Benedikt Doll (r) übergibt beim WM-Start an Roman Rees..
analyse

Heim-WM in Oberhof Deutsche Biathleten enttäuschen beim WM-Auftakt

Stand: 09.02.2023 15:01 Uhr

Es war ein misslunger Einstand in die Biathlon-WM mit einem traurigen Benedikt Doll im Mittelpunkt. Zwischen Motivation und Druck vor begeisterten Zuschauermassen - die Tücken einer Heim-WM.

Zwölf strahlende Biathletinnen und Biathleten saßen am späten Mittwochnachmittag auf dem Podium im Oberhofer Medienzentrum, fein aufgereiht, Schulter an Schulter. Zwölf stolze Athletinnen und Athleten, für die die Biathlon-WM gleich im ersten Rennen mit einer Medaille endete. Zwölf Gewinnerinnen und Gewinner, bei denen der erste Druck abgefallen war - doch keiner von ihnen kam aus dem deutschen Team.

Der Raum war mehr als voll, kein freier Tisch, die vielen deutschen Journalistinnen und Journalisten stellten keine Fragen. Denn das deutsche Quartett fehlte bei dieser PK. Norwegen, Italien und Frankreich konnten sich die Medaille umhängen, dabei hatte es zwischenzeitlich doch so gut ausgesehen für die Deutschen.

"Mein Schießen war einfach vogelwild, eine Katastrophe"

Die tragische Figur dieser Mixed-Staffel heißt aus deutscher Sicht - ohne Zweifel - Benedikt Doll. Ausgerechnet der beste deutsche Biathlet der laufenden Saison (Platz sieben im Gesamt-Weltcup) vergab alle Chancen am Schießstand: "Ich ärgere mich sehr. Das war keine richtige Verlagerung, mein Schießen war einfach vogelwild, eine Katastrophe. Dafür trainiert man nicht 20 Jahre Biathlon."

Bereits beim Liegend-Schießen schoss Doll trotz drei Nachladern eine Strafrunde und vergab damit die Möglichkeit, um die Medaillen kämpfen zu können. Zuvor hatte eine überragend laufende Denise Herrmann-Wick die deutsche Staffel, nach mäßigem Start von Vanessa Voigt, auf Platz drei nach vorn gekämpft.

Lust und Frust einer Heim-WM

ARD-Sportschau-Experte und Biathlon-Staffel-Weltmeister von 2017, Erik Lesser, konnte mitfühlen, denn auch er weiß: Viele Biathleten haben Staffeln verschossen. "Vielleicht hat er im Vergleich zum Anschießen nicht richtig reagiert oder einfach falsch gedreht. Gerade liegend ist man dann schon verzweifelt, wenn die Scheiben einfach nicht fallen. Aber ich gehe davon aus, dass Benni das wegdrückt im Kopf und mit den Trainern aufarbeitet."

Das alles geschah vor 19.000 frenetisch feiernden Fans, eine beeindruckende Kulisse in der Arena am Rennsteig; eine Weltmeisterschaft zu Hause, eine Heim-WM, die zugleich Fluch und Segen sein kann. Denn die Erwartungen an das deutsche Team sind immens. Viele Fans sind von weither angereist, um vor allem eins zu sehen: Erfolge und Medaillen. Ein steigender Druck von außen, ganz abgesehen von der eigenen Erwartung der Athleten.

"Es hängt von der eigenen Form ab, ob einen die Zuschauer puschen können. Wenn man sich schlecht fühlt und etwas unsicher ist, da können der Druck von außen und die lauten Fans auch hinderlich sein. Aber wenn ich gut drauf war, hat mich persönlich das nach vorn gebracht", erklärt Lesser.

"Es trägt dich einfach, da hörst du deinen eigenen Atem nicht"

Denise Herrmann-Wick war nach ihrem Rennen begeistert von den anfeuernden Fans am Birxsteig: "In der ersten Runde muss man sich fast zügeln, aber in der letzten Runde hilft es brutal. Es trägt dich einfach hoch, da hörst du deinen eigenen Atem nicht. Das macht schon echt Laune."

Zum Feiern war Benedikt Doll so gar nicht zumute. Da saß er also im Athletenbereich hinter dem Ziel, allein mit seinen Gedanken. Um ihn herum Tausende Fans, die eine große Biathlon-Party feierten. Immer wieder schüttelte er fassungslos den Kopf, immer wieder schien es so, als würde er sich die Augen zuhalten wollen. Doll wirkte in diesen Sekunden tatsächlich untröstlich.

Die Mixed Staffel war zwar noch in vollem Gange, sein Teamkollege Roman Rees noch auf der Strecke, trotzdem kamen im Minutentakt Betreuer, Teamkameraden oder sogar Konkurrenten anderer Nationen auf den Schwarzwälder zu, klopften ihm auf die Schulter oder sprachen ihm Mut zu.

Zum Auftakt bleibt anstatt des erhofften Podestes ein sechster Platz

Rees konnte auf der Schlussrunde zwar noch ein paar Plätze gutmachen und führte das deutsche Team zu Platz sechs, der Traum von der Medaille war jedoch geplatzt. Als sich Benedikt Doll den Fragen der Journalisten in der Mixed-Zone stellte, war die Enttäuschung kein Stück gewichen.

Doch die mögliche Last einer Heim WM machte der einstige Sprint-Weltmeister nicht für seine Schießfehler verantwortlich: "Es liegt nicht an der WM, sondern eher daran, wie ich vorbereitet bin. Es gibt Tage, da bin ich ruhiger und manchmal aufgeregter. Dieses lange Warten in der Staffel, bis man dann auf die Strecke darf, ist natürlich nicht wirklich förderlich. Das hat mich vielleicht rausgebracht."

Neue Chance im Sprint am Samstag

"Ich versuche mir wieder Selbstvertrauen im Training am Schießstand zu holen. Wenn das jetzt ein Einzelwettkampf wäre, könnte ich es schnell abhaken, aber aktuell tut es mir einfach leid für die Teamkollegen", analysierte Benedikt Doll mit etwas Abstand nach dem Rennen.

Zwei Tage hat Doll nun Zeit, abzuschalten und vor allem abzuhaken. Am Samstag wartet mit dem Sprint der Männer bereits die nächste Chance auf ihn. In dieser Disziplin stand der 32-Jährige in der aktuellen Saison schon auf dem Podest, im Dezember in Le Grand Bornand - und das ganz ohne Schießfehler. Es könnte also schon im nächsten Rennen klappen mit der Medaille, mit oder ohne Druck von außen.