Wintersport | Interview Ski-Rennen in Dubai: "Das war schon seltsam"

Stand: 24.11.2021 14:42 Uhr

Ski-Profi Erjon Tola hat das erste FIS-Rennen in Dubais Skihalle gewonnen. Im Interview spricht er über Hitze, Umweltschutz und die Rolle des Ski-Weltverbandes.

Erjon Tola kennt die große Welt des Skisports, hat an Weltcups und Weltmeisterschaften teilgenommen, vertrat sein Geburtsland Albanien bei vier Olympischen Spielen. Seine nun letzte Saison als Skifahrer hat der 34-Jährige von Mittwoch bis Samstag auf kuriose und umstrittene Weise eröffnet: mit vier Slalom-Rennen der unterklassigen FIS-Entry-League in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Am Tag nach seiner Rückkehr in die italienische Heimat spricht Tola mit der Sportschau per Video-Telefonat.

Sportschau: "Herr Tola, Sie haben ein Stück Wintersportgeschichte geschrieben, das erste offizielle FIS-Rennen in Dubai gewonnen. Wie kam es dazu, dass Sie dort in der Skihalle an den Start gegangen sind?"

Erjon Tola: "Freunde haben mich dazu eingeladen und ich habe gesagt: warum nicht? Es könnte eine gute Erfahrung werden."

"Und wie war die Erfahrung?"

Tola: "Die Bedingungen waren schon seltsam. Ich wohne in Cervinia in Norditalien, in der Nähe von Zermatt. Ich bin dort den ganzen Herbst lang auf dem Gletscher Ski gefahren. In Dubai war es dagegen sehr heiß, 30 Grad. Und dann -5 Grad in diesem riesigen Kühlschrank, wie ich die Skihalle nenne - das war schon ziemlich kurios."

"Wie waren denn die sportlichen Bedingungen in diesem riesigen Kühlschrank?"

Tola: "Im Vergleich zu anderen Skihallen war es ziemlich steil, und mir hat Strecke wirklich gefallen. Der Schnee war kompakt, nicht so eisig wie sonst in Skihallen. Auch die Organisation war perfekt. Wir hatten jeden Tag drei Läufe, weil die Strecke so kurz war. Dadurch konnten wir uns immer weiter verbessern."

"Es wird über Pläne diskutiert, vielleicht sogar Weltcups in Skihallen wie in Dubai zu veranstalten. Halten Sie das für sinnvoll?"

Tola: "Möglicherweise schon. Für Slalom-Rennen kann man bestimmt einen entsprechenden Hang bauen. Die FIS hat ja auch schon in Oslo Weltcups im Parallel-Slalom ausgetragen, zwar nicht in der Halle, aber auf einem künstlichen Hang. Ich war zum ersten Mal in Dubai. Und nach dem, was ich da alles gesehen habe, kommt mir in den Sinn: Nichts ist unmöglich. Die Stadt hat mich echt beeindruckt. Viele Sportarten organisieren schon Wettkämpfe dort, im Golf kennt jeder das 'Race to Dubai'. Warum sollte der Skisport nicht der nächste sein?"

Einschub: Nach Golf, Tennis und Formel 1 jetzt auch der Skisport?

In der Tat holen die Vereinigten Arabischen Emirate schon seit mehr als 30 Jahren internationale Sportevents ins Land. Die weltbesten Golfer und Tennisspieler kommen jedes Jahr nach Dubai, die Formel-1-Piloten nach Abu Dhabi.

Die Emirate und andere Golfstaaten nutzen solche Events unter anderem, um ihr internationales Image aufzupolieren. Menschenrechtler sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Sportswashing" autoritärer Staaten. Nun scheint auch der Skisport an der Angel der schwerreichen Emirate zu hängen.

Sportschau: "Es gibt Menschen, die es angesichts der Klimakrise nicht für sinnvoll halten, dass Sportler aus dem europäischen Winter nach Dubai fliegen, um dort bei 30 Grad in einer Skihalle anzutreten. Wie sehen Sie diese Diskussion?"

Tola: "Zunächst mal wurde mir gesagt, dass die Skihalle in Dubai komplett grün sei. Wie das erreicht wird, habe ich allerdings nicht gefragt. Außerdem glaube ich, dass die Skihallen in Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden ähnliche Emissionen haben. Und die FIS organisiert auch in diesen Hallen Entry-League-Rennen."

Einschub: Schnee dank Energie aus Öl und Gas

Ist Dubais 2005 eröffnete Skihalle tatsächlich "grün"? Auf ihrer Webseite ist lediglich von effizienter Kühlung und recyceltem Schnee zu lesen. Die Halle habe einen Energieverbrauch wie ein durchschnittlich großes Hotel, konkrete Zahlen werden nicht genannt.

Dubai nutzt für die Stromerzeugung fast ausschließlich das reichlich vorhandene, klimaschädliche Erdöl und Erdgas. In Solarstrom wird erst seit wenigen Jahren investiert. Hinzu kommt der Wasserbedarf für Kunstschnee. Frischwasser produzieren die in der Wüste gelegenen Emirate zu einem großen Teil durch Entsalzung von Meerwasser - wofür ebenfalls viel Energie nötig ist.

Sportschau: "Inwiefern halten Sie die langen Flüge nach Dubai für problematisch?"

Tola: "Es geht immer darum, was die Verbände entscheiden. Auch die Olympischen Spiele in Peking sind nicht gerade um die Ecke für die Europäer und Amerikaner. So ist es seit 100 Jahren. Jetzt in Dubai waren wir weniger als 15 Fahrer aus Europa. Gleichzeitig kaufen viele Menschen superteure, umweltschädliche Autos. Man sollte jetzt nicht 15 Menschen, die nach Dubai fliegen, beschuldigen angesichts des enormen, zum Teil sinnlosen Konsums auf der ganzen Welt."

"Allerdings bleibt das schräge Bild, dass Skifahrer in Dubai bei 30 Grad Außentemperatur antreten, obwohl sie dies auch zu Hause mit deutlich weniger Aufwand tun könnten."

Tola: "Das stimmt. Aber auch die Skigebiete verbrauchen viel Energie. Je größer das Gebiet ist, desto größer ist die Umweltbelastung. Die Emirate wollten eben gerne ein Heim-Rennen veranstalten. Dafür hatten sie nur eine Chance: die Skihalle in Dubai. Wenn die FIS solche Rennen erlaubt, könnten diese auch in der Sahara stattfinden - die Fahrer würden auch dort fahren. Wenn es dann noch ein interessanter Ort ist, der neue Erfahrungen bringt, warum nicht? Die Auswirkungen auf die Umwelt wird die FIS im Blick haben. Wenn sie irgendwann entscheidet, dass es keine Hallen-Rennen mehr gibt, ist es eben so."

"Die FIS möchte unter ihrem neuen Präsidenten Johan Eliasch wachsen: mehr Wettbewerbe in mehr Ländern und auf mehr Kontinenten. Ist das aus Ihrer Sicht als Skiprofi der richtige Weg?"

Tola: "Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. Wenn es allgemein darum ginge, Sport auf der ganzen Welt weiterzuentwickeln, würde ich sagen: Ja, das sollte der Weg sein. Mehr Sport bedeutet mehr Gesundheit und möglicherweise weniger Kriminalität. Aber mit Blick auf die Umwelt muss die FIS schon überlegen, wie sie den Skisport weltweit bewerben will - auf umweltverträglichere Art. Das ist eine schwierige Aufgabe."

Das Interview führte Volker Schulte