Tennis Erfolg in Cincinnati: Zverev trotzt den inneren Dämonen

Stand: 23.08.2021 13:00 Uhr

Tennisprofi Alexander Zverev sichert sich mit einer Gala-Vorstellung gegen seinen Jugendfreund Andrey Rublev den Masters-1000-Titel von Cincinnati. Nach dem Spiel mitfühlend, während der Partie gnadenlos. Der beste deutsche Tennisprofi schwimmt derzeit auf der Woge des Erfolgs. Nun warten die US Open.

Es war fast schon rührend, wie sehr sich Alexander Zverev zurückhielt. Ausgelassener Jubel, freudetrunkene Gewinnergesten, ein ergriffener Kniefall - all das gab es vom deutschen Sieger nicht zu sehen nach dem Matchball beim ATP-1000-Turnier von Cincinnati.

Vielmehr schielte der 24-Jährige zu seinem Kontrahenten und passte den Moment ab, als er die Faust in die Luft reckte. Andrey Rublev sollte das nicht mitbekommen. Es war eine Rücksichtnahme, die viel aussagt über Zverev, der vielen als schnöselig und manchmal zu selbstbewusst daherkommt.

Zverev und Rublev sind in dieser merkwürdigen Tenniswelt zusammen aufgewachsen, seitdem sie elf Jahre alt sind. Sie haben sich hochgearbeitet von viel versprechenden Kindern und Junioren bis in die Weltspitze der Männer. "Es ist unglaublich, dass wir jetzt solche Endspiele bestreiten", sagte Zverev fast ein wenig ungläubig bei der Siegerehrung, als ließe er in seinen Gedanken die Vergangenheit Revue passieren. "Ich weiß, wie du dich jetzt fühlst."

Weniger Wackler im Spiel

Eine solche Sensibilität ist auf der ATP-Tour längst keine Selbstverständlichkeit. Es geht bei den Profis vor allem um Weltranglistenpunkte und sehr viel Geld. Sentimentalitäten spielen dabei in den meisten Fällen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Erfolg um (fast) jeden Preis ist das Motto der großen Mehrheit. Und auch Alexander Zverev hatte in der knappen Stunde des Finales in Ohio beim 6:2, 6:3 keinerlei Gnade walten lassen.

Den insgesamt fünften Triumph bei einem Masters-1000-Turnier - nach den Grand Slams die zweithöchste Turnierkategorie - erspielte er sich in einer derartigen Souveränität und scheinbaren Leichtigkeit, wie man das selten bei Zverev gesehen hat. In den vergangenen sieben Jahren hatte Zverev kein einziges Match in Cincinnati gewinnen können und schied stets in der ersten Runde aus. "Das war bisher nicht mein Lieblingsturnier", sagte Zverev mit einem breiten Grinsen.

Zverevs häufig größte Problematik (nicht nur in Cincinnati) in der Vergangenheit: der Aufschlag. Eine plötzlich aufkommende und schwer händelbare Unsicherheit während einzelner Matches haben ihm nicht selten viele Doppelfehler und Niederlagen eingebracht.

Dieses Phänomen ist zwar nicht vollständig verschwunden. Auch beim seinem Aufschlagspiel zum Matchgewinn gegen Rublev hatte er einen derartigen Aussetzer und musste den einzigen Verlust seines Aufschlagspiels hinnehmen. Aber mittlerweile schafft es Zverev immer häufiger, sich und seine Nerven wieder schnell in den Griff zu bekommen. Der Aufschlag wird immer häufiger zu seiner Stärke.

Zverev strotzt vor Selbstbewusstsein

Und: Zverev verlagert sein Spiel immer häufiger nah an die Grundlinie und steigert damit seine Aktivität und sein dominantes Spiel. In den Momenten, wo er sich vor einiger Zeit noch weit zurückdrängen ließ und in die Abwehrrolle verfiel, versucht er nun präsenter zu sein und spielbestimmend. Die Härte seiner Schläge sucht ohnehin ihresgleichen auf der Tour.

Zverev strotzt derzeit nur so vor Selbstbewusstsein, wirkt so erwachsen wie nie. Im Halbfinale gegen den Weltranglistendritten Stefanos Tsitsipas lag Zverev bereits mit 1:4 im dritten Satz zurück, um diesen nach einer echten Energie- und Konzentrationsleistung noch mit 7:6 zu gewinnen. Den steten Kampf gegen die inneren Dämonen entscheidet Zverev nun mit größerer Regelmäßigkeit für sich.

Kohlmanns Hoffnung erhält Nahrung

Sein Olympiasieg von Tokio hat den jungen Mann derart beflügelt, wie er es selbst wohl kaum zu glauben gewagt hätte. "So souverän, so locker, aber gleichzeitig so fokussiert habe ich ihn noch nie gesehen. Jetzt kann man nur hoffen, dass er diese Initialzündung mit zu den US Open nimmt", sagte Michael Kohlmann, Deutschlands Herren-Tennis-Chef des Deutschen Tennis Bundes (DTB), der Sportschau nach der Rückkehr von den Olympischen Spielen aus Japan. Bis jetzt scheint sich Kohlmanns Hoffnung zu bestätigen.

Nun fährt Alexander Zverev neben Novak Djokovic als einer der großen Favoriten zum Grand-Slam-Turnier nach New York (30. August bis 12 September). Nicht zuletzt, weil Spitzenspieler wie Vorjahressieger Dominic Thiem, Rafael Nadal und auch Roger Federer allesamt verletzungsbedingt ihre jeweilige Saison für beendet erklärt haben.

Der erste Grand-Slam-Titel seiner Karriere scheint für Zverev zum Greifen nah. Im vergangenen Jahr unterlag er im Finale gegen Thiem nur hauchdünn in fünf Sätzen. "Ich freue mich auf das Turnier", sagte Zverev in Cincinnati nur kurz und knapp.