Tennis | Australian Open Naomi Osaka und die Freude am Tennis

Stand: 17.01.2022 14:23 Uhr

Das Comeback von Naomi Osaka könnte eine der Geschichten der Australian Open werden. Die Japanerin steht für eine neue Generation von Tennisspielerinnen, auch weil sie das Thema mentale Gesundheit auf die Tagesordnung gebracht hat.

Naomi Osaka machte einen entspannten Eindruck, bei ihrer Rückkehr zu den Australian Open. Beim On-Court-Interview nach ihrem Erstrundensieg gegen Camila Osorio sprach die Titelverteidigerin darüber, wie wohl sie sich jedes Mal in Melbourne fühle. Auch wegen des warmen Wetters, bei dem sie gerne spiele. Aber vor allem wegen der Fans: "Ich genieße einfach diese Atmosphäre, hier sind alle immer so liebenswürdig und herzlich", sagte Osaka, dann stoppte sie und grinste ins Publikum: "Ihr dürft euch gerne selbst einen Applaus geben."

Dass die Titelverteidigerin locker die erste Runde übersteht und danach mit den Fans herumplänkelt, wäre normalerweise keine eigene Meldung wert. Doch die 24 Jahre alte Japanerin hat ein bewegtes Jahr hinter sich, nach ihrem zweiten Titelgewinn in Melbourne vor gut elf Monaten.

Rückzug nach den US Open "auf unbestimmte Zeit"

Bei ihrem zuvor letzten Auftritt auf der großen Tennis-Bühne, nach dem Aus bei den US Open, hatte sich Osaka "auf unbestimmte Zeit" von der WTA-Tour verabschiedet, wie sie seinerzeit bekanntgab, emotional sichtlich angeschlagen. Kurz zuvor war sie auch bei den Olympischen Spielen früher als erwartet gescheitert, zuvor hatte sie bei der Eröffnungsfeier die Fackel im Stadion entzündet.

Die immense Erwartungslast der Gastgeber-Nation an ihren Tennis-Star, die erste asiatische Nummer eins, war ihr in Tokio auch auf dem Platz anzumerken. Bei den French Open hatte sich Osaka nach dem Auftaktmatch sogar selbst aus dem Turnier zurückgezogen. Mit der Begründung, die verpflichtenden Pressekonferenzen, vor allem nach Niederlagen, seien für sie eine zu große Belastung. In Wimbledon war sie im Anschluss gar nicht erst angetreten.

Mentale Gesundheit - ein großes Thema in der Tennis-Welt

Schon zuvor hatte Osaka immer wieder über das Thema mentale Gesundheit gesprochen. In ihrer Netflix-Dokumentation sprach sie offen darüber, dass sie seit mehreren Jahren mit depressiven Zuständen kämpfe. Dafür bekam sie viel Zuspruch, vor allem aus der Tennis-Welt, seit jeher ein Sport der Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen. In der Folge sprachen auch andere Aktive über die immense psychische Belastung auf der weltumspannenden Tennis-Tour, die durch die Einschränkungen infolge der Pandemie noch stärker wahrgenommen werde. "Sie gesteht es sich zu, diese traurigen Gefühle auch zuzulassen und sie zu durchleben", sagte US-Tennislegende Pam Shriver in der New York Times anerkennend über die junge Japanerin.

Indem Osaka öffentlich ihren mentalen Gesundheitszustand zum Thema macht, wie auch andere Stars etwa aus der Unterhaltungsindustrie, steht sie stellvertretend für einen sich langsam verändernden Zeitgeist, auch im Weltsport.

Ihre Stimme erhob sie gleichermaßen auch gegen politische und soziale Missstände: Es war Osaka, die im Jahr 2020 die "Black Lives Matter"-Bewegung auf die sonst eher unpolitische Tennis-Tour brachte. Beim WTA-Turnier in New York im August 2020 erzwang sie eine Unterbrechung der Spiele, am Tag zuvor war der Afroamerikaner Jacob Blake in Kenosha von Polizeibeamten angeschossen und schwer verletzt worden. Osaka betrat in der Folge den Platz mit Gesichtsmasken, die mit Namen weiterer Opfer von rassistischer Polizeigewalt bedruckt waren. Auch nach dem Tod von George Floyd, Auslöser der Bewegung in den USA, hatte Osaka an Protestkundgebungen teilgenommen.

Gesicht einer neuen Generation von Tennisspielerinnen

Spätestens damit wurde sie zum Gesicht einer neuen, auf der Tennis-Tour zuvor unbekannten Generation von Spielerinnen. Auch was die Vermarktung angeht: unter Osakas Werbepartnern finden sich nicht die üblichen, gediegenen Luxusmarken. Sie hat Verträge mit einem Spielekonsolenhersteller und einem Big Player aus der Digitalwirtschaft, außerdem unterhält sie Kooperationen mit Tech-Firmen und hippen Modelabels. Allein im Jahr 2019 hatte sie laut Forbes-Magazin 37 Millionen Dollar verdient, so viel wie keine andere Sportlerin.

Dementsprechend groß war die Erleichterung, auch bei den Veranstaltern der großen Turniere, dass Osaka nach vier Monaten Pause nun in Australien auf die WTA-Tour zurückgekehrt ist. Beim Vorbereitungsturnier in Melbourne präsentierte sich Osaka wieder stabil, gab dann aber vor dem Halbfinale auf. Verletzungsbedingt, ihr Körper müsse sich erst wieder an die hohe Intensität von mehreren aufeinanderfolgenden Matches gewöhnen.

Osaka: "Ich habe ein Tagebuch dabei"

Auch nach ihrem Erstrundensieg bei den Australian Open sprach sie von den "besonderen Umständen", das erste Major des Jahres fühle sich für sie nach der längeren Wettkampfpause wie ein Neuanfang an: "Es ist aufregend, alles ist auch etwas ungewiss", sagte sie und gab auch wieder einen Einblick in ihre Gefühlswelt: "Ich habe ein Tagebuch dabei, ich habe mir vorgenommen, jeden Tag festzuhalten, wie es mir geht", sagte sie. Sie verspüre aber eine große Vorfreude auf das Turnier: "Ich bin hier, weil ich hier sein will. Und weil ich Freude am Tennisspielen habe."