Skispringen | Vierschanzentournee Skispringen: Deutsches Gefühlschaos - zwischen Freude und Ratlosigkeit

Stand: 07.01.2022 06:00 Uhr

Regen in Oberstdorf, Sonne in Garmisch-Partenkirchen, Sturm in Innsbruck und Schnee in Bischofshofen: So wechselhaft wie das Wetter bei dieser Vierschanzentournee war, so wechselhaft waren auch die Emotionen im deutschen Team. Freude, Enttäuschung, Ratlosigkeit - die durchlebte Gefühlspalette war groß. Genau wie der Erfolgsdruck.  

Von Vanessa Sieck (Bischofshofen)

Die Ansage von Bundestrainer Stefan Horngacher im Vorfeld war klar: "Wir wollen auf Tourneesieg gehen." Sein Schützling Karl Geiger galt als einer der Top-Favoriten. Der Oberstdorfer reiste als Weltcup-Führender zur Tournee. Mit den Plätzen fünf und sieben bei den ersten beiden Springen flog er seinen eigenen Erwartungen aber hinterher, musste seinen Traum vom Gesamtsieg begraben.

"Mich nervt’s gerade einfach. Es ist bitter, dass es jetzt schon wieder… Na ja, egal", brach er den Satz mitten im Sportschau-Interview ab und musste erstmal tief durchatmen. Seine Augen wirkten leer – voller Enttäuschung, dass es ausgerechnet bei der Vierschanzentournee wieder einmal nicht optimal laufen wollte.  

Aus erhofftem Tournee-Sieg für Geiger wird Platz vier

Trotz der Enttäuschung fing sich Geiger wieder, wurde beim Innsbruck-Ersatzspringen in Bischofshofen Vierter. "Jetzt geht es nach vorn", sagte er und blieb zuversichtlich. Sein Strahlen in den Augen kehrte einen Tag später endgültig zurück, genau wie sein breites Grinsen. Beim vierten Tournee-Springen flog er auf 140,5 und 132 Meter – das bedeutete Platz drei in der Tageswertung und Rang vier im Gesamtklassement.

"Es war emotional eine schwierige Tournee. Das muss ich erstmal sacken lassen und dann schauen, dass wir das irgendwie nächstes Jahr besser machen", sagte er im Sportschau-Interview. 

Markus Eisenbichler war als Außenseiter und auf der Suche nach seiner Top-Form in die Tournee gestartet. Seine Zweifel wandelten sich aber immer mehr in Selbstbewusstsein um. Nach Rang sieben im Auftaktspringen trumpfte er in Garmisch-Partenkirchen groß auf.

Mit nur 0,2 Punkten Rückstand musste er sich dem Japaner Ryoyu Kobayashi geschlagen geben und konnte endlich wieder richtig jubeln: "Bei mir speziell ist es so, dass wenn ich einen guten Sprung mache, dann kommen die Emotionen raus, und das ist auch gut so", erklärte Eisenbichler. "Man soll sich aber auch ärgern für einen schlechten Sprung, man mag sich ja verbessern."

Nach Platz acht beim Nachholspringen in Bischofshofen machte er nach dem vierten Tournee-Springen seinem Ärger wieder so richtig Luft. "Zu spät", rief er nach seinem verpatzten Absprung im zweiten Durchgang lautstark in die Kamera und klopfte dabei mit den Händen gegen seinen Helm. Damit verpasste er den noch möglichen Sprung aufs Tournee-Podest und wurde Fünfter.  

Freund mit halber Olympia-Norm, aber fehlender Konstanz

Drittbester Deutscher in der Gesamtwertung wurde Stephan Leyhe auf Platz elf. Für den Skispringer vom SC Willingen war es die erste Tournee nach seinem überstandenen Kreuzbandriss. Die ersten beiden Springen beendete er unter den Top Ten, zeigte konstante Leistungen und war mit sich zufrieden. Etwas enttäuschend verlief dann die zweite Tournee-Hälfte mit den Rängen 20 und 25.  

Auch Weltcup-Rückkehrer Severin Freund erlebte ein Wechselbad der Gefühle: In Oberstdorf wurde er wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert, in Garmisch-Partenkirchen wurde er 28., beim Nachholspringen in Bischofshofen sicherte er sich mit Platz zwölf die halbe Olympia-Norm, einen Tag später verpasste er den zweiten Durchgang.

Das bedeutete in der Gesamtwertung Platz 31. Seine Leistungen waren nicht konstant genug, genau wie die von Andreas Wellinger. Er belegte Rang 32 in der Gesamtwertung. Constantin Schmid und Pius Paschke kamen auf die Plätze 33 und 37.  

Bundestrainer Stefan Horngacher wirkte im Sportschau-Interview nach dem Finale in Bischofshofen etwas geknickt: "Die Tournee ist nicht hundertprozentig so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. Das passiert halt oft, speziell in unserem Sport. In der Summe aller Dinge verliert man dann zu viele Punkte."

Trotzdem sei er zufrieden, erzählte er und richtete den Blick direkt nach vorne: "Es kommen Olympische Spiele, die Skiflug-Weltmeisterschaft – es sind noch sehr viele Wettkämpfe. Wir müssen einfach konzentriert weiterarbeiten."