Tennis Selbstbestimmt und unbequem: Kohlschreiber macht Schluss

Stand: 22.06.2022 15:25 Uhr

Philipp Kohlschreiber beendet seine Tennis-Karriere nach 24 Jahren - davon 21 Jahre als Profi. Der 38-Jährige war streitbar, aber zielstrebig. Wird er nun dem deutschen Nachwuchs helfen?

Philipp Kohlschreiber ist sich auch in diesem Moment treu geblieben. Nach seinem Erstrundenmatch in der Qualifikation zum Grand-Slam-Turnier in Wimbledon gegen Gregoire Barrere (6:2; 6:2) fasste er sich kurz. "Es wird mein letztes Turnier sein. Ich werde nach Wimbledon 2022 aufhören", sagte der 38-Jährige völlig unaufgeregt. Bis in die nächste Runde der Qualifikation trug es ihn noch, wo er gegen Michail Kukuschkin mit 7:6, 3:6, 4:6 unterlag. Das Ende einer schier unendlich langen Karriere kompakt in ein paar Worte verpackt.

Im Juli 1998 tauchte der Name Kohlschreiber erstmals überhaupt im ATP-Ranking auf. Damals wurde ein gewisser Gerhard Schröder gerade zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Da war der kleine Philipp gerade einmal 14 Jahre alt. Was damals noch niemand ahnen konnte: Es sollte eine große, rund 24 Jahre andauernde, sportliche Erfolgsgeschichte werden. "Ich habe eine sehr lange Reise hinter mir mit tollen Erinnerungen", sagte Kohlschreiber.

In Wimbledon ins Viertelfinale

Acht Turniersiege konnte er bei seinen Einzelauftritten feiern. Sieben Doppel-Titel kamen hinzu, sowie ein Erfolg beim World Team Cup 2011 in Düsseldorf. Rund 13,7 Millionen Euro hat Kohlschreiber allein durch seine Turnierteilnahmen eingenommen. Bei der Krönung dieses Sports, den Grand-Slam-Veranstaltungen, konnte Kohlschreiber zwar nie triumphieren. Aber er schaffte es bei allen vier Turnieren mindestens in die vierte Runde. 2012 kam er in Wimbledon sogar ins Viertelfinale. Seine höchste Platzierung in der Weltrangliste war Platz 16 im Jahr 2012.

"Er hatte eine unglaubliche Karriere. Was manchmal untergeht ist, wie lange Philipp unter den Top 30 in der Welt (von 2012 bis 2017, Anm.d.Red.) stand. Das ist phänomenal", sagt Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann der Sportschau. "Damit zählt er zu den Top-Spielern in der deutschen Tennishistorie." Der 48 Jahre alte Kohlmann hatte sich zu seiner aktiven Zeit einst selbst noch Duelle gegen Kohlschreiber geliefert.

Diskussionsfreudig und lehrreich

"Kohli", wie er von seiner Umgebung nur genannt wird, hatte in seinen jüngeren Jahren den Ruf, einen unbedingten, unverrückbaren Willen sowie eine vollständig professionelle Einstellung zu seinem Beruf zu haben. Manch einer in seinem Umfeld empfand seine Herangehensweise allerdings eher als egoistisch. So sagte Kohlschreiber seine Olympia-Teilnahme schon mal per wackligem Handyvideo ab. Oder er hatte ein schmallippiges "Nein" zum Davis Cup parat.

"Er hat manchmal für nicht so positive Nachrichten für den Deutschen Tennis Bund gesorgt. Das hat sich aber in der späteren Phase geändert. Ich hatte mit ihm aber nie Probleme", sagt Kohlmann, der seit 2015 Davis-Cup-Team-Kapitän ist. Spätestens seitdem ist auch Kohlschreiber offenbar immer mehr zu einem Teamplayer geworden. "Er will überzeugt werden und ist sicher diskussionsfreudig. Aber immer auf einer sehr professionellen Basis. Das war auch immer herausfordernd und lehrreich für mich als Coach", so Kohlmann.

Volles Engagement in eigener Sache

Kohlschreiber galt stets als überaus zielorientiert, wurde von seinen Kollegen respektiert. Aber er war nie derjenige, der mit kessen Sprüchen auf sich aufmerksam gemacht hat. Die Öffentlichkeit war ihm sichtlich suspekt, er entzog sich ihr, so gut es ging. Kohlschreiber gerierte sich lange Zeit eher als Eigenbrötler, der seine (sportliche) Sache mit Pedanterie und vollem Engagement durchzog.

Sein Umfeld kam meist aus dem Freistaat Bayern oder der näheren Umgebung, was wohl mit seiner Augsburger Herkunft sowie seiner Heimatverbundenheit zu tun hat. Die Tennisbase in München ist bislang sein Trainingsstützpunkt gewesen. Genau dort könnte es nun für ihn weitergehen.

Zu wenig deutsche Profis

"Ich hoffe, dass er seine Expertise weiter im Tennis verbreitet. Es wäre toll wenn er das mit deutschen Jugend- oder Top-Spielern machen würde", sagt Kohlmann. "Ich habe noch keine Pläne", sagte Kohlschreiber in London zwar auf die Frage, wie es denn mit ihm nach der sportlichen Karriere weitergehen würde.

Ein paar Wochen zuvor, beim ATP-Turnier in München, ließ er dagegen einen Einblick in seine Zukunft zu. Er würde seine Erfahrungen gerne an Jüngere weitergeben, sagte er damals: "Spaß daran hätte ich auf jeden Fall. Ich habe immer gesagt, so meine Art, meine Philosophie, wie ich als Profi war. Da habe ich Lust zu schauen, ob das umsetzbar ist für andere."

Kohlschreibers Beobachtungen sind jedenfalls eindeutig. "Wir haben für unser Tennis-Deutschland zu wenig Tennisspieler. Ob's Damen oder Herren sind, da könnte mehr passieren." Er gehört nun nicht mehr dazu. Nicht nur Kohlschreiber selbst wird sich daran erst einmal gewöhnen müssen.