Jan-Lennard Struff jubelt bei den Mutua Madrid Open 2023

ATP-Turnier Struff übertrifft sich in Madrid selbst

Stand: 05.05.2023 22:30 Uhr

Jan-Lennard Struff präsentiert sich beim ATP-Turnier in Madrid so stark wie bisher noch nie und steht im Finale. Dabei hat der 33-Jährige eine lange Leidenszeit hinter sich.

Es war das Symbol dieses Abends in Madrid. Jan-Lennard Struff ballte immer wieder die Faust und zeigte seinem Gegner Stefanos Tsitsipas damit, dass mit dem Deutschen bei diesem Match nicht zu spaßen sein würde. So viel Überzeugung, so viel Willen, so viel innere Ruhe und Mut hatte Struff in einem Match wohl noch nie in seiner langen Karriere gezeigt wie in diesem Viertelfinale in der spanischen Hauptstadt.

Der 33-Jährige rang den Weltranglistenfünften aus Griechenland nach zweieinhalb Stunden in drei Sätzen (7:6; 5:7; 6:3) nieder und katapultierte sich erstmals in seiner Karriere in ein Halbfinale eines 1000er-Turniers, hinter den Grand-Slam-Events die zweithöchste Kategorie auf der ATP-Tour.

Der bislang größte Triumph für den gebürtigen Warsteiner - Struff übertrifft sich in Madrid selbst. "Es fühlt sich unglaublich an. Es war ein sehr harter Kampf", sagte Struff, der dabei ungläubig seinen Blick durch das Madrider Tennis-Stadion Caja Magica schweifen ließ.

Und mit dem Sieg gegen Tsitsipas war noch nicht Schluss für Struff - am Freitagabend besiegte er auch Aslan Karatsev mit 4:6, 6:3, 6:4 und zieht ins Finale gegen Carlos Alcaraz ein.

Historischer Erfolg für Struff

Die Geschichte des Jan-Lennard Struff in Madrid ist auch deshalb so besonders, weil er sich eigentlich gar nicht für das Hauptfeld qualifiziert hatte. Im Endspiel um die Qualifikation für die erste Runde unterlag er eben jenem Karatsev mit 4:6, 2:6. (Struff: "Da hatte er mich zerstört.") und war schon so gut wie auf dem Weg in die Heimat.

Struff rutschte nur noch als sogenannter "Lucky Loser" ins Turnier, weil sich andere Spieler kurzfristig verletzt abmeldeten.

Christian Schulze, Sportschau, 05.05.2023 09:42 Uhr

Wie außergewöhnlich dieser Erfolg ist, zeigt ein Blick in die Tennishistorie. Struff ist nach Thomas Johansson (2004 in Toronto) und Lucas Pouille (2016 in Rom) überhaupt erst der dritte "Lucky Loser", der das Halbfinale eines Masters-1000-Events erreicht hat.

Harter Kampf zurück in die Tennis-Spitze

Wer zu Beginn des Jahres mit solch einer Rückkehr Struffs nach seinen langwierigen Fuß- und Armverletzungen in der überaus unglücklich verlaufenen Vorsaison gewettet hatte, dürfte zu den besonders großen Optimisten im Tennissport zählen. Struff war Mitte Januar 2023 bis auf Weltranglistenposition 167 zurückgefallen, musste auch über die zweitklassige Challenger-Tour mühsam zurückfinden und sich immer wieder über Qualifikationswettbewerbe in die Hauptfelder der ATP-Turniere spielen - was etwa mit Blick auf Madrid keine einfache Aufgabe ist. Und nun dieser Triumph.

Und wie schwer es ist, sich nach langwierigen Verletzungspausen wieder auf höchstes Niveau auf der Tennistour hochzuarbeiten, der kann mal bei US-Open-Sieger Dominic Thiem oder auch Alexander Zverev nachfragen, die derzeit beide hart und bislang recht vergeblich darum kämpfen, ihr ehemaliges Leistungspotenzial auch nur annähernd zu erreichen.

Umso höher ist die Leistung Struffs einzuordnen, der diese Rückkehr-Problematik schneller als andere zu bewältigen scheint. Auch wenn er in den vergangenen Wochen und Monaten selbst einige Leistungssschwankungen durchlaufen hat.

Jan-Lennard Struff bald neue deutsche Nummer eins?

Allerdings deutete sich die gute Form Struffs, der auf der roten Asche groß geworden ist und sich darauf außerordentlich wohlfühlt, bereits beim 1000er-Turnier in Monte Carlo Mitte April an. Dort erreichte er bereits überraschend das Viertelfinale und bezwang auf dem Weg dorthin die Nummer vier der Weltrangliste, den Norweger Casper Ruud.

In sogenannten Live-Ranking der ATP-Weltrangliste hat sich Struff mittlerweile auf Platz 28 vorgearbeitet, was noch vor seiner Bestmarke - Weltranglisten-Platz 29 aus dem August 2020 - ist. Sollte Struff seine Erfolgsserie fortsetzen und sogar das Turnier für sich entscheiden, was angesichts seiner derzeit bestechenden Form nicht ausgeschlossen ist, könnte er perspektivisch sogar die neue Nummer eins in Deutschland werden.

Zverev ist nach seinem frühzeitigen Ausscheiden in Madrid in der Weltrangliste auf Platz 16 abgerutscht - Tendenz fallend. Das lässt sich über Struff keineswegs sagen.