Biathlon-Trainer Uros Velepec

Wintersport Ski Alpin, Biathlon und Co. - Wo sind die Trainerinnen?

Stand: 23.12.2022 10:12 Uhr

Im Eiskanal, auf der Skipiste oder in der Loipe sind Sportlerinnen und Sportler größtenteils gleichgestellt, aber sie alle werden fast ausschließlich von Männern trainiert. Trainerinnen gibt es im Wintersport nämlich kaum.

Bereits im Januar 2016 machte Karin Harjo Schlagzeilen, als sie als erste Frau einen Slalomkurs im Ski-Alpin-Weltcup steckte. Damals war sie Trainerin im US-Team der Frauen, nun hat die Amerikanerin eine neue Aufgabe: Zu dieser Saison übernahm Harjo das Cheftraineramt der kanadischen Skifahrerinnen und ist damit erst die zweite Frau in dieser Position seit der Gründung des Weltcups vor 55 Jahren.

Kaum Trainerinnen im Wintersport

Dass Karin Harjo die derzeit einzige Cheftrainerin im Skizirkus ist, steht sinnbildlich für ein tiefer liegendes Problem im Wintersport. Denn während Sportlerinnen und Sportler größtenteils gleichberechtigt sind, was die Anzahl der Wettbewerbe, Preisgelder oder mediale Aufmerksamkeit angeht, sieht das im Trainerbereich anders aus. So lag der Anteil der Trainerinnen, die in den vergangenen zehn Jahren an Olympischen Sommer- und Winterspielen teilnahmen, bei lediglich zehn Prozent.

Die Internationale Biathlon Union IBU hält auf Anfrage der Sportschau genauere Zahlen bereit. In der Saison 2021/2022 waren nur 15 Prozent des Trainerpersonals Frauen. Unter den Cheftrainern war der Anteil an Frauen sogar noch geringer: fünf Prozent. Schaut man sich in den deutschen Nationalteams um, muss man ebenfalls lange suchen. Sämtliche Cheftrainerposten bekleiden Männer, viele davon blicken selbst auf eine Sportlerkarriere zurück.

Familie und Beruf schwer zu vereinbaren

Eine der wenigen Trainerinnen im Spitzen-Wintersport in Deutschland ist Anja Selbach. Unter ihrem Mädchennamen Huber wurde sie Weltmeisterin im Skeleton und gewann bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver die Bronzemedaille. Inzwischen ist Selbach als Bundestrainerin für den Skeleton-Nachwuchs verantwortlich. Dass sich so viele Athletinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen nach der aktiven Karriere gegen das Trainerleben entscheiden, läge vor allem an der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, so Selbach im Gespräch mit der Sportschau.

Anja Huber-Selbach

Anja Huber-Selbach

"Wenn man in meinem Alter mit Anfang 30 aufhört und sich dann für die Familie entscheidet, ist der Trainerberuf im Leistungssport ad acta gelegt", sagte Selbach. Einer der Hauptgründe: Man sei - egal ob im Ski Alpin, Biathlon oder Skeleton - viel unterwegs. Bis zu sechs Monate im Jahr reisen Sportlerinnen und Sportler sowie das Trainerteam durch die ganze Welt. "Da braucht man einen Partner zu Hause, der das alles wuppt. Das ist aber noch die Ausnahme."

Trainerinnen als wichtige Ansprechpartnerinnen

Dabei können Trainerinnen besonders bei tabubelasteten Themen wie der Menstruation oder Essstörungen eine wichtige Ansprechpartnerin für Athletinnen sein. Diese Erfahrung hat Nachwuchs-Bundestrainerin Selbach selbst gemacht. "Gerade im jungen Alter und in der Pubertät ist es für viele Sportlerinnen einfacher, mit einer Frau über solche Angelegenheiten zu sprechen." Am Ende profitiere jedes Team von einer gewissen Vielfalt, so die Meinung von Selbach. "Aber ab und zu ist es schon wichtig, dass eine Frau mal sagt, wann es genug ist."

Den Vorurteilen den Kampf ansagen

Vor allem zu Beginn ihrer Karriere haben angehende Trainerinnen mit Geschlechterklischees und mangelnder Akzeptanz zu kämpfen. Davon berichtet auch Karin Harjo gegenüber der Sportschau. Sie habe aber ihren eigenen Weg gefunden, damit umzugehen. "Leider gibt es überall Vorurteile und zwar nicht nur wegen des Geschlechts. Ich versuche, diese nicht mein Verhalten oder meine Handlungen beeinflussen zu lassen", so Kanadas Ski-Alpin-Cheftrainerin.

Um sich als Frau im Trainerberuf, der bis heute eine Männerdomäne ist, durchzusetzen, müsse man laut Selbach auch mal seine Ellbogen ausfahren. Außerdem brauche es dringend Vorbilder: "Trainerinnen, die Türen öffnen und anderen Frauen damit zeigen, dass der Beruf auch für sie machbar ist."

DSV geht aktiv auf Sportlerinnen zu

Dass im Wintersport Trainerinnen fehlen, haben mittlerweile auch die internationalen Wintersport-Verbände als Problem begriffen und diverse Initiativen ins Leben gerufen. Auch der Deutsche Skiverband (DSV) nimmt sich diesem Thema an.

Ein Trainerturm am Rande eines Skisprung-Wettkampfes

Ein Trainerturm am Rande eines Skisprung-Wettkampfes

Laut DSV-Vorstand Thomas Braun, zu dessen Aufgaben unter anderem die Trainerausbildung zählt, gehe der Verband sowohl auf Athleten als auch auf Athletinnen aktiv zu. "Wir versuchen, sie dahingehend zu motivieren, nach ihrer Karriere in die Trainerausbildung einzusteigen – unabhängig vom Geschlecht", so Braun gegenüber der Sportschau. Dennoch würden sich für die hauptberufliche Tätigkeit deutlich mehr Männer entscheiden.

Noch keine richtige Lösung gefunden

Zudem passte der DSV seine Trainerausbildung so an, dass eine spätere Rückkehr in den Trainerberuf, wenn die Kinder älter sind, möglich ist. "Wir haben insgesamt schon zu wenig Trainer, deshalb wäre es ein großer Fehler, die Frauen aus den Augen zu verlieren." Eine richtige Lösung habe man aber noch nicht gefunden.

Trotzdem blicken Anja Selbach und Karin Harjo optimistisch in die Zukunft. Habe es vor sieben Jahren nur eine Handvoll Trainerinnen im Ski-Alpin-Zirkus gegeben, sehe Harjo heute Frauen, die aktiv Nationalteams aus aller Welt trainieren. "Ich glaube, dass jetzt mehr Frauen als je zuvor im Trainerberuf arbeiten." Und auch Selbach glaubt, dass sich bald mehr Frauen für das Trainerleben entscheiden werden. "Wir sind mittlerweile akzeptierter im Beruf, und auch die Männer haben gemerkt, dass eine Frau im Team gar nicht so schlecht ist. Und wir brauchen Trainer, egal ob männlich oder weiblich."