Wintersport | Welt-Skiverband FIS Entscheidung vertagt: Rechte-Vorstoß der FIS kontrovers diskutiert

Stand: 07.04.2022 19:42 Uhr

Der internationale Skiverband FIS wollte auf seinem Council-Treffen einen entscheidenden Schritt Richtung Zentralvermarktung gehen. Doch einige Nationalverbände wollen offenbar nicht mitziehen - nach kontroversen Diskussionen wurde die Entscheidung vertagt.

Die zentrale Vermarktung und Kommerzialisierung der Weltcups ist eines der Haupt-Ziele des neuen FIS-Präsidenten Johan Eliasch. Der schwedisch-britische Milliardär wollte seine Pläne beim Online-Treffen des FIS-Councils am Donnerstag (07.04.2022) zur Abstimmung bringen. Doch während die neuen Rahmen-Weltcupkalender für die Saison 2022/23 verabschiedet wurden, gab es zu den Vorschlägen der Zentralvermarktung nach Sportschau-Informationen keinen Konsens: Nach kontroversen Diskussionen wurde die Entscheidung um vermutlich mehrere Wochen vertagt.

Die Details des FIS-Vorschlags, die der Sportschau vorliegen, sind brisant: Unter anderem sollen demnach die FIS-Mitgliedsverbände künftig ein sogenanntes "Concorde-Agreement" unterzeichnen, dessen Name angelehnt ist an ähnliche Verträge in der Formel 1.

Der Vertragsentwurf spricht im Wesentlichen der FIS alle Eigentums-, Handels- und Marketingrechte aller Weltcup-Events zu. Außerdem ist zu lesen, dass die FIS ihre Weltcup-Events künftig ausschließlich an jene Mitgliedsverbände vergeben wird, die die Concorde-Vereinbarung unterschrieben haben "und/oder an lokale Organisatoren auf dem Gebiet eines Mitgliedsverbandes".

Wichtige Informationen erst kurzfristig verschickt

Bisher liegen die Vermarktungsrechte bei den Nationalverbänden, auf deren Gebieten die Weltcups stattfinden. Für die großen Skinationen in der Alpenregion und in Skandinavien sind ihre Weltcups ein zentrales Geschäftsfeld, das nun wegzubrechen droht. Die Verunsicherung sei schon seit Wochen groß gewesen, weil die FIS-Spitze die Nationalverbände nicht über ihr Vorgehen auf dem Laufenden gehalten habe. Das berichtete der ehemalige TV-Berater der FIS, Richard Bunn, dem WDR-Hintergrundmagazin Sport inside.

Auch die FIS-Council-Mitglieder hatten die Details demnach erst 44 Stunden vor dem Treffen erhalten - und waren wohl nicht einverstanden.

Groß gegen Klein? - FIS braucht einfache Mehrheit

Für eine Zustimmung zu seinen Plänen bräuchte Präsident Eliasch eine einfache Mehrheit, bei Gleichstand gäbe seine eigene Stimme den Ausschlag. Bei 18 stimmberechtigten Council-Mitgliedern wären deshalb zehn Nein-Stimmen nötig, um den Vorstoß zu verhindern. Die großen europäischen Verbände aus der Schweiz, Italien, Finnland, Norwegen, Österreich und Schweden sind jeweils mit einem stimmberechtigten Mitglied vertreten, der Deutsche Skiverband mit seinem Präsidenten Franz Steinle.

Kleinere Ski-Nationen und ihre Vertreter im Rat könnten dagegen darauf hoffen, von der Zentralvermarktung zu profitieren. Die FIS verspricht in einem Brief an die Council-Mitglieder eine "Win-Win-Situation für alle unsere Mitgliedsverbände" und eine "Weltcup-Einnahmegarantie".

Bestehende Verträge teils noch mehrere Jahre gültig

Für die praktische Umsetzung will die FIS die "FIS Media & Marketing" gründen, kurz "FIS M&M". Die Zeit drängt allerdings, schließlich will der Verband die Weltcups schon im kommenden Winter selbst vermarkten. Bis dahin muss Eliasch noch weitere Hürden aus dem Weg räumen: die bestehenden Verträge zwischen den Nationalverbänden, privaten Vermarktungsagenturen wie Infront und TV-Sendern.

Viele dieser Verträge laufen noch mehrere Jahre, aber Eliasch fühlt sich offenbar nicht daran gebunden. Klagen sind anscheinend einkalkuliert, schließlich heißt es in dem Brief: "Die FIS wird allen nationalen Skiverbänden eine Entschädigung für alle Ansprüche von Infront gewähren, einschließlich der Kosten, die sich aus den vorgeschlagenen Änderungen bei der Vermarktung der Weltcup-Rechte ergeben."

Der Streit beschäftigt Gerichte

Für den Sponsoring-Bereich hatte die FIS 2009 gemeinsam mit Infront und der Marketingfirma Tridem Sports die FIS-Marketing-AG (FISMAG) gegründet. Auch dieses Gemeinschaftsunternehmen will Eliasch beenden. "Wir haben alle Vereinbarungen in Bezug auf die FISMAG gekündigt, sodass wir dieses Hindernis für die Ausschöpfung unseres Sponsoringpotenzials beseitigt haben", heißt es im Schreiben an die Ratsmitglieder.

Allerdings ist die Abwicklung der FISMAG nach Sportschau-Informationen noch nicht geregelt, aktuell sind Schweizer Gerichte mit einstweiligen Verfügungen beschäftigt.

Weniger Weltcups in Deutschland

Bei der Entscheidung über die Zentralvermarktung geht es auch darum, dass die kleineren Nationen mehr vom Kuchen abbekommen sollen. Der Weltverband schreibt an die Ratsmitglieder: "Die FIS verpflichtet sich, die Gewinne zu verwenden, um das Preisgeld für die Athleten zu erhöhen, das Weltcup-Produkt zu verbessern und unseren Sport in sich entwickelnden Skinationen zu verbessern."

Der neue Weltcupkalender, der in der Ratssitzung verabschiedet wurde, liefert weitere Hinweise darauf, wohin die FIS steuert: weniger Wettbewerbe in Deutschland, dafür mehr in Nordamerika und Asien. Das Olympia-Gastgeberland China gilt wie Indien, die USA oder Kanada als Wachstumsmarkt mit vielen potenziellen Neu-Skifahrern.

Weiter Unklarheit über Eliaschs Rolle bei Head

Das ist auch für Skihersteller interessant. Eliasch ist Besitzer der erfolgreichen Wintersportmarke Head und laut Firmenregistern auch weiterhin deren Geschäftsführer, obwohl er direkt nach seiner Wahl zum FIS-Präsidenten seinen Rücktritt verkündet hatte. Aufklären wollte Eliasch diesen Widerspruch nicht, eine Sport-inside-Anfrage dazu ließ er Anfang März unbeantwortet.

Weil die Sportschau die Details zur "Concorde-Vereinbarung" erst kurzfristig erhalten hatte, konnte sie der FIS erst knapp zwei Stunden vor Start der Council-Sitzung Fragen stellen. Der Weltverband veröffentlichte am Donnerstagabend eine Presserklärung, die die Fragen zur Zentralvermarktung allerdings unbeantwortet lässt.

Zerwürfnis zwischen FIS und großen Skinationen?

Eliaschs Zentralvermarktungsvorhaben stößt vor allem bei den großen Skinationen auf Kritik. Ihr Selbstverständnis ist, das traditionsreiche Herz des Skisports zu bilden mit dem größten Zuschauerinteresse. Durch die FIS-Vorhaben könnten konfliktreiche Zeiten bevorstehen.