte. Eisenbichler steuerte psychologisch dagegen. "Ich habe mir schon Hilfe geholt", sagt er: "Es geht darum, etwas sachlich zu betrachten und nicht immer gleich so emotional. Einfach entspannt weiterarbeiten."

Leidenschaft ist zurück

Und jetzt ist die Leidenschaft wieder da. Der "Eisei" als ruhender Pol tut dem deutschen Team gerade nach dem Rücktritt von Anführer Severin Freund gut - auch wenn er wie wohl auch Geiger noch nicht zum Saisonstart in allerbester Form auftreten wird. In Wisla müssen die beiden deutschen Top-Adler allerdings auch noch nicht am Limit fliegen. Die Saison wird ein Marathon, bis zu den Saisonhöhepunkten im echten Winter und auf Schnee ist es noch einige Zeit hin. "Natürlich ist die Vierschanzentournee ein großes Teamziel und wir werden alles daran setzen, dass das einer von uns gewinnt", sagt Geiger.