Biathlon Die Transformation der Franziska Preuß

Stand: 06.12.2021 15:02 Uhr

Franziska Preuß hat sich verändert. In der Vergangenheit oft zu verkopft und unsicher, hat sich die Biathletin mit ihrem neuen Selbstverständnis mittlerweile in der Weltspitze etabliert. Es ist eine Transformation vom vielversprechenden Talent zur Leistungsträgerin. Jetzt fehlt nur noch der "Killerinstinkt".

Von Uri Zahavi, Jonas Schützeberg

Als Franziska Preuß im Pressebereich des Biathlonstadions in Östersund nach ihrer persönlichen Entwicklung der vergangenen Jahre gefragt wird, muss sie nicht lange nach einer Antwort suchen. Ihr fokussierter Blick passt perfekt zu den klaren Aussagen der 27-Jährigen. "Ich glaube, die letzte Saison hat meinem Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein einfach wahnsinnig gut getan", berichtet sie. "Sowas kommt einfach nur durch Erfolge. Man kann sich das noch so häufig einreden, solange man das nicht schwarz auf weiß sieht, glaubt man sich das selber nicht."

Der Glaube an die eigenen Stärken verändert alles

Der Glaube an die eigenen Stärken ist im Leistungssport bekanntermaßen ein Schlüsselfaktor - er kann über Sieg oder Niederlage, über Weltspitze oder Mittelmaß entscheiden. Dabei ist das so eine Sache mit dem Glauben - er ist nämlich nicht messbar. Es gibt keine Statistiken zu ihm, wie im Biathlon zu Schieß- und Laufzeiten oder Trefferquoten.

Trotzdem erfordert der Glaube eine Menge Arbeit und intensives Training. "Ich bin einfach gereift und habe mich im letzten Jahr sehr viel mit mir selbst beschäftigt", beschreibt Franziska Preuß, die die vergangene Saison auf dem dritten Platz im Gesamtweltcup beendete, den Prozess. "Da lernt man richtig viel. Und das kann man dann natürlich anwenden."

Wie erfolgreiches Anwenden funktioniert, zeigte Preuß dann auch gleich im vergangenen Winter. 19 Top-Ten-Platzierungen sind nicht nur ein starker Wert, sondern auch das beste Ergebnis ihrer Karriere. Der "Haken":  Fürs Podium reichte es "nur" drei Mal, Siege gab es keine zu feiern. 

Sportschau-Wintersport-Podcast, 02.12.2021 12:22 Uhr

Ein Sommer ohne Sorgen

Die insgesamt positive Entwicklung, die sich in der Saison 2020/2021 angedeutet hat, setzt sich in diesem noch jungen Winter fort. Auch und vor allem deshalb, weil Preuß endlich mal gesund über den Sommer gekommen ist. Es gab keine Verletzungen, keine Störgrößen, die sie in der Vorbereitung behindert hätten - ein Novum. Denn Preuß war lange dafür bekannt, das Unglück ein wenig anzuziehen.

"Dass ich mal gesund geblieben bin, war wichtig für mich", sagt Preuß. "Dass ich mal nicht mit Rückschlägen beschäftigt war. Da kann man mental schon echt viele Körner sparen und die anderweitig nutzen."

Hinzu kommt, dass die Bayerin in der Vergangenheit viel "zerdenkt" habe, erklärt Frauen-Bundestrainer Florian Steirer: "Früher hat sie mit gewissen Umständen etwas gehadert. Sie ist ein sehr emotionaler Mensch, da hat sie sich oft schwer getan. Jetzt, mit der Sicherheit, sieht man, dass die Franzi mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auftritt und dann die Leistungen, die sie im Training zeigt, gut umsetzen kann". Steirer pausiert kurz und fügt hinzu: "Aktuell macht sie mental einen sehr, sehr starken Eindruck."

"Verkrampft loslaufen geht nach hinten los"

Läuferisch zählt die Staffelweltmeisterin von 2015 in dieser Saison zu den stärksten Athletinnen im ganzen Feld. "Die Franzi ist gut drauf und liefert konstant ab. Ich denke, es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis es nach ganz vorn geht. Wenn sie dann die Konstanz auf dem Podium auch noch halten kann, dann sind wir zufrieden", sagt Steirer nach drei fünften Plätzen für Preuß in Sprint, Verfolgung und Staffel beim Weltcup in Östersund.

Auch wenn alle Planungen in diesem Winter auf den Saisonhöhepunkt im Februar in Peking hinsteuern, liebäugeln sie in der deutschen Mannschaft noch mit etwas anderem, erklärt Bundestrainer Steirer: "Bei Olympia muss sie in bester Form sein, aber langfristig ist das Ziel der Gesamtweltcup. Wichtig dafür ist, eine Konstanz zu haben. Wenn man einen Lauf hat, dann sammelt man wahnsinnig viele Punkte, wie Tiril Eckhoff in der letzten Saison. Verkrampft draufloslaufen, von Wettkampf zu Wettkampf, das geht nach hinten los."

Schon jetzt fehlt nicht viel nach ganz oben

Nein, verkrampft wirkt Franziska Preuß zu Beginn dieser olympischen Saison nun wirklich nicht. "Es fehlen noch die 100 Prozent am Schießstand für ganz oben. Das nehme ich mir fest vor, und ich weiß ja, dass ich es kann", sagt Preuß. Und da ist er wieder, dieser Glaube an die eigenen Stärken.

Preuß erweckt den Eindruck, als hätte es bei ihr Klick gemacht. "Ich glaube, ich habe jetzt ganz gut herausgefunden, was ich anders machen muss", resümiert die Bayerin, die bislang noch keine Medaille bei Olympischen Spielen gewinnen konnte. 

Killerinstinkt zur olympischen Saison

2013 debütierte Preuß als hochtalentierte Nachwuchs-Biathletin im Weltcup - ihre Transformation zur wichtigen Säule und Leistungsträgerin im deutschen Team ist abgeschlossen. Für eine herausragende und dann auch von Erfolgen gekrönte Saison fehlte ihr in den vergangenen beiden Jahren noch der Killerinstinkt. Diesen letzten Schuss zum Sieg dann auch noch zu versenken. Preuß selbst weiß, dass sie das kann. Sie glaubt jetzt an sich. Und diese Entwicklung macht Hoffnung, dass es auch für ganz oben reichen kann.